Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Weltmeister im dritten Anlauf
Profiboxer Robin Krasniqi erfüllt sich überraschend seinen Lebenstraum – Dominic Bösel enttäuscht im Ring
MAGDEBURG (dpa) - Robin Krasniqi stand mit seinen zwei WeltmeisterGürteln stolz in der Tiefe der Magdeburger Getec-Arena und war vom größten Kampf seines Lebens noch völlig euphorisiert. „Ich wusste vorher, dass dieser Kampf mein Ende oder ein neuer Anfang sein wird. Ich bin sehr stolz. Ich bin ein Mann, der für große Aufgaben geboren ist“, sagte der neue Weltmeister im Halbschwergewicht kurz nach Mitternacht. Sein Gegner Dominic Bösel musste sich da gerade ärztlich versorgen lassen, nachdem der Favorit vom Boxer aus dem schwäbischen Gersthofen in der dritten Runde mit einer spektakulären Rechten K.o. geschlagen worden war.
Krasniqis Geschichte ist nun eines jener Box-Märchen, die es eigentlich nicht mehr gibt. Sein Leben an sich ist schon kein alltägliches. Krasniqi wuchs in den Wirren des Kosovo-Krieges auf, floh mit seinen Geschwistern und der Mutter in den Wald, um nicht im Kugelhagel zu sterben. Das Elternhaus war zerstört, der Vater ein politisch Verfolgter, der das Land längst verlassen hatte. Mit 17 Jahren holte ihn der Vater, der in München einen Obst- und Gemüsehandel betreibt, nach Deutschland. Verängstigt und ohne Sprachkenntnisse begann Krasniqi am 6. November 2004 sein neues Leben. Im Boxen fand er seine Berufung. Doch zum großen Wurf reichte es lange nicht. 2013 vergab er eine WM-Chance gegen Nathan Cleverly, 2015 eine weitere gegen Jürgen Brähmer. Krasniqi galt als einer, der in großen Kämpfen nicht ablieferte.
Für den WM-Kampf am Samstag in Magdeburg war Krasniqi eigentlich
In der dritten Runde hatte Anatoli Muratov seinen Gegner Siarhei Huliakevich
Es sah nach einem Sieg aus für den
Doch der relativ unbekannte und international bislang nicht sonderlich erfolgreiche Belaruse Huliakevich rappelte sich am Samstagabend im Magdeburger Ring wieder auf und hielt dann gegen den nachlassenden Muratov dagegen. So wurde es am Ende nicht der eingeplante 23. Sieg im 25. Profikampf für Muratov, sondern
nach acht Runden. Im Mittelgewicht hatte der 32jährige Muratov im September 2019 vor 3000 Fans in der ZFArena in Friedrichshafen den Gürtel als Intercontinental-Meister des Weltverbands WBA gesichert. Eigentlich hätte er seinen Gürtel gegen den Uruguayer Rafael Sosa Pintos verteidigen sollen, dieser Kampf musste aber wegen der Corona-Krise abgesagt werden. Mit einem Sieg gegen Huliakevich wollte sich Muratov weiter Richtung Weltspitze vorarbeiten. Das gelang allerdings nur bedingt. (tk) nur als Notnagel und Außenseiter eingekauft. Er sollte Bösel bei dessen erster Titelverteidigung zwar Paroli bieten, aber letztlich vor keine großen Probleme stellen. Schließlich war alles für die nächste Karrierestufe von Bösel vorbereitet worden: Die ARD übertrug erstmals seit sechs Jahren wieder einen WMKampf live, 2,5 Millionen Menschen schauten vor dem Fernseher zu, und Boxlegende Henry Maske analysierte die Künste seines vermeintlichen Nachfolgers. Dann erwischte Krasniqi Bösel so hart am Kopf, dass dieser wie ein Baum zu Boden fiel.
Im SES-Boxstall hatte man sich einen anderen Ausgang des internen Duells gewünscht. Der technisch hochbegabte Bösel ist spätestens seit dem WM-Sieg 2019 das große Zugpferd. Doch der 30-Jährige, der sich im Vorfeld hart an der Grenze zur Überheblichkeit geäußert hatte, war sich seiner Sache zu sicher gewesen. „Dominic war sträflich offen“, kritisierte Maske nach dem K.o.-Schlag. Es war Bösels zweite Niederlage im 32. Profikampf. Viel mehr als ein „Ich bin erschrocken“und „Mit so etwas rechnet man nicht“kam bei seinem kurzen TV-Interview nicht herum. Seinen IBO-Titel und die InterimsWM der WBA ist Bösel wieder los.
Klar ist: Ein Rückkampf ist vertraglich festgelegt. Bis dahin will Krasniqi, der nur als Ersatzkämpfer für den wegen der Corona-Maßnahmen verhinderten Australier Zac Dunn eingesprungen war, das Glücksgefühl auskosten. „Sie haben es einstudiert“, sagte SES-Promoter Uli Steinforth: „Sie haben gesehen, dass da eine Lücke ist. Die Taktik ist aufgegangen.“