Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Die Investitionstätigkeit ist gleich geblieben“
Regionaldirektor Matthias Reichelt von der Kreissparkasse in Riedlingen zur wirtschaftlichen Lage
RIEDLINGEN (sz) - Wie hat sich die Corona-Krise in der regionalen Wirtschaft ausgewirkt? Dazu hat Redaktionsleiter Georg Eble den Regionaldirektor Matthias Reichelt von der Kreissparkasse in Riedlingen befragt.
Herr Reichelt, Kessler in Bad Buchau hat 162 Menschen entlassen, vielerorts herrscht Kurzarbeit, der „Rosengarten“Riedlingen schließt. Muss die Corona-Krise deprimieren?
Sicher gibt es Härten. Aber es ist doch wunderbar, in welcher wirtschaftlich erfolgreichen Region wir nach wie vor leben dürfen – im Vergleich zu fast allen anderen Regionen Deutschlands! Im westlichen Teil des Landkreises wird vieles schlechtgeredet. Ich würde nirgendwo anders leben wollen!
Was haben die Corona-Beschränkungen seit Mitte März aus Ihrer Praxis heraus mit dem Kreditbedarf der Wirtschaft und der Privatleute gemacht? Oder mit der Zahlungsfähigkeit?
Ich hatte mich darauf eingestellt, dass es in einer ersten Welle im Firmenkunden-Bereich zu Verschiebungen von Investitionen und zu Kreditaufnahmen kommen würde. Dies ist zwar zunächst eingetreten, aber erstens nicht so stark wie befürchtet, und zweitens hält sie kaum noch an. Die Krise trifft alle Branchen und alle Unternehmensgrößen, aber nicht alle Unternehmen. Auch bei den Corona-Liquiditätshilfen der KfW und der L-Bank, die wir – wie andere Hausbanken auch – vermitteln, überlegen sich Unternehmer gut, ob sie sie in Anspruch nehmen oder erst an ihre Rücklagen gehen, denn man muss auch sie verzinst zurückzahlen.
Und die klassische Investitionstätigkeit ist gleich geblieben! Wir haben doppelt so viele Kreditanträge wie in normalen Monaten, eine nur leichte Delle bei den klassischen Darlehen und einen enormen Zuspruch bei den KfW-/L-Bank-Krediten.
Und die Privatpersonen?
Das ist ganz unterschiedlich. Wer in Kurzarbeit ist, stellt im Einzelfall kreditfinanzierte Kaufvorhaben zurück. Es gibt aber auch Privathaushalte, die sich von der Corona-Krise nicht betroffen fühlen und etwa den geplanten Wohnungskauf weiterverfolgen.
Welche Rolle spielt die Psyche?
Mein Eindruck ist, dass die Wirkung der Corona-Krise anders ist als seinerzeit bei der Finanzkrise 2008: Dabis mals haben die Leute härter reagiert, massenhaft Aufträge storniert, vielleicht überreagiert. Daraus haben sie gelernt. Firmen haben seither ihre Eigenkapitalbasis erhöht. Sie handeln heute weitsichtiger, umsichtiger: Wir verzeichnen auch eine extrem hohe Nachfrage im Wertpapierbereich, nach Aktien, Investmentfonds. Was mich unheimlich freut! Denn ich bin ein Freund von Sachwerten.
Welchen Tipp haben Sie für Verbraucher, die sich in finanzieller Klemme sehen? Und wie helfen Sie?
Wer seinem Kontolimit gefährlich nahe kommt oder Sorge hat, Kredite nicht mehr bedienen zu können oder Rechnungen liegen lassen zu müssen, für den ist es gut, mit seiner Bank zu sprechen. Bei unseren Konsumentenkrediten kann man mit einem Klick im Onlineportal die Tilgung
30. Juni aussetzen; bei Wohnungsfinanzierungen wendet man sich an seinen Berater. Wir haben unseren Beratern Kompetenzen erteilt, damit sie schnell über Lösungen entscheiden können. Wir verlangen dafür keine Gebühren. Wir wollen an solchen Krisen nichts verdienen. Und: Wir haben bisher keinen einzigen Kundenvertrag wegen Corona gekündigt.
Wie ist das Ausmaß in Zahlen?
Aktuelle Kundenausleihungen kann ich im Moment nicht nennen, da Daten immer unser Gesamthaus betreffen, aber die Tilgungsaussetzungen sind bestimmt von tausenden Kunden in Anspruch genommen worden.
Corona wirkt also in Ihr Unternehmen hinein. Werden Sie auch Filialen schließen?
Unsere Filialstruktur bewährt sich gerade in Krisenzeiten wie jetzt. Wir haben 41 Filialen im Landkreis, davon acht plus das Immobilienzentrum in der Region Riedlingen. Wir haben bewusst alle geöffnet gehalten, nur die persönliche Beratung zeitweise eingeschränkt, und wir planen keine Schließung. Das ist auch ein Zeichen der Sicherheit für unsere Kunden. Seit den Corona-Beschränkungen sind zwar weniger in unsere Geschäftsstellen gekommen, aber viele haben auch unsere erweiterten telefonischen und elektronischen Kapazitäten angenommen. Für manche Themen ist es jedoch gut, am Tisch zusammenzukommen: etwa zur Altersvorsorge oder bei einer Baufinanzierung.
Unternehmen haben allgemein nicht gegenüber Ihrem Institut mitunter beklagt, dass die Bewilligung der KfW-Coronakredite viel länger dauere als die ein bis zwei Tage, von denen die Förderbank spricht.
Die KfW macht es sich da einfach! Wir als die vermittelnde Hausbank haben die Verantwortung, peinlich genau die Fördervoraussetzungen zu prüfen, ob zum Beispiel die Kapitaldienstfähigkeit der beantragenden Unternehmen zum Stichtag Ende 2019 noch gegeben war. Die KfWKredite kann nicht jeder kriegen! Klar tragen wir nominell nur zehn Prozent des Risikos. Aber wenn wir bei der Prüfung Fehler machen, steigt unser Risiko auf 100 Prozent. Im Zweifel, wenn’s schnell gehen muss, stellen wir erst mal eine Kreditlinie zur Verfügung.
Ihre Prognose?
Ich glaube, wir werden die CoronaKrise bald überwinden, und dass wir danach in der Region wieder eine gute wirtschaftliche Situation haben – wenn eine zweite Welle von Infektionen und Beschränkungen ausbleibt. Noch funktionieren unsere Maßnahmen zur Überbrückung. Die große Frage ist: Wie lange dauert das? Die Entwicklung ist noch zu dynamisch. Im Spätsommer, Herbst sehen wir alle klarer.
Die Beschränkungen treffen den Einzelhandel und vor allem die Gastronomie hart. Hier setzte die Aktion #ihrwirhier an, an der auch Ihr Haus beteiligt war und die jetzt zum Abschluss kommt. Hat der Appell gefruchtet, in der Region, in den Innenstädten einzukaufen?
Der Erhalt einer lebendigen Unternehmensund Gastronomiestruktur in unserer Region ist uns als im Kreis verwurzeltes Institut nicht nur in Krisenzeiten ein Anliegen. Sie trägt doch auch zu unserer Lebensqualität bei. Der Kreissparkasse geht es nur gut, wenn es ihrer Region auch gut geht. Wir vergeben unsere Aufträge zum Beispiel grundsätzlich an regionale Betriebe, wir sponsern auch die Kultur im Kreis. Daher war für uns klar: Wenn es so eine Aktion wie #ihrwirhier gibt, unterstützen wir sie. Auch unser Gutscheinportal #gemeinsamdadurch hat Händler, die Gastronomie und Unterstützer zusammengeführt. Ich hebe mir meine Gutscheine noch eine Weile auf, denn das Einlösen würde jetzt direkt die Liquidität der Wirte belasten. Wie stark der Effekt ist? Das kann man nicht messen. Wenn wir nur ein paar Verbraucher erreichen konnten, haben sich diese Aktionen schon gelohnt.