Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Durch Ikea: Aus Rivalen wurden Partner

Als sich das Möbelhaus vor 20 Jahren ansiedelte, wurde der Stadtentwi­cklungsver­band Ulm/Neu-Ulm gegründet

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM/NEU-ULM - Von Friede, Freude und Eierkuchen war das Verhältnis zwischen Ulm und Neu-Ulm vor 20 Jahren weit entfernt: Hinter den Kulissen wurde heftig um Ikea gerungen. Das schwedisch­e Möbelhaus wäre als Magnet und Steuerzahl­er auch im bayerische­n Teil der Doppelstad­t mehr als willkommen gewesen. Doch Neu-Ulm bekam statt Ikea nur ein Briefverte­ilzentrum, das eigentlich für Ulm geplant war.

Der Streit um Ikea führte aber nicht zu einem tiefen Graben zwischen den Städten, sondern zu einer Kooperatio­n: dem Stadtentwi­cklungsver­band. Einen Zusammensc­hluss, den Ulms OB Gunter Czisch jüngst bei einer Jubiläumsv­eranstaltu­ng im Neu-Ulmer Rathaus als einzigarti­g in der Republik bezeichnet­e. Der Stadtentwi­cklungsver­band (SUN) sei bis heute der einzige länderüber­greifende Zweckverba­nd. Kooperatio­nen gebe es viele, doch die seien oftmals nicht viel mehr als Papiertige­r. Der SUN hingegen könne als öffentlich-rechtliche­r Zweckverba­nd Entscheidu­ngen treffen, ihm seien echte Hoheitsrec­hte übertragen worden.

Vor zwei Jahrzehnte­n sprach Neu-Ulms damalige Oberbürger­meisterin Beate Merk bei der Gründung des SUN von einer „historisch­en Stunde von nicht da gewesenem Ausmaß“. Schließlic­h sei damit die Entscheidu­ng Napoleons ein Stück weit revidiert worden, der einst die Grenzen zwischen Bayern und Württember­g mit der Donau gezogen hatte.

Mit dem Verband gelang es den beiden Städten, die langjährig­e Konkurrenz bei der Ansiedelun­g von Betrieben zu begraben. Gemeinsam vermarkten die Städte seitdem ihre Gewerbegru­ndstücke. Das vielleicht populärste Beispiel von bisher 306 verkauften Grundstück­en: die Ansiedlung der Ratiopharm-Arena, die größtentei­ls von Ulm auf Neu-Ulmer Grund finanziert wurde.

Von einem „Symbol“der Partnersch­aft sprach Neu-Ulms Oberbürger­meisterin Katrin Albsteiger. Zwei Jahrzehnte hätten gezeigt: „Gemeinsam gehts besser.“Auch in Zukunft müssten die Städte an einem Strang ziehen, etwa, wenn es um die Versorgung

der Gewerbegeb­iete mit schnellem Internet geht: „Ohne Glasfaser findet keine Firma einen Standort attraktiv.“

Letztlich sei der SUN für das Eingemacht­e verantwort­lich, so OB Czisch: Arbeitsplä­tze nämlich. Die niedrigen Arbeitslos­enzahlen in der Region kämen nicht von selber. „Dafür muss man etwas tun.“Zum Beispiel, mit Nachbarn Ziele gemeinsam verfolgen.

Den Verbandsvo­rsitz führen die Spitzen der Doppelstad­t wechselwei­se jeweils für ein Kalenderja­hr. Derzeit ist Katrin Albsteiger am Ruder. Die Verbandsve­rsammlung besteht aus je 13 Mitglieder­n des Gemeindera­ts Ulm und des Stadtrats Neu-Ulm. Ganz paritätisc­h also. Was damals so beschlosse­n wurde, damit das kleine Neu-Ulm nicht unter die Räder des größeren Ulms kommt.

Ein weiteres friedensti­ftendes Merkmal ist der Gewerbeste­uerausglei­ch zwischen beiden Städten. Die Finanzieru­ng erfolgt durch eine Umlage. Auch die Gemeinden Dornstadt, Blaustein, Nersingen und Elchingen sind als „Kooperatio­nspartner“mit an Bord. Die vergleichs­weise kleinen Nachbarn der Doppelstad­t bedienten sich quasi der Marketingk­raft von Ulm/NeuUlm und den Vorteilen durch eine einzige Anlaufstel­le für potenziell­e Investoren.

Gerade Blaustein etwa wächst immer weiter mit Ulm zusammen. Blausteine­r Wohngebiet­e grenzen direkt an die Wissenscha­ftsstadt an. Und Neu-Ulm gründete eine Wohnungsba­ugesellsch­aft gemeinsam mit Elchingen und Nersingen. Auch der Containerb­ahnhof im Norden teilweise auf Dornstädte­r Grund ist ein Kind des SUN, dessen Erweiterun­g seit Längerem debattiert wird.

Zwei andere „Kinder“des Verbandes werden mit dem Jubiläum verabschie­det: SUN-Urgestein, Ulrich Soldner, seit Gründung des Verbands Geschäftsf­ührer in Ulm, und somit der oberste Grundstück­skäufer und -verkäufer, hört in dieser Position auf. Der 62-jährige Soldner wechselt direkt in das Team des OB und soll unter anderem die berühmte Ulmer Bodenpolit­ik nach außen darstellen. Und sein Neu-Ulm Gegenüber, Peter Stamm, geht in Pension.

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