Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Debatte um die Debatte
Trump lehnt virtuelle Fernsehdiskussion ab – Duell der Vizekandidaten Pence und Harris verläuft hart, aber höfllich
WASHINGTON - Nachdem das TVDuell von Donald Trump und Joe Biden im Chaos versunken war, bekamen die Amerikaner zumindest von ihren Vize-Kandidaten eine geordnetere Debatte geboten. Neue Positionen kamen dabei nicht heraus, dafür poltert Trump bereits wieder.
Kaum ist die eine Debatte über die Bühne gegangen, gibt es auch schon Streit um die nächste. In einer Woche sollen Donald Trump und Joe Biden ein zweites Mal aufeinandertreffen. Während die amerikanischen Medien noch spekulierten, ob der an Covid-19 erkrankte Amtsinhaber überhaupt teilnehmen kann, sprach die Kommission, die die Spielregeln festzulegen hat, ein Machtwort. Im Interesse der Gesundheit aller Beteiligten sollen die Protagonisten rein virtuell diskutieren. Es dauerte nicht lange, bis der Präsident Einspruch einlegte. Er werde seine Zeit nicht mit so etwas verschwenden, protestierte er am Donnerstagmorgen in einem Fernsehinterview. „Du sitzt hinter einem Computer und sollst debattieren – das ist doch lächerlich.“Nur Stunden nach seiner Absage regte Trump nun eine Verschiebung um eine Woche an.
Wie es ausgeht, bleibt abzuwarten. Jedenfalls lässt die sich abzeichnende Kontroverse ein anderes TV-Duell schnell zur Randnotiz werden: das Duell zwischen Mike Pence und Kamala Harris, dem aktuellen Vizepräsidenten und der Senatorin, die ihn im Amt beerben möchte. Dabei hatte es am Mittwochabend für ein paar Minuten so ausgesehen, als sollten sich beide ein Streitgespräch für die Geschichtsbücher liefern. Harris, die erste Frau mit dunkler Haut, die für das zweithöchste Amt im Staat kandidiert, bläst sofort zur Offensive. „Das amerikanische Volk ist Zeuge des größten Versagens einer Regierung in der Geschichte unseres Landes geworden“, sagt sie über das CoronaKrisenmanagement. Dabei hätten Trump und Pence bereits Ende Januar gewusst, wie gefährlich das Virus sei. „Und sie haben es Ihnen nicht gesagt“, schiebt sie, direkt ans Publikum gewandt, hinterher. „Sie wussten es und sie haben es verschleiert.“
Pence versucht der Kritik die Spitze zu nehmen, indem er wiederholt, womit sich sein Chef schon seit Monaten aus der Affäre zu ziehen versucht. Zum einen, führt er an, habe Trump sehr früh ein Einreiseverbot aus China verfügt. Biden habe das damals abgelehnt und von Fremdenfeindlichkeit gesprochen. Zum anderen sei es dem Präsidenten gelungen, die „größte Mobilisierung seit dem Zweiten Weltkrieg“zu organisieren. Wer den Kraftakt nicht zu schätzen wisse, gibt er zu verstehen, der wisse die Leistung der Amerikaner insgesamt nicht zu würdigen. Darauf Harris unter Verweis auf 210 000 CoronaTote zwischen Seattle und Miami: „Was immer die Regierung angeblich getan hat, es hat offensichtlich nicht funktioniert.“
Es folgt ein Disput, der illustriert, was für Gräben zwischen Republikanern und Demokraten liegen. Pence spricht von der Freiheit, in deren Interesse man den Leuten schon zutrauen müsse, die richtigen Entscheidungen zu treffen, während die Demokraten sie mit Verboten und Zwang bloß gängeln wollten. „Sie respektieren das amerikanische Volk, indem Sie ihm die Wahrheit sagen“, kontert Harris. Während er einen Impfstoff bis Jahresende in Aussicht stellt, warnt sie vor wahlpolitischen Abkürzungen. „Wenn die Ärzte uns sagen, wir sollen das Vakzin nehmen, bin ich die Erste, die es nimmt. Wenn Donald Trump sagt, wir sollen es nehmen, nehme ich es nicht.“So hart es inhaltlich zur Sache geht, stilistisch halten sich beide an die Etikette. Trump hatte Biden bei der Premiere ein chaotisches Duell aufgezwungen, das in wüste Beschimpfungen ausartete. Durch zwei Plexiglasscheiben voneinander getrennt, zeigen Pence und Harris, dass es noch immer halbwegs geordnet und zivilisiert zugehen kann. Der ExGouverneur Indianas ist mit seiner behäbig wirkenden Art ohnehin kein Typ, der sich leicht aus der Ruhe bringen ließe. Seine Kontrahentin begleitet etliche ihrer Sätze mit einem Lächeln, erst recht dann, wenn sie sich verbittet, unterbrochen zu werden.
Viel mehr dürfte nicht im Gedächtnis haften bleiben. Dazu zeichnen beide zu routiniert an altbekannten Skizzen. Einmal mehr versucht Pence das Duo Biden/Harris, beide in der Mitte ihrer Partei zu verorten, in die Nähe der „radikalen Linken“zu rücken. Einmal mehr warnt er vor Steuererhöhungsorgien. Einmal mehr betont Harris, dass unter einem Präsidenten Biden niemand, der weniger als 400 000 Dollar im Jahr verdiene, höhere Steuern zu zahlen habe. Und einmal mehr wirft sie dem Gespann Trump/Pence vor, das Vertrauen der Verbündeten verspielt zu haben. Nur dass sie es diesmal noch zuspitzt, indem sie aus einer Studie des Pew-Instituts zitiert. Demnach genießt der Chinese Xi Jinping bei manchen europäischen Alliierten inzwischen mehr Respekt als der Amerikaner Donald Trump.