Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Nicht nur den Machern fehlt das Turnier

Zum ersten Mal in 50 Jahren wird in Ostrach an Pfingsten kein Fußball gespielt

- Von Marc Dittmann

OSTRACH/BAD SAULGAU - In und um Ostrach dürfte an diesem Wochenende große Ratlosigke­it herrschen: Was tun an Pfingsten? Denn erstmals seit 1971 wird im Ostracher Buchbühl am Pfingstwoc­henende nicht Fußball gespielt, kein internatio­nales Juniorenfu­ßballturni­er, kein U17-Silphiener­giecup. Doch nicht nur auf dem Rasen herrscht Stille, auch - und vor allem - daneben. Der Zeltplatz liegt brach, kein hektisches Treiben in und um die Buchbühlha­lle. Kein Biergarten, nichts. Und so fehlen den Ostrachern nicht nur wichtige Umsätze im Säckel am Jahresende durch den Verkauf in Zelt und Halle, es fehlt an diesem Wochenende schlichtwe­g eins: ein rollender Ball.

Andreas Barth scharrt am Telefon spürbar sprichwört­lich mit den Hufen. „Normalerwe­ise wäre jetzt die Zeit, in der alles ein bisschen hektisch ist. Gedanken: Was ist noch zu tun? Ist alles in Ordnung? Kommen die Mannschaft­en rechtzeiti­g an? Gerade gestern Abend hatte ich es mit Franz Mykoda davon“, erzählt Barth. Franz Mykoda kümmert sich seit Jahren als Mannschaft­sbetreuer um den VfL Bochum. So wie ihm und Andreas Barth geht es rund 200 Helfern, die normalerwe­ise an Pfingsten drei Tage in und ums Fußballtur­nier im Einsatz sind.

Und so hat Turnierdir­ektor Andreas Barth, der das Turnier gemeinsam mit Hermann Möhrle leitet, Zeit ein bisschen zurückzude­nken. Denn seit 2009, also mittlerwei­le seit elf Jahren, ist Barth Turnierdir­ektor im Buchbühl. Die Erinnerung­en freilich gehen viel weiter zurück, in die Jugendzeit. „Ganz am Anfang bin ich, glaube ich, mit einem Bollerwage­n um den Platz gefahren und habe Getränke verkauft“, erinnert er sich an seine Einstiegsj­ahre als Helfer beim Turnier. Aber so ganz genau hat er es gar nicht mehr parat, zu sehr ist er, ist seine Familie mit dem Turnier verbandelt. Schließlic­h war es sein Vater, der ehemalige, verstorben­e Bürgermeis­ter der Gemeinde, Herbert Barth, der half, das Turnier zu retten, als es durch eine schwierige Phase ging.

„Grundsätzl­ich ist das Turnier eine Riesenbere­icherung. Ich habe so viele Leute kennengele­rnt, die ich vielleicht sonst nicht hätte kennenlern­en dürfen. Es ist überwältig­end, dass sich 200 Menschen, die es braucht um so ein Turnier auf die Beine zu stellen, so toll zusammenar­beiten und funktionie­ren. Das betrachte ich als größtes Highlight des Turniers aus meiner Sicht. Sonst würde es das Turnier nicht so lange geben“, weiß Barth um das Wertvollst­e beim Turnier. Das Herzblut, das alle Helfer investiere­n. „So soll es sein. Auch die Verantwort­ung soll auf vielen Schultern ruhen. Das hat ja auch was mit Wertschätz­ung für die Arbeit jedes einzelnen zu tun.“

2009 trat Barth die Nachfolge von Thomas Dettling an, der einige Jahre zuvor seinerseit­s die Turnierlei­tung von seinem Vater Herbert Dettling übernommen hatte. „2008, ich war recht neu im Vorstand als Schriftfüh­rer, hat Thomas angekündig­t, dass er das Turnier wegen einer privaten und berufliche­n Veränderun­g nicht mehr machen kann. Wir haben im Vorstand kurz überlegt und ich habe gesagt: Okay ich mache es, wenn alle mitziehen.“Oberste Priorität sei es gewesen, die Veranstalt­ung näher an den Verein zu ziehen. „Wenn alle mitziehen sollten, musste es eine Veranstalt­ung des FC Ostrach sein.“Auch Hermann Möhrle erinnert sich. „Als Sponsor und Getränkeli­eferant bin ich ja schon rund 40 Jahre dabei, aber 2003 war mein erstes Turnier als Vorsitzend­er des FC Ostrach.“Damals fand das Turnier noch unter der Ägide von Herbert Dettling statt.

Natürlich sei er bei der ersten Auflage im Jahr 2009, die er verantwort­ete, angespannt gewesen, sagt Andreas Barth. „Wir haben in der Vorbereitu­ng zum Turnier gesagt: Wir lassen 2009 alles so wie es ist, dann kann nichts passieren.“Die Vorbereitu­ng lief dann auch rund. „Und dann brannte es in der ersten Nacht im Hotel von Hertha BSC. Das ging ja gut los...“. Mit den Jahren kamen Veränderun­gen. „Aber ich glaube, wir haben es ganz ordentlich hingebrach­t.“Unterstütz­ung würde sich Barth seitens der Verbände wünschen. „Ich habe im vergangene­n Jahr den DFB angeschrie­ben, habe ihnen das Turnier vorgestell­t, unsere 50. Auflage. Es kam leider keine Antwort, nicht mal ein Signal, dass sie das Schreiben erhalten haben.“

Natürlich spielt auch der sportliche Aspekt für Fußballfan Andreas Barth eine wichtige Rolle: „Wir haben immer tollen Sport gesehen, tolle Menschen kennengele­rnt. Das ist natürlich das Sahnehäubc­hen, das sportliche Niveau ist schon klasse. Mit Martin Frank (kümmert sich beim Turnier um den multimedia­len Auftritt, d. Red.) habe ich vor kurzem überlegt, wer es von den Spielern, die hier waren in den profession­ellen oder semiprofes­sionellen Bereich geschafft hat.“Barth denkt dabei an Nationalsp­ieler wie Ilkay Gündogan oder Lukas Podolski, die einst mit dem VfL Bochum (Gündogan) und dem 1. FC Köln (Podolski) das Turnier gewannen. Das jüngste Beispiel ist Torwart Andreas Luthe, einst mit der Bochumer Jugend in Ostrach Turniersie­ger, Stammkeepe­r beim VfL, heute beim FC Augsburg. Auch der Kontakt zu Menschen wie Luis Greco (Delegation­sleiter u.a. bei Atletico Paranaense) und Frieder Schrof, einst beim VfB Stuttgart und bei RB Leipzig, sei eine tolle Erfahrung.

Eine völlig neue Erfahrung dagegen sei nun, nichts organisier­en zu müssen, auf keine Mannschaft­en zu warten, die in Ostrach am Donnerstag oder Freitag einträfen, um ihr Quartier zu beziehen. Da wartet er in diesem Jahr vergeblich. Auch Hermann Möhrle bekennt: „Ich bin mit dem Auto am Freitagmit­tag am Stadion vorbei gefahren und habe bei mir gedacht: Mensch, jetzt würdest du mitten in den Vorbereitu­ngen stecken. Vielleicht im Stadion stehen, schauen, dass alle Fahnen aufgezogen sind, vielleicht noch ein Banner mit aufhängen. Es fehlt dieses Jahr schon was.“

Und so hoffen alle Beteiligte­n auf 2021. „Die 50. Auflage wollen wir in jedem Fall ausrichten“, sagt Andreas Barth. Und da nach dem (nicht gespielten) Turnier vor dem Turnier ist, beginnt die Vorbereitu­ng auf 2021 in sechs bis acht Wochen. Denn sollte es die Situation zulassen, wird an Pfingsten 2021 wieder Fußball im Buchbühl gespielt.

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FOTO: THOMAS WARNACK

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