Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Nicht nur den Machern fehlt das Turnier
Zum ersten Mal in 50 Jahren wird in Ostrach an Pfingsten kein Fußball gespielt
OSTRACH/BAD SAULGAU - In und um Ostrach dürfte an diesem Wochenende große Ratlosigkeit herrschen: Was tun an Pfingsten? Denn erstmals seit 1971 wird im Ostracher Buchbühl am Pfingstwochenende nicht Fußball gespielt, kein internationales Juniorenfußballturnier, kein U17-Silphienergiecup. Doch nicht nur auf dem Rasen herrscht Stille, auch - und vor allem - daneben. Der Zeltplatz liegt brach, kein hektisches Treiben in und um die Buchbühlhalle. Kein Biergarten, nichts. Und so fehlen den Ostrachern nicht nur wichtige Umsätze im Säckel am Jahresende durch den Verkauf in Zelt und Halle, es fehlt an diesem Wochenende schlichtweg eins: ein rollender Ball.
Andreas Barth scharrt am Telefon spürbar sprichwörtlich mit den Hufen. „Normalerweise wäre jetzt die Zeit, in der alles ein bisschen hektisch ist. Gedanken: Was ist noch zu tun? Ist alles in Ordnung? Kommen die Mannschaften rechtzeitig an? Gerade gestern Abend hatte ich es mit Franz Mykoda davon“, erzählt Barth. Franz Mykoda kümmert sich seit Jahren als Mannschaftsbetreuer um den VfL Bochum. So wie ihm und Andreas Barth geht es rund 200 Helfern, die normalerweise an Pfingsten drei Tage in und ums Fußballturnier im Einsatz sind.
Und so hat Turnierdirektor Andreas Barth, der das Turnier gemeinsam mit Hermann Möhrle leitet, Zeit ein bisschen zurückzudenken. Denn seit 2009, also mittlerweile seit elf Jahren, ist Barth Turnierdirektor im Buchbühl. Die Erinnerungen freilich gehen viel weiter zurück, in die Jugendzeit. „Ganz am Anfang bin ich, glaube ich, mit einem Bollerwagen um den Platz gefahren und habe Getränke verkauft“, erinnert er sich an seine Einstiegsjahre als Helfer beim Turnier. Aber so ganz genau hat er es gar nicht mehr parat, zu sehr ist er, ist seine Familie mit dem Turnier verbandelt. Schließlich war es sein Vater, der ehemalige, verstorbene Bürgermeister der Gemeinde, Herbert Barth, der half, das Turnier zu retten, als es durch eine schwierige Phase ging.
„Grundsätzlich ist das Turnier eine Riesenbereicherung. Ich habe so viele Leute kennengelernt, die ich vielleicht sonst nicht hätte kennenlernen dürfen. Es ist überwältigend, dass sich 200 Menschen, die es braucht um so ein Turnier auf die Beine zu stellen, so toll zusammenarbeiten und funktionieren. Das betrachte ich als größtes Highlight des Turniers aus meiner Sicht. Sonst würde es das Turnier nicht so lange geben“, weiß Barth um das Wertvollste beim Turnier. Das Herzblut, das alle Helfer investieren. „So soll es sein. Auch die Verantwortung soll auf vielen Schultern ruhen. Das hat ja auch was mit Wertschätzung für die Arbeit jedes einzelnen zu tun.“
2009 trat Barth die Nachfolge von Thomas Dettling an, der einige Jahre zuvor seinerseits die Turnierleitung von seinem Vater Herbert Dettling übernommen hatte. „2008, ich war recht neu im Vorstand als Schriftführer, hat Thomas angekündigt, dass er das Turnier wegen einer privaten und beruflichen Veränderung nicht mehr machen kann. Wir haben im Vorstand kurz überlegt und ich habe gesagt: Okay ich mache es, wenn alle mitziehen.“Oberste Priorität sei es gewesen, die Veranstaltung näher an den Verein zu ziehen. „Wenn alle mitziehen sollten, musste es eine Veranstaltung des FC Ostrach sein.“Auch Hermann Möhrle erinnert sich. „Als Sponsor und Getränkelieferant bin ich ja schon rund 40 Jahre dabei, aber 2003 war mein erstes Turnier als Vorsitzender des FC Ostrach.“Damals fand das Turnier noch unter der Ägide von Herbert Dettling statt.
Natürlich sei er bei der ersten Auflage im Jahr 2009, die er verantwortete, angespannt gewesen, sagt Andreas Barth. „Wir haben in der Vorbereitung zum Turnier gesagt: Wir lassen 2009 alles so wie es ist, dann kann nichts passieren.“Die Vorbereitung lief dann auch rund. „Und dann brannte es in der ersten Nacht im Hotel von Hertha BSC. Das ging ja gut los...“. Mit den Jahren kamen Veränderungen. „Aber ich glaube, wir haben es ganz ordentlich hingebracht.“Unterstützung würde sich Barth seitens der Verbände wünschen. „Ich habe im vergangenen Jahr den DFB angeschrieben, habe ihnen das Turnier vorgestellt, unsere 50. Auflage. Es kam leider keine Antwort, nicht mal ein Signal, dass sie das Schreiben erhalten haben.“
Natürlich spielt auch der sportliche Aspekt für Fußballfan Andreas Barth eine wichtige Rolle: „Wir haben immer tollen Sport gesehen, tolle Menschen kennengelernt. Das ist natürlich das Sahnehäubchen, das sportliche Niveau ist schon klasse. Mit Martin Frank (kümmert sich beim Turnier um den multimedialen Auftritt, d. Red.) habe ich vor kurzem überlegt, wer es von den Spielern, die hier waren in den professionellen oder semiprofessionellen Bereich geschafft hat.“Barth denkt dabei an Nationalspieler wie Ilkay Gündogan oder Lukas Podolski, die einst mit dem VfL Bochum (Gündogan) und dem 1. FC Köln (Podolski) das Turnier gewannen. Das jüngste Beispiel ist Torwart Andreas Luthe, einst mit der Bochumer Jugend in Ostrach Turniersieger, Stammkeeper beim VfL, heute beim FC Augsburg. Auch der Kontakt zu Menschen wie Luis Greco (Delegationsleiter u.a. bei Atletico Paranaense) und Frieder Schrof, einst beim VfB Stuttgart und bei RB Leipzig, sei eine tolle Erfahrung.
Eine völlig neue Erfahrung dagegen sei nun, nichts organisieren zu müssen, auf keine Mannschaften zu warten, die in Ostrach am Donnerstag oder Freitag einträfen, um ihr Quartier zu beziehen. Da wartet er in diesem Jahr vergeblich. Auch Hermann Möhrle bekennt: „Ich bin mit dem Auto am Freitagmittag am Stadion vorbei gefahren und habe bei mir gedacht: Mensch, jetzt würdest du mitten in den Vorbereitungen stecken. Vielleicht im Stadion stehen, schauen, dass alle Fahnen aufgezogen sind, vielleicht noch ein Banner mit aufhängen. Es fehlt dieses Jahr schon was.“
Und so hoffen alle Beteiligten auf 2021. „Die 50. Auflage wollen wir in jedem Fall ausrichten“, sagt Andreas Barth. Und da nach dem (nicht gespielten) Turnier vor dem Turnier ist, beginnt die Vorbereitung auf 2021 in sechs bis acht Wochen. Denn sollte es die Situation zulassen, wird an Pfingsten 2021 wieder Fußball im Buchbühl gespielt.