Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein wenig Licht im Dunkeln
Verfassungsschutz legt Bericht über Rechtsextremismus bei Sicherheitsbehörden vor
BERLIN (dpa) - Zum ersten Mal hat der Verfassungsschutz einen Lagebericht vorgelegt, der sich gezielt mit Rechtsextremisten in der Polizei und bei anderen Sicherheitsbehörden beschäftigt. Mehr als eine Annäherung an das Problem stellt diese Bestandsaufnahme aber nicht dar. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie viele Rechtsextremisten sind aufgefallen?
Insgesamt wurden in den Behörden von Bund und Ländern innerhalb von gut drei Jahren 377 Verdachtsfälle registriert. Nicht immer hat sich der Verdacht bestätigt. 71 Menschen wurden wegen rechtsextremer Vorkommnisse entweder entlassen oder gar nicht erst dauerhaft eingestellt. In etlichen Fällen wurden Disziplinarverfahren eingeleitet. Bei der Bundespolizei, wo fast 49 000 Menschen beschäftigt sind, wurden 24 rechtsextremistische Verdachtsfälle registriert, zusätzlich 20 Verdachtsfälle, bei denen es um Rassismus ging. In Baden-Württemberg meldeten die Behörden 23 Verdachtsfälle unter mehr als 30 000 Polizisten, in Bayern 31 unter mehr als 40 000 Beamten.
Wie hat der Verfassungsschutz die Daten erhoben?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat allen Behörden einen Fragebogen geschickt. Darin wurde unter anderem nach der Zahl der eingeleiteten Disziplinarverfahren mit rechtsextremistischem Hintergrund gefragt. Aber auch konkret nach der Verwendung von NS-Symbolen, nach Kontakten zu rechtsextremen Organisationen oder auch nach rassistischen Kommentaren, etwa in Chat-Gruppen von Polizisten.
Bewerben sich viele Rechtsextremisten bei Sicherheitsbehörden? Dafür gibt es keine Hinweise. Wer etwa Polizist werden will, wird durch eine Abfrage in polizeilichen Datenbanken überprüft. In einigen Bundesländern gibt es zusätzlich eine Abfrage beim Verfassungsschutz. Damit soll ausgeschlossen werden, dass bereits erkannte Extremisten in den Polizeidienst gelangen.
Und was passiert später?
Hier liegt wohl das eigentliche Problem. Denn wer sich über Jahre etwa ausschließlich mit islamistischem Extremismus, mit Clan-Kriminalität oder mit Menschenhandel beschäftigt, muss aufpassen, dass er nicht in „Wir-gegen-die-Kategorien“denkt. Der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, sagt, Polizisten, die an einem Großstadt-Hauptbahnhof innerhalb einer Woche sieben- oder achtmal die gleiche Person wegen sexueller Belästigung vorläufig festgenommen haben, stellten sich schon die Frage nach der „Sinnhaftigkeit ihres Tuns“. Ähnlich sei es mit Beamten, die einen Ausländer bei der Einreise kontrollierten, der schon mehrfach in den für sein Asylverfahren zuständigen EU-Staat zurückgebracht worden sei. Diese Beispiele erklären vielleicht, warum es bei der Bundespolizei und den Polizeibehörden der Länder, wo die Beamten im Berufsalltag mehr persönliche Erfahrungen mit Kriminellen machen, mehr rechtsextreme Verdachtsfälle gibt als etwa beim Bundesamt für Verfassungsschutz.