Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Solidarität ja, Bonds nein
Angela Merkel nennt die Corona-Pandemie die größte Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Leider handelt die Bundeskanzlerin nicht danach – zumindest nicht in Bezug auf die Europäische Union. Während das Gründungsmitglied Italien und das 1986 zur Gemeinschaft hinzugekommene Spanien erfolglos in Brüssel um Hilfe baten und in ihrer Not am Ende zuerst bei der Nato Gehör fanden, agierte die Bundesregierung bei der Unterstützung der europäischen Partner zögerlich, ambitionslos, herzlos.
Für die eigene Wirtschaft brachte Deutschland in atemberaubender Geschwindigkeit ein Rettungspaket in Billionenhöhe auf den Weg, während Italien anfangs sogar Schutzmasken verweigert wurden. Es ist eine Haltung, für die sich die Populisten wie Matteo Salvini bedanken: Sie können sich vor jede Fernsehkamera stellen und fragen, wo in der größten Not denn die europäischen Freunde Italiens sind.
Hätte Deutschland neben dem am Donnerstag beschlossenen Hilfspaket nur ein Prozent der deutschen Hilfen für die Unterstützung der Partner in Rom und Madrid ausgegeben – sei es als zinsloses Darlehen oder gar als Geschenk – das Geld wäre gut angelegt und eine Geste gewesen, die weder Italien noch Spanien jemals vergessen hätten. Die Geste hätte den Zusammenhalt der EU in Zeiten gestärkt, in der die Union gefährdet ist wie noch nie zuvor. Einer Gemeinschaft, die nicht zuletzt den Wohlstand der Bundesrepublik gewährleistet.
Doch bei aller Kleinlichkeit bleibt die Ablehnung der Bundesregierung von gemeinsamen Schulden – als Euro-Bonds oder auch in abgeschwächter Form als Corona-Bonds – richtig. Denn wer sich gemeinsam verschuldet und damit auch gemeinsam für die Schulden haftet, muss seine Steuer-, Finanz- und Sozialpolitik koordinieren. Solange in Deutschland das Rentenalter heraufgesetzt, in Frankreich gegen die Reform protestiert und in Italien gar nichts gemacht wird, werden gemeinsam ausgegebene Schuldscheine der Gemeinschaft nur Streit und Zwietracht bringen. Und zudem braucht die EU das Leistungsprinzip, dass hoch verschuldete Länder mit verschleppten Reformen mehr Zinsen bezahlen müssen, um ihre Wirtschaft nach der CoronaKrise wieder anzukurbeln.