Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Entwarnung ist nicht angesagt
Es klingt wie eine gute Nachricht: 99 Prozent der Polizisten in Deutschland sind keine Rechtsextremisten. Doch die in Ber- lin vorgelegten Zahlen beantworten nicht die entscheidende Frage. Die lautet: Wie verbreitet ist extremistisches Denken in Sicherheitskreisen? Um das seriös zu klären, bedarf es eines Blickes von außen. Der Bericht des Verfassungsschutzes analysiert nur jene Fälle, in denen Beamte angezeigt wurden oder es Disziplinarverfahren gab. Es sind also zum einen nur bereits bekannte Fälle. Zum anderen ist belegt, dass besonders Randgruppen und Menschen, die bereits schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben, Diskriminierungen durch diese nicht melden. Zu groß ist ihre Angst, erneut etwa wegen Aussehen oder sozialem Status schlecht behandelt zu werden.
Die reflexhafte Abwehr jeder Art von Außenblick schadet der Polizei nur selbst. Sie genießt bei den allermeisten Bürgern zu Recht ein hohes Ansehen. Dieses verspielt jedoch, wer den Eindruck erweckt, er hätte etwas zu verbergen.
Ist der Streit um die RassismusStudie damit jetzt beendet?
Nein. Eine Studie von Wissenschaftlern, die rassistische Einstellungen von Polizisten erforschen, lehnt Seehofer nach wie vor ab. Dafür hatten sich unter anderem die Grünen und einige SPD-Innenminister ausgesprochen. Seehofer ist dagegen. Er sagt, damit würde man die Polizei unter Generalverdacht stellen. Eine Untersuchung des Polizeialltags, wie sie beispielsweise jüngst von der Gewerkschaft der Polizei vorgeschlagen würde, könnte sich der Bundesinnenminister dagegen gut vorstellen. Außerdem sagt er: Rassismus sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es sollte deshalb auch umfassend untersucht werden.
Eine Studie des Max-Planck-Instituts legt nahe, dass auch Gene ein Risikofaktor für schwere Erkrankungen sein könnten. Wäre es sinnvoll weitere Risikogruppen mittels Gentests zu bestimmen? Diese Genvarianten auf Chromosom 3 und 9 des menschlichen Genoms wurden bereits vor einiger Zeit beschrieben, und wir sprachen bereits darüber. Ein internationales Konsortium untersucht mit hoher Rechnerleistung, ob bei Menschen mit schwerem Covid-19 Verlauf bestimmte übereinstimmende genetische Besonderheiten vorliegen. Neu ist jetzt, dass der entscheidende Abschnitt auf Chromosom 3 offenbar von einer ganz bestimmten Neandertaler-Linie stammt. Man weiß, dass es zwischen Neandertalern und dem Homo sapiens (unseren direkteren Vorfahren) zu Kreuzungen gekommen ist. Die Funktion dieses Gens ist noch nicht bekannt. Die Genvariante ist in der Weltbevölkerung sehr unterschiedlich vorhanden. In manchen Gegenden Asiens tragen über 60 Prozent der Menschen die Genvariante, während es bei uns wohl etwa 15 Prozent sind. Dieses genetische Risiko (Veranlagung) kommt zu den anderen bekannten Risiken (Alter, Vorerkrankungen) hinzu. Die Untersuchung auf ein genetisch bedingtes Risiko ist möglich, aber nur dann sinnvoll und ethisch vertretbar, wenn sich aus dem Ergebnis Konsequenzen ergeben. Dies wäre bei Covid-19 schon der Fall, weil man diese Menschen bevorzugt impfen könnte, besondere medizinische Kontrollen durchführen könnte und auch besondere Schutzmaßnahmen empfehlen könnte. In jedem Fall muss eine derartige Untersuchung freiwillig erfolgen.