Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Premierminister Johnson liegt auf der Intensivstation
Zustand nach Infektion mit dem Coronavirus hat sich im Laufe des Montags verschlechtert
LONDON - Der britische Premierminister Boris Johnson ist wegen seiner Covid-19-Erkrankung auf die Intensivstation verlegt worden. Sein Zustand habe sich verschlechtert, bestätigte eine Regierungssprecherin am Montagabend in London. Der 55Jährige war am Sonntag in das St. Thomas’ Hospital gebracht worden. Er hatte seine Infektion mit dem neuartigen Erreger bereits am 27. März öffentlich gemacht.
Zunächst arbeitete er isoliert im Regierungssitz in der Downing Street weiter. In seinen Videobotschaften zur Pandemie gab er sich optimistisch, er selbst wirkte aber bereits deutlich angeschlagen und hatte auch deutlich an Gewicht verloren. Später musste er dann aber wegen anhaltender Symptome in die Klinik gebracht werden.
Er sei auf Anraten seines Arztes „zu einigen Routinetests“ins Krankenhaus gegangen, hatte Johnson am Montag noch per Twitter mitgeteilt. Nach Angaben eines Regierungssprechers litt er unter Fieber und Husten. Einige britische Medien schreiben hingegen von einer schweren Erkrankung der Lunge; Johnson wurde demnach bereits beatmet. Außenminister Dominic Raab vertrat ihn auf einer Sitzung.
Noch Anfang März hatte der Premierminister damit geprahlt, dass er Menschen in einem Krankenhaus, darunter Covid-19-Patienten, die Hände geschüttelt habe. Das werde er auch weiterhin tun, sagte er damals.
In London herrschte am Montag zunächst Unsicherheit über den Gesundheitszustand des Premierministers. Die Nachricht von Johnsons Einlieferung ins Krankenhaus erreichte die Briten kurz nach einer Ansprache von Königin Elizabeth II, die von allen TV-Sendern übertragen wurde. „Wir werden uns wiedersehen“, machte die 93-Jährige ihren Untertanen Mut.
Am Wochenende teilte auch Johnsons schwangere Verlobte Carrie Symonds per Twitter mit, sie müsse seit einer Woche mit Coronaähnlichen Symptomen das Bett hüten. Ein Test sei nicht nötig gewesen, „es geht mir wieder besser“, schrieb die 32-Jährige und machte auf eine Regierungsbroschüre aufmerksam, die besonders auf die Lage von Schwangeren eingeht. Das erste gemeinsame Kind des Paares – Johnson hat mindestens fünf Kinder aus früheren Beziehungen – wird im Juni erwartet.
Quer durchs politische Spektrum wünschten Parteichefs und Ministerpräsidenten dem Premierminister gute Besserung. Dazu gehörte auch der am Samstag gewählte neue Oppositionsführer Keir Starmer. Dessen erste Besetzung für das Schattenkabinett deuteten darauf hin, dass die dezimierte Labour-Party im Unterhaus einen ernster zu nehmenden Widerpart für die Konservativen darstellen dürfte. Die Regierung habe bei der Bekämpfung des Coronavirus „ernste Fehler gemacht“, sagte Starmer. Er wolle durch konstruktive Kritik zum Gelingen des gemeinsamen Kampfes beitragen: „Wir machen keine Opposition um der Opposition willen.“
Erkennbar spiegelt Starmers Haltung die Stimmung in der Öffentlichkeit wider. In den vergangenen Tagen hatte die Kritik der Medien am Vorgehen der Regierung in der Corona-Krise stetig zugenommen. Am
Sonntag nahm sich der Leitartikler der konservativen „Sunday Times“, die zum Medienimperium von Rupert Murdoch gehört, Johnson persönlich zur Brust. Der „unerfahrene“Premierminister habe ein Kabinett ohne Tiefgang und Erfahrung um sich geschart; von den zuletzt verbliebenen fünf Kandidaten im Rennen um den konservativen Parteivorsitz vergangenen Sommer gehören nur noch zwei, nämlich Johnson selbst und sein Brexit-Mitstreiter Michael Gove, der Regierung an.
Am Montag richtete der erfahrene Politikchef des Nachrichtensenders Sky News sein Feuer auf die Downing Street: Das von Johnson und seinem Team zur Schau gestellte „Draufgängertum“sei den Beteiligten nicht gut bekommen. Tatsächlich haben sich außer dem Regierungschef auch Gesundheitsminister Matthew Hancock, der oberste Gesundheitsbeamte Christopher Whitty sowie Johnsons engster Berater Dominic Cummings mit Sars-CoV-2 infiziert.
Zuvor hatte das Coronavirus bereits das britische Königshaus erreicht: Thronfolger Charles, 71, musste sich eine Woche lang auf Schloss Balmoral in Schottland in die Selbstisolation zurückziehen. Darauf nahm seine Mutter in ihrer Ansprache kurz Bezug, ehe sie an die Selbstdisziplin und Entschlossenheit der Briten appellierte. Die Monarchin erinnerte an ihre Zeit als Kronprinzessin im Zweiten Weltkrieg: Damals habe sie, mit ihrer jüngeren Schwester Margaret, all jenen Kindern Mut zugesprochen, die 1939/40 wegen der Bombardierung britischer Städte durch die deutsche Luftwaffe von ihren Familien getrennt worden waren. „Jetzt spüren wir wieder eine schmerzhafte Trennung“, sagte die Queen, die sich im 69. Jahr ihrer Regentschaft befindet. „Aber wir können uns damit trösten, das wir uns wiedersehen.“