Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Weltcup-Fahrerin hängt in der Warteschleife
Mountainbikeprofi Sofia Wiedenroth aus Lindau weiß nicht, wie es für sie weitergeht
LINDAU - Eigentlich ist sie ständig in Bewegung. Fliegt um den Globus, um dort in rasanter Geschwindigkeit steile Abgänge hinunterzufahren. Aktuell hängt Sofia Wiedenroth in der Warteschleife. Die Profi-Mountainbikerin weiß nicht, wann und wie es mit ihrem Sport weitergeht. Nach und nach sind die Weltcups verschoben oder abgesagt worden. „Vor Oktober werden wir sicher keine Rennen fahren“, sagt die 25-Jährige. Und selbst das ist für sie im Moment nur „schwer vorstellbar“. Denn die Corona-Pandemie hat den ganzen Globus fest im Griff – nicht zuletzt die USA, aus der die Topfahrerinnen der Enduroszene kommen.
Dabei ging das Jahr so gut los für die Niederstaufenerin. Sie hat ihr Studium mit dem Bachelor in Internationalem Management abgeschlossen, um sich danach voll auf den Profisport konzentrieren zu können. Die ersten großen Tests in Italien und Portugal liefen gut. Die Setups ihres Mountainbikes passten, die Form stimmte. Doch dann kam Corona. „Der Rückflug war schon nicht mehr angenehm. Viele am Flughafen trugen Masken“, sagt Wiedenroth. Nach ihrer Landung fuhr sie in ihre Wohnung in Hittisau (Bregenzerwald) und packte für einen Trainingsaufenthalt in Südfrankreich. Kurzer Zwischenstopp bei ihren Eltern in Niederstaufen – und schon waren die Grenzen dicht. Seitdem ist die 25-Jährige zusammen mit ihrem Freund im Westallgäu quasi gestrandet.
„Am Anfang habe ich noch intensiv weitertrainiert. Man wusste ja nicht, wann es weitergeht. Ich wollte fit bleiben“, sagt sie. Doch inzwischen ist klar: In den nächsten Monaten geht gar nichts. Erst fiel der Weltcupauftakt in Südamerika flach. Dann Frankreich, die Dolomiten, Slowenien, USA und Kanada. Die Hälfte der insgesamt acht Rennen ist ersatzlos gestrichen. Der Rest soll im Oktober und somit nach dem regulären Saisonende nachgeholt werden. Falls es das Wetter zulässt. „Da kann in den französischen Hochalpen schon Schnee liegen“, sagt Wiedenroth. Auch für die Weltmeisterschaft sieht es derzeit schlecht aus – sie wäre in Ligurien geplant. Im Moment bleibt der 25-Jährigen also nichts anderes übrig, als ins Blaue hinein zu trainieren und eine gewisse Grundfitness zu bewahren.
„Dieser Wartezustand ist das Schlimmste“, sagt Wiedenroth, die früher im klassischen Crosscountry mehrfache deutsche Meisterin und auch Vizeweltmeisterin war, inzwischen aber fest in die Spezialdisziplin Enduro gewechselt ist. Seit einem Jahr fährt sie für das oberpfälzische Cube Action Team – mit Erfolg. Die erste komplette Enduro-Saison lief mit sechs Siegen und 13 Podiumsplätzen richtig gut. Beim Weltcup-Rennen in Kanada brillierte die Lindauerin mit Platz 13. „Auf diesen Ergebnissen hätte ich gerne aufgebaut“, sagt sie. Parallel dazu fuhr Wiedenroth auch E-Enduro, also Rennen mit einem E-Bike. Hier gewann sie sogar den Gesamtweltcup. Allerdings hätte sie diese Serie aufgrund des dichten Terminkalenders in diesem Jahr ausgelassen.
Die Zwangspause schmerzt nicht nur, weil sie ihren Sport liebt. Sondern auch finanziell. Mögliche Prämien kann sie nicht einfahren. „Das merkt man schon“, sagt sie. Die Rennen sind zudem eine wichtige Plattform, um ihre Sponsoren zu präsentieren. Immerhin gibt es noch das Internet: Während der Zwangspause hat sie für einen ihrer Geldgeber kleine Videos mit Fitnessübungen für jedermann gedreht, die unter anderem bei Facebook zu sehen waren. Gedreht und geschnitten von ihrem Freund, der das beruflich macht. „Ich habe den Vorteil, dass ich ohnehin viel mit Video, Fotos und Werbeaufträgen mache“, sagt Wiedenroth. Erst im Februar hatte sie noch ein größeres Shooting für einen Hersteller von GPS-Geräten.
Und dann ist da noch ein Aspekt: Ihr Vertrag mit dem Cube Action Team läuft am Jahresende aus. Sie möchte gerne im Profisport bleiben, bräuchte aber die Rennen, um Werbung in eigener Sache machen zu können. „Ohne Resultate fehlt die Grundlage“, sagt sie. Diese Ungewissheit macht das Dasein in der Warteschleife nicht besser. Ändern kann sie es aber nicht. Nur auf Besserung hoffen. „Es wäre zumindest schön, wenn bald die Bikeparks wieder aufmachen würden, damit ich meinen Sport wieder richtig ausüben kann“, sagt sie. Eben in Bewegung bleiben.