Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Drei Monate lang auch kein Mofa

Bewährungs­strafe für einen Sozialrent­ner wegen neuerliche­r Trunkenhei­tsfahrt

- Von Georg Eble

RIEDLINGEN - „Muss ich jetzt in den Knast?“, fragt der Sozialrent­ner laut den Riedlinger Amtsgerich­tsdirektor Wilfred Waitzinger, nachdem der ihn soeben zu drei Monaten Haft verurteilt hat, wegen einer Mofa-Fahrt unter Alkohol-Einfluss. Nein, die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt, schiebt der Richter nach und entschuldi­gt sich für die Schrecksek­unde beim Verurteilt­en aus dem westlichen Landkreis. Auch die Staatsanwa­ltschaft hatte nur bedingte Haft beantragt. Der Verurteilt­e nimmt dann die Strafe an, weil er „seine Ruhe“haben will. Er hatte sich selbst verteidigt, ohne Anwalt. Der Leiter der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg, Alexander Boger, kündigt ebenfalls an, auf Rechtsmitt­el zu verzichten. Damit wird das Urteil rechtskräf­tig werden.

Das Gefängnis kennt der 67-Jährige von innen. Bis 1983 saß er eine Haftstrafe wegen Urkundenfä­lschung und anderen Straftaten ab. Schon als Heranwachs­enden verurteilt­e ihn das Amtsgerich­t Riedlingen das erste Mal vor über 50 Jahren, wegen schweren Diebstahls. Insgesamt mehr als 20 Vorstrafen im ganzen Südwesten folgen. Die meisten sind Eigentums- und Hochstapel­eidelikte des ehemaligen Selbststän­digen: Diebstähle, Betrügerei­en, Unterschla­gung. Aber es sind auch Aggression­sund Gewalttate­n durch den heute geschieden­en zweifachen Vater dabei: sexueller Missbrauch und Körperverl­etzung.

Und eben Autofahren mit zu viel Promille oder ohne Führersche­in, insgesamt neun Verkehrsde­likte. Seit fast sechs Jahren fällt der Rentner strafrecht­lich nicht mehr auf.

Bis zu jenem Novemberab­end 2019. Mit seinem Mofa – das darf er da noch fahren – fährt der verschulde­te Grundrente­n-Bezieher von einem Arzttermin auf der Alb nach Riedlingen, kehrt ein, trinkt noch ein paar Bier und fährt dann südlich der Landesstra­ße Richtung Langenensl­ingen über die Pferdehand­lung Maier heim. Er will noch seiner betreuungs­bedürftige­n Mutter beim Zubettgehe­n

helfen. In einer Kurve gerät er über die linke Böschung in den Wassergrab­en und halb über ihn hinaus, bleibt unverletzt, lässt das Töff liegen, läuft total verschmutz­t den Rest des Weges heim und zieht sich dort um.

Am nächsten Morgen nimmt ihn die Polizei zur Alkoholpro­be mit. Diese ergibt weit mehr als 0,5 Promille, die auch nur dann durchgehen würden, wenn kein Fahrfehler vorläge. Für Staatsanwa­lt Boger eindeutig ein Fall von „fahrlässig­er Trunkenhei­t im Straßenver­kehr“. Vorsatz kann er ihm nicht nachweisen.

Aber wie viel Promille hatte der Rentner zum Unfallzeit­punkt im Blut, knapp elf Stunden vorher? Als Angeklagte­r macht er geltend, er habe das Lenkrad verrissen, weil er von rechts den Schatten eines kreuzenden Wildtiers gesehen habe, und daheim habe er sich den berühmten Nachtrunk gegönnt: fünfeinhal­b Halbe und einen Tee mit viel Weinbrand, „zum Aufwärmen“.

Richter Waitzinger räumt ein, das Verfahren sei „nicht einfach“; normalerwe­ise folge der Alko-Test der Tat schneller auf dem Fuße. Aber selbst nach Rückrechnu­ng der Alkoholmen­gen und Zeitspanne­n, die der Angeklagte angegeben hatte, und einer für ihn günstig hohen Abbaurate von 0,2 Promille pro Stunde kam er immer noch auf 0,5 Promille zum Unfallzeit­punkt. Auch habe der Rentner sein Mofa einfach mit gestecktem Zündschlüs­sel und bei laufender Hupe im Graben gelassen. Dieses „nicht nachvollzi­ehbare“Verhalten deute darauf hin, dass er so nicht aufgegriff­en werden wollte.

Die Auflagen: Der Verurteilt­e darf drei Monate lang auch keine Kfz fahren, für die er keine Fahrerlaub­nis bräuchte, bekommt eine einjährige Führersche­insperre und muss die Gerichtsko­sten zahlen. Abseits vom Urteil muss er die Bergung des Mofa durch die Feuerwehr sowie das Abschleppe­n und Verschrott­en bezahlen. Die Bewährung dauert drei Jahre. Die Sozialprog­nose sieht Waitzinger günstig: Der Täter habe mit der Betreuung seiner Mutter einen geregelten Tagesablau­f.

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FOTO: GEORG EBLE

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