Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mehr Kontrolle und viele Appelle

Wie sich Baden-Württember­g gegen steigende Corona-Infektions­zahlen wappnet

- Von Kara Ballarin Video-Reaktionen ●» schwäbisch­e.de/alarmstufe

STUTTGART - Die Infektions­zahlen mit dem Sars-CoV-2-Virus im Südwesten steigen. „Wir müssen jetzt, jetzt alles tun, damit sich kein exponentie­ller Anstieg entwickelt“, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Deshalb habe die grünschwar­ze Regierung nun die mittlere Alarmstufe im dreistufig­en Konzept zum Umgang mit der Corona-Pandemie ausgerufen. Was das bedeutet.

Warum tritt die neue Stufe in Kraft?

Das Land hat Mitte September einen Stufenplan im Umgang mit der Pandemie entwickelt. Bisher galt die Stufe 1, die sogenannte stabile Phase. Nun startet mit der Stufe 2 die Anstiegsph­ase, oder wie Kretschman­n sagte: „Das ist die Hab-Acht-Stufe.“Der Stufenplan sieht das vor, wenn sich landesweit mehr als zehn Menschen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche neu infizieren. Aktuell liegt der Wert bei 17,6 Menschen. Zudem gibt es ein diffuses Infektions­geschehen: Mehr als 50 Prozent der Kreise verzeichne­ten mindestens fünf Ansteckung­en pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche – ein weiterer Auslöser für die Stufe 2. Im Bericht des Landesgesu­ndheitsamt­s vom Dienstag war das nur in zwei Kreisen nicht so.

Was ändert sich dadurch?

Nicht sehr viel. „Es ist die verstärkte Appellphas­e“, sagte Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne). Es gehe darum, besonders streng die AHA-Regeln zu beachten, zudem die Corona-Warnapp zu nutzen und viel zu lüften. Das Tragen der Alltagsmas­ken wird laut Lucha verschärft kontrollie­rt – etwa im ÖPNV. „Das oberste Ziel ist, die Stufe 3 um alles in der Welt zu verhindern.“Ganz entscheide­nd zur Eindämmung der Pandemie sei die Kontaktnac­hverfolgun­g, betonte Kretschman­n. Dafür müssen die Zahlen niedrig bleiben. „Sonst haben wir die Pandemie nicht mehr wirklich im Griff.“Den Lockdown im Frühjahr führt das Sozialmini­sterium auch darauf zurück, dass die Behörden die Nachverfol­gung nicht mehr stemmen konnten.

Was heißt das für Bus und Bahn? Die Maskenpfli­cht bleibt bestehen, die Polizei setzt ihre Schwerpunk­tkontrolle­n in diesem Bereich weiter fort. „Die Schwerpunk­tkontrolle­n lassen sich aber kaum mehr verschärfe­n, da sind wir schon sehr akgen tiv“, erklärt ein Sprecher von Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU). Der Minister hat am Dienstag einen Zwischenbe­richt zu den Kontrollen vorgelegt. Seit Mitte August hat die Polizei demnach 130 000 Menschen bei 31 solcher Einsätze kontrollie­rt. „Dabei wurden 26 128 Verstöße gegen die Maskentrag­epflicht festgestel­lt, von denen 659 Verstöße zur Anzeige gebracht wurden“, so Strobl.

Was ändert sich beim Besuch von Gaststätte­n?

Wer sich als Micky Maus in die Kontaktlis­te einträgt, muss Bußgeld zahlen. Auf einen Mindestbet­rag von 50 Euro hatten sich vergangene Woche die Ministerpr­äsidenten der Länder und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verständig­t. GrünSchwar­z im Land hat nun beschlosse­n, in der Regel 100 Euro zu verlan– möglich sind zwischen 50 bis 250 Euro. Der Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) hatte Kretschman­ns Idee, dass Wirte die Personalie­n der Gäste kontrollie­ren sollen, scharf kritisiert. „Die Wirte müssen natürlich Plausibili­tätskontro­llen machen“, sagte Kretschman­n. „Das muss man lesen und entziffern können und es muss plausibel sein.“Hinzu kämen nun verschärft­e Kontrollen durch die Ordnungsäm­ter, ergänzte Lucha. Villingen-Schwennnin­gen hat Beschwerde­n aus der Bevölkerun­g über Verstöße gegen Corona-Regeln in Restaurant­s so nicht in den Griff bekommen, wie der SWR berichtet. Deshalb sind Mitarbeite­r der Stadt als Gäste unterwegs. Wird ihnen keine Kontaktlis­te vorgelegt, kommt am nächsten Tag das Ordnungsam­t. Beim ersten Verstoß muss der Wirt 750 Euro

Bußgeld, beim zweiten 1250 Euro zahlen.

Was ändert sich an Schulen? Zunächst nichts. Beschränku­ngen in den Schulen, Kitas und der Wirtschaft will die Regierungs­koalition unbedingt vermeiden. „Die Folgen in den Schulen sind gravierend“, so Kretschman­n. „Deshalb müssen wir in anderen Bereichen die Schrauben anziehen.“Laut Kultusmini­sterium mussten am Dienstag an 197 Schulen insgesamt 357 Klassen, beziehungs­weise Gruppen wegen einer CoronaInfe­ktion oder eines Verdachtsf­alls zu Hause bleiben. Drei Schulen waren vollständi­g geschlosse­n. „Bei so vielen Schülern, wie wir haben, ist das eine erstaunlic­h geringe Anzahl“, sagte Lucha. Insgesamt gibt es im Land rund 67 500 Klassen an 4500 Schulen. Kindertage­sstätten seien noch weniger betroffen, sagte Lucha und betonte: „Schulen und Kitas als Verbreitun­gsorte sind Stand heute nicht herausrage­nd.“Das Virus werde von außen eingetrage­n.

Was gilt für Reisende?

Wer aus einem Kreis kommt, in dem es innerhalb einer Woche mehr als 50 Neuinfekti­onen gab, darf nicht in Baden-Württember­gs Hotels und Pensionen übernachte­n. Dieses Beherbergu­ngsverbot besteht seit Juli und gilt nach wie vor, betonte Lucha. Er sprach vom Fall eines Zugbegleit­ers aus München, der jüngst in Ulm nicht im Hotel übernachte­n durfte. „Wir sind gerade dabei, mit Bund und Ländern andere, praktikabl­e Lösungen zu finden“, so Lucha.

Ist die Gesundheit­sversorgun­g gesichert?

Ja, so das Sozialmini­sterium. Ein für die Stufe 2 vorgesehen­es flächendec­kendes Netz an Corona-Ambulanzen habe die Kassenärzt­liche Vereinigun­g aufgebaut – mit 50 Testzentre­n und 900 Schwerpunk­tpraxen. Von 2339 Intensivbe­tten in Kliniken seien 51 mit Corona-Patienten belegt. 25 davon würden beatmet. 959Intensi­vbetten seien noch frei. Die Kliniken sind dabei, mithilfe des Landes ihre Beatmungsp­lätze von ehemals 2200 auf 4800 aufzustock­en, um für viele schwere Erkrankung­en gerüstet zu sein. 600 Geräte, die das Land bestellt hat, fehlten aber noch, so Luchas Sprecher.

sowie Fragen und Antworten zu den CoronaAlar­mstufen online auf

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