Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Krux mit der Teflonpfanne
Ein herausragender Mark Ruffalo spielt im Justizdrama „Vergiftete Wahrheit“
Die Substanz mit dem sperrigen Namen, der im Mittelpunkt von „Vergiftete Wahrheit steht“, dürfte den meisten Kinozuschauern wenig sagen – dabei findet er sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in ihrem Körper. Laut Studien lässt sich Perfluoroctansäure, kurz PFOA, im Blut von 99 Prozent aller Menschen nachweisen. Die enorme Widerstandsfähigkeit macht PFOA etwa bei der Herstellung von Teflon so attraktiv. Doch im Körper aufgenommen ist die lange Haltbarkeit umso problematischer.
Die skrupellosen Machenschaften von Konzernen und die Schwächen im Kontrollsystem, die eine solche Ausbreitung ermöglicht haben, stehen auch im Mittelpunkt des Dramas. Darüber hinaus liefert Mark Ruffalo als Wirtschaftsanwalt Robert Bilott eine herausragende darstellerische Leistung ab. Seine Figur beruht ebenso wie der zugrunde liegende Fall auf einem realen Vorbild.
Dass sich Billot einmal als Kämpfer um die Gerechtigkeit für einfache Leute und gegen große Konzerne einen Ruf erarbeiten würde, war dabei im ersten Teil seiner Karriere kaum abzusehen – wohl am wenigsten für ihn selbst. Denn die Kanzlei in Cincinatti, bei der Billot zu Beginn des Films zum Partner befördert wird, vertritt eigentlich vor allem große Chemiekonzerne. Da steht plötzlich der knorrige Rinderzüchter Wilbur Tennant (Bill Camp) bei ihm im Büro. Im Gepäck hat er eine ganze Ladung Videokassetten, die zeigen, wie seine Tiere aufgrund von ungewöhnlichen Symptomen haufenweise elendig sterben.
Schnell fällt der Verdacht von Billot auf den Chemiegiganten DuPont, der auf dem Nachbargrundstück Abfälle entsorgt. Auch wenn der mächtige Konzern zu den Klienten der Kanzlei zählt, gibt deren Chef Tom Terp (ebenfalls stark: Tim Robbins) ihm Rückhalt. So macht sich Billot auf zur Spurensuche nach West Virginia, doch der zunächst noch kollegiale Umgang mit den Anwälten des Konzerns schlägt bald in offene Feindseligkeit um.
Mark Ruffalo wurde nicht zuletzt durch seine Rolle als Comic-Superheld Hulk bekannt, doch hier spielt er das genaue Gegenteil. Unscheinbar, geduckt, zögerlich sprechend kommt sein Anwalt daher – aber eben auch beharrlich und mit Gerechtigkeitssinn
ausgestattet. Dem Film gelingt es zu vermitteln, wie viel trockene Kleinarbeit in so einem Fall steckt, ohne dass jemals Langeweile aufkommt.
Große Actionszenen sollte man hier natürlich nicht erwarten, aber mit „Vergiftete Wahrheit“reiht sich Regisseur Todd Haynes („Carol“) in die ehrbare Liste von Justizdramen ein, in denen fiktive oder auf realen Vorfällen basierende Skandale mit akribischer Arbeit aufgeklärt werden. Das Charisma einer Aktivistin wie Erin Brokovich hat Billot natürlich nicht. Die Herausforderungen im Privatleben werden zudem eher am Rande abgehandelt, auch wenn sich Anna Hathaway in der Rolle seiner Ehefrau, die im Laufe des Films mehrere Kinder zur Welt bringt, reichlich Mühe gibt. Dennoch verleiht Ruffalo der Figur auch mit wenigen Worten Tiefgang.
Und aufrütteln dürfte der Film viele Zuschauer sicherlich auch. Neben dem eigentlichen Skandal werden dabei auch grundlegende Fehler im System genannt. Etwa die Selbstregulierung der Industrie, die zum Teil selber bedenkliche Grenzwerte festlegen kann oder bedenkliche Substanzen wie PFOA zunächst einfach gar nicht registriert.
Regie: Todd Haynes. Mit Mark Ruffalo, Anne Hathaway, Tim Robbins. USA 2019. 126 Minuten. FSK ab 6.