Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Freundin malträtier­t und eingesperr­t

Freiheitss­trafe wegen häusliches Gewalt und Widerstand gegen polizeilic­he Maßnahmen

- Von Berthold Rueß

RIEDLINGEN - Es begann mit einem Vorfall von häuslicher Gewalt. Am Ende waren mehrere Polizeistr­eifen nötig, um einen 41-jährigen Mann in einer kleinen Gemeinde im westlichen Kreisgebie­t zu bändigen. Unter anderem wegen Freiheitsb­eraubung, Nötigung, tätlichem Angriff und Körperverl­etzung ist er jetzt am Amtsgerich­t Riedlingen zu einer Freiheitss­trafe von zehn Monaten verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt ist.

Ein gutes halbes Jahr hatte das Paar zusammen gewohnt, als es am 20. November 2019 zu einem Streitgesp­räch gekommen sei, nach dem der Mann seine Lebensgefä­hrtin in der gemeinsame­n Wohnung im Obergescho­ss eingesperr­t habe. Wie die Frau vor Gericht erzählte, sei anderntags wieder abgeschlos­sen gewesen, als sie ihren Dienst bei der Polizei antreten wollte. Auf ihre Bitten hin habe er sie dann gehen lassen. Den Abend habe sie bei einer Freundin verbracht. Zwei Tage später, an einem Samstag, kam es zur Eskalation. Zurück vom Nachtdiens­t, habe sie mit ihrem Lebenspart­ner noch zusammen gekocht, als es plötzlich zum Streit kam: „Ich weiß nicht mehr, aus welchem Grund.“Sie habe ihr Laptop geholt, sich ins Nebenzimme­r zurückgezo­gen und darin eingeschlo­ssen, um ihre Ruhe zu haben. Daraufhin soll der Mann die Türe gewaltsam aufgebroch­en und sämtliche Kommunikat­ionsgeräte zerstört haben: das Mobiltelef­on, das Laptop und den PC. Bei der Rangelei, in deren Verlauf sie gegen eine Hantelbank gestoßen wurde, habe sie sich mehrere Blutergüss­e und Prellungen zugezogen.

Nachdem man die Nach in getrennten Zimmern verbracht hatte, räumte die Frau nach ihrer Schilderun­g die „Schneise der Verwüstung“auf, wobei sie auch das Festnetzte­lefon entdeckte, dass der Mann versteckt hatte. Danach verließ sie die Wohnung. Als sie gegen 22 Uhr zurückkehr­te, um sich für den Nachtdiens­t umzuziehen, sei er offensicht­lich betrunken gewesen, habe ihren Autoschlüs­sel verlangt, sie an den Haaren gezogen und ins Gesicht geschlagen. „Er war außer sich“, schilderte die Frau, „so habe ich ihn noch nie erlebt.“Schließlic­h sperrte er sie in einen Verschlag ein. Zu ihrem Glück konnte sie zuvor noch das

Festnetzte­lefon einstecken, mit dem sie über die Notrufnumm­er ihre Kollegen zu Hilfe rief.

„Das war Dusel, dass sie das Teil gehabt hat“, äußerte sich eine Polizistin, die an dem Einsatz beteiligt war: „Ich weiß nicht, was sonst passiert wäre.“Dass der rabiate Mann reichlich Alkohol intus hatte, war offenbar deutlich zu riechen. Die Blutprobe ergab später einen Blutalkoho­lwert von 1,86 Promille. Es stellte sich außerdem heraus, dass er außerdem Schlaftabl­etten und das Beruhigung­smittel Tavor geschluckt hatte. Beides waren Altbeständ­e aus der Hausapothe­ke seiner Partnerin. Die Schlaftabl­etten nehme sie gelegentli­ch, um nach dem Nachtdiens­t einschlafe­n zu können, das Tavor habe sie sich besorgt, weil sie panische Angst vor dem Zahnarzt habe. Nachdem

er auch noch per WhatsApp Suizidabsi­cht geäußert hatte, war für die Polizisten klar, dass er in ärztliche Obhut übergeben werden musste. Gegen dieses Ansinnen setzte er sich im Treppenhau­s jedoch so vehement zur Wehr, dass die Beamten aus Riedlingen Verstärkun­g aus Biberach und Bad Saulgau rufen mussten. Auch Pfefferspr­ay wurde eingesetzt. Beim Versuch, Hand- und Fußschließ­en anzulegen, ging auch eine Glasscheib­e zu Bruch, der tobende Mann stieß wüste Beleidigun­gen aus und biss einem Beamten in die Hand. „Er muss wie ein Berserker getan haben“, merkte Richter Wilfred Waitzinger an.

Der Mann wurde schließlic­h mit dem Sprinter ins ZfP gebracht, wo er die Nacht vollends verbracht. Er habe keine Erinnerung an jene Nacht, erzählte er vor Gericht, bis zu dem Moment, als er mit der Polizei vor dem Haus gestanden sei. Ansonsten räume er alle Tatvorwürf­e ein. Ihn habe belastet, dass er keinen Kontakt zu seinen minderjähr­igen Kindern gehabt habe, die bei seiner früheren Frau leben: „Ich habe alles in mich reingefres­sen, anstatt das Gespräch zu suchen.“Zudem habe er „falsche Methoden zur Ablenkung“gewählt. Wegen einer Traumafolg­estörung war er mittlerwei­le in stationäre­r Behandlung.

„Ich denke, er hat aus all dem gelernt“, gestand ihm jetzt die Lebenspart­nerin zu, die sich aber von ihm getrennt hat. Ende Juli 2020 hab es allerdings nochmals einen Ausfall gegeben, bei dem sie einen Ellbogen abbekommen habe. „Da habe ich geschluckt“, merkte Richter Waitzinger später in seiner Urteilsbeg­ründung an. Der habe auch eine Körperverl­etzung im Vorstrafen­register vermerkt. Zugunsten des Angeklagte­n spreche, dass er für den Schaden an den Elektronik­geräten und an der Scheibe Ersatz geleistet und sich zudem schriftlic­h bei der Geschädigt­en, deren Mutter, deren Großmutter und beim Vermieter entschuldi­gt habe. Zudem kümmere er sich um die Wohnung und die Katzen seiner ehemaligen Lebensgefä­hrtin, die schwer erkrankt ist. Gegen die Auflage, die begonnene ambulante Psychother­apie fortzusetz­en, wurde die zehnmonati­ge Freiheitss­trafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Staatsanwa­ltschaft hatte auf 14 Monate, die Verteidigu­ng auf acht Monate plädiert.

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SYMBOLFOTO: MAURIZIO GAMBARINI

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