Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Harmonisches Fahren in sportlichem Gewand
Mit der zehnten Generation des Civic will Honda dem Dieselfrust trotzen
Verkäufer von Dieselfahrzeugen haben es nicht gerade leicht gehabt im vergangenen Jahr: Selbst wenn das Auto die aktuelle Abgasnorm Euro 6d-TEMP erfüllte, mit günstigem Verbrauch glänzte und ordentlich Kraft auf die Räder brachte, hielt sich die Kundschaft stark zurück. Die Zahl der Neuzulassungen befand sich aufgrund von Fahrverboten und Skandalen im Sinkflug, zog erst im Januar wieder an. Namhafte Hersteller wie Toyota oder Volvo kündigten an, sich im europäischen Pkw-Segment von der Technologie ganz zu verabschieden. Selbst Honda strich im neuen CR-V den Diesel. Im Civic erlebt der Selbstzünder jedoch eine Renaissance. Mit einem aufgeladenen 1,6 Liter Motor, ausgesprochen sportlichem Outfit und einer feinen 9-Gang-Automatik des ZF-Konzerns aus Friedrichshafen verspricht der kompakte Japaner Diesellust statt Dieselfrust.
In Sachen Umweltverträglichkeit will Honda jeden kleinen Zweifel zerstreuen. Dank Partikelfilter und NOx-Speicherkatalysator erfüllt der neue Motor die Emissionsnorm 6dTEMP. Bemerkenswert dabei: Dies geschieht ohne Verwendung eines SCR-Katalysators, der Stickoxide mithilfe einer Harnstofflösung herausfiltert. Das spart einen separaten Tank und senkt die Betriebskosten. Wie lange Filter und Kat durchhalten, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
Auf winterlichen Testfahrten durch Oberschwaben und durchs Allgäu lässt sich der Civic angenehm, flott und sicher bewegen. Das Knurren des 120 PS starken Motors hält sich in Grenzen und verschwindet bei höheren Drehzahlen nahezu ganz. Dass ein eher unaufgeregtes Aggregat unter der Haube arbeitet und die straffe Federung direkte Rückmeldung von der Fahrbahn gibt, erweist sich bei schwierigen Straßenverhältnissen als Segen. Trotz seines stattlichen Drehmoments von maximal 300 Nm entfaltet der Motor seine Kraft eher linear. Von einem Turboloch ist nichts zu spüren.
Zu diesem harmonischen Fahreindruck mag das Zusammenspiel mit der 9-Gang-Automatik (9HP) beitragen. Dieses in Friedrichshafen entwickelte und seit 2013 in den USA gefertigte Getriebe nutzen neben Honda auch Fiat Chrysler und Land Rover. Statt mit einem Hebel oder Knauf werden die Fahrmodi mit Tasten auf der Mittelkonsole vorgewählt. Wer mag, kann über Wippen am Lenkrad die Gänge manuell einlegen. Auch wenn Honda die zehnte Civic-Generation als die „sportlichste aller Zeiten“bezeichnet, bleibt der 1,6 Liter Diesel trotz Turbo dynamisch eher zurückhaltend. Das mag dem Charakter des geschärften Rallye-Designs nicht ganz gerecht werden. Doch an der Zapfsäule macht sich die Motorisierung bezahlt. Mit 5,9 Litern auf 100 km – gemessen bei winterlichen Straßenverhältnissen – zeigt sich der Diesel genügsam.
Optisch macht der neue Civic was her. Die Frontpartie bohrt sich quasi in den Asphalt, während sich das Heck mit dem schwebenden Spoiler über der Heckklappe und den pfeilartig ausgestellten Rückleuchten mächtig aufbaut. Modellierte Lufteinlässe in Wabenstruktur vorne und hinten unterstreichen zumindest optisch die Sprintereigenschaften des neuen Civic. Das Fahrwerk ist sportlich straff ausgelegt, und die Lenkung reagiert direkt, sodass die 17 Zoll Räder auch in engen Kurven in der Spur bleiben.
Im Vergleich zu seinem Vorgänger ist der neue Civic länger (+136 mm), breiter (+30 mm) und niedriger (-20 mm). Das macht sich auch im Innern bemerkbar. Man sinkt tief in die Sitze, deren Position sich ausgesprochen sportlich anfühlt. Sogar im
Gute Straßenlage, sparsamer Motor, kluge Automatik, nützliche Assistenten
Fond ist der Platz für groß gewachsene Passagiere ausreichend. Schade nur, dass Honda im neuen Civic keine Magic Seats mehr anbietet. Die komplett nach oben klappbare Sitzfläche der Rückbank konnte den Fahrradträger ersetzen und erwies sich bei sperriger Ladung als ideal. Die Rücksitzlehnen sind im Verhältnis 60:40 nach vorne klappbar und erweitern den Laderaum von 478 Liter auf bis zu 1245 Liter. Die Heckklappe ist breit, die Ladekante ist mit knapp 68 Zentimetern angenehm niedrig. Bis auf dezente Carbon- und Aluleisten und aufgedruckte Nähte zeigt sich das Ambiente nüchtern.
Die Instrumente im neuen Civic sind komplett digital. Honda beschränkt die Spielereien damit weitgehend auf den Verbrauch, der permanent mit einem Balkendiagramm angezeigt wird. Die Anbindung des Smartphone an das Infotainmentsystem geht ruckzuck. Ein 7 Zoll großer berührungsempfindlicher Bildschirm auf der Mittelkonsole ist zwar gut einsehbar, aber die Bedienung ist kompliziert. Während des Fahrens sollte man die Finger davon lassen. Wir bevorzugen Sprachbefehle, die meist erhört werden, und nutzen die Tasten am Lenkrad. Telefon, Lautstärke und die Aktivierung von diversen Assistenten lassen sich mit zwei Daumen steuern ohne die Hand vom Lenkrad oder die Augen von der Straße nehmen zu müssen.
Serienmäßig bietet Honda im Civic elektronische Helferchen, die sich andere Hersteller als Sonderausstattung vergüten lassen. Unter anderem sind ein aktiver Spurhalteassistent
Infotainment mit Touchscreen kompliziert zu bedienen, Fahrwerk etwas zu straff
und ein adaptiver Geschwindigkeitsregler an Bord. Nur der Tote-Winkel- und der Ausparkassistent sind höheren Ausstattungslinien vorbehalten. Irritierend: Das Kollisionswarnsystem erweist sich als hypersensibel, und die Warnung vor einem nahenden Objekt leuchtet auch schon mal bei Starkregen auf. Den neuen Honda Civic gibt es ab 23 490 Euro. Mit Sechsgang-schaltung ist er knapp 2000 Euro günstiger. Als Benziner (1 Liter Hubraum, 126 PS) startet der Civic bei 19 990 Euro. Angeboten wird der Civic als Fünftürer und als viertürige Stufenhecklimousine in fünf Ausstattungsvarianten. Sonderausstattungen beschränken sich auf Felgen, Farben und Leder. Gebaut wird der Fünftürer in Swindon (Großbritannien), die Limousine läuft in Gebe (Türkei) vom Band.