Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Drei Monate lang auch kein Mofa
Bewährungsstrafe für einen Sozialrentner wegen neuerlicher Trunkenheitsfahrt
RIEDLINGEN - „Muss ich jetzt in den Knast?“, fragt der Sozialrentner laut den Riedlinger Amtsgerichtsdirektor Wilfred Waitzinger, nachdem der ihn soeben zu drei Monaten Haft verurteilt hat, wegen einer Mofa-Fahrt unter Alkohol-Einfluss. Nein, die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt, schiebt der Richter nach und entschuldigt sich für die Schrecksekunde beim Verurteilten aus dem westlichen Landkreis. Auch die Staatsanwaltschaft hatte nur bedingte Haft beantragt. Der Verurteilte nimmt dann die Strafe an, weil er „seine Ruhe“haben will. Er hatte sich selbst verteidigt, ohne Anwalt. Der Leiter der Staatsanwaltschaft Ravensburg, Alexander Boger, kündigt ebenfalls an, auf Rechtsmittel zu verzichten. Damit wird das Urteil rechtskräftig werden.
Das Gefängnis kennt der 67-Jährige von innen. Bis 1983 saß er eine Haftstrafe wegen Urkundenfälschung und anderen Straftaten ab. Schon als Heranwachsenden verurteilte ihn das Amtsgericht Riedlingen das erste Mal vor über 50 Jahren, wegen schweren Diebstahls. Insgesamt mehr als 20 Vorstrafen im ganzen Südwesten folgen. Die meisten sind Eigentums- und Hochstapeleidelikte des ehemaligen Selbstständigen: Diebstähle, Betrügereien, Unterschlagung. Aber es sind auch Aggressionsund Gewalttaten durch den heute geschiedenen zweifachen Vater dabei: sexueller Missbrauch und Körperverletzung.
Und eben Autofahren mit zu viel Promille oder ohne Führerschein, insgesamt neun Verkehrsdelikte. Seit fast sechs Jahren fällt der Rentner strafrechtlich nicht mehr auf.
Bis zu jenem Novemberabend 2019. Mit seinem Mofa – das darf er da noch fahren – fährt der verschuldete Grundrenten-Bezieher von einem Arzttermin auf der Alb nach Riedlingen, kehrt ein, trinkt noch ein paar Bier und fährt dann südlich der Landesstraße Richtung Langenenslingen über die Pferdehandlung Maier heim. Er will noch seiner betreuungsbedürftigen Mutter beim Zubettgehen
helfen. In einer Kurve gerät er über die linke Böschung in den Wassergraben und halb über ihn hinaus, bleibt unverletzt, lässt das Töff liegen, läuft total verschmutzt den Rest des Weges heim und zieht sich dort um.
Am nächsten Morgen nimmt ihn die Polizei zur Alkoholprobe mit. Diese ergibt weit mehr als 0,5 Promille, die auch nur dann durchgehen würden, wenn kein Fahrfehler vorläge. Für Staatsanwalt Boger eindeutig ein Fall von „fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr“. Vorsatz kann er ihm nicht nachweisen.
Aber wie viel Promille hatte der Rentner zum Unfallzeitpunkt im Blut, knapp elf Stunden vorher? Als Angeklagter macht er geltend, er habe das Lenkrad verrissen, weil er von rechts den Schatten eines kreuzenden Wildtiers gesehen habe, und daheim habe er sich den berühmten Nachtrunk gegönnt: fünfeinhalb Halbe und einen Tee mit viel Weinbrand, „zum Aufwärmen“.
Richter Waitzinger räumt ein, das Verfahren sei „nicht einfach“; normalerweise folge der Alko-Test der Tat schneller auf dem Fuße. Aber selbst nach Rückrechnung der Alkoholmengen und Zeitspannen, die der Angeklagte angegeben hatte, und einer für ihn günstig hohen Abbaurate von 0,2 Promille pro Stunde kam er immer noch auf 0,5 Promille zum Unfallzeitpunkt. Auch habe der Rentner sein Mofa einfach mit gestecktem Zündschlüssel und bei laufender Hupe im Graben gelassen. Dieses „nicht nachvollziehbare“Verhalten deute darauf hin, dass er so nicht aufgegriffen werden wollte.
Die Auflagen: Der Verurteilte darf drei Monate lang auch keine Kfz fahren, für die er keine Fahrerlaubnis bräuchte, bekommt eine einjährige Führerscheinsperre und muss die Gerichtskosten zahlen. Abseits vom Urteil muss er die Bergung des Mofa durch die Feuerwehr sowie das Abschleppen und Verschrotten bezahlen. Die Bewährung dauert drei Jahre. Die Sozialprognose sieht Waitzinger günstig: Der Täter habe mit der Betreuung seiner Mutter einen geregelten Tagesablauf.