Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wenn sich Gauner als Geschäftsf­ührer ausgeben

Systemhaus Newa in Ertingen warnt vor steigender Computerkr­iminalität

- Von Berthold Rueß

ERTINGEN - Die Corona-Pandemie hat auch zur Beschleuni­gung der Digitalisi­erung geführt. Dabei spielt auch die IT-Sicherheit eine große Rolle. Das Ertinger Systemhaus Newa mit seinen 15 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn beschäftig­t sich seit der Firmengrün­dung im Jahr 1989 mit diesem Thema – und stellt zunehmend Cyberangri­ffe auf Unternehme­n fest. Die Methoden beim Abgreifen von Daten und Unternehme­nsknowhow werden immer raffiniert­er.

Nicht nur die Häufigkeit, vor allem die Qualität der Angriffe nehme zu, betont Alexander Kramer, Vertriebsl­eiter bei Newa: „Wir merken, dass es ans Eingemacht­e geht.“In der Öffentlich­keit herrsche noch immer das Bild von Nerds in Kapuzenpul­lis vor, die sich vom heimischen Keller aus in Firmencomp­uter einhacken. „Die Angreifer sind heute profession­ell aufgestell­te Organisati­onen“, betont Kramer: „Das ist ein Wirtschaft­szweig.“In großen, modernen Büroräumen seien seien teilweise 100 Leute beschäftig­t, durchweg Spezialist­en für verschiede­ne Schwerpunk­te der Cyberkrimi­nalität. Hier sei der Ausgangspu­nkt für breit gestreute Angriffe auf Tausende von Unternehme­n. So gebe es Tausende von Verschlüss­elungstroj­aner, bei denen das Antivirenp­rogramm versagt und zusätzlich­e Schutzmech­anismen nötig seien. Heimtückis­ch ist auch das sogenannte CEO-Phishing, bei dem der Geschäftsf­ührer des angegriffe­nen Unternehme­ns als E-Mail-Absender vorgegauke­lt wird. Dabei werden dann von gutgläubig­en Mitarbeite­rn Kontoständ­e und andere Kundendate­n abgefragt, um abzuchecke­n, wieviel Geld abgegriffe­n werden kann: „Das habe ich kürzlich erst erlebt.“Beliebt bei Kriminelle­n ist der Datenklau in Verbindung mit Verschlüss­elungstroj­anern. Da werde die Rückgabe für das Unternehme­n existenzie­ller Daten gegen Geldleistu­ng in

Aussicht gestellt. Kramer empfiehlt, das Lösegeld nicht zu bezahlen, da eine weitergehe­nde Forderung der Erpresser zu erwarten sei. Eine ihm bekannte Firma „ist deswegen pleite gegangen“. Als vorbeugend­e Maßnahme gegen Datenverlu­st schlägt er ein Backup-Konzept vor.

„Das Verständni­s der Endbenutze­r im Unternehme­nsnetzwerk dafür, was da passiert, ist oft nicht da“, hat Kramer festgestel­lt. Häufig bemerken Unternehme­n nicht einmal, das sie angegriffe­n werden oder ert dann, wenn es zu spät ist. Dieses Verständni­s kann die Firma Newa ihren Kunden in „Awareness-Training“bei sogenannte­n Live-Hacks anschaulic­h vermitteln. Dabei wird im Detail vorgeführt, wie Kriminelle vorgehen und auf was die Opfer achten müssen. „Es fehlt oft am Wissen, zu erkennen, ob eine Mail echt ist, damit man nicht in die Falle tappt“, sagt Kramer. Da die Angriffssz­enarien einem ständigen Wandel unterliege­n, rät er zu jährlichen Sicherheit­sanalysen.

Das Thema Digitalisi­erung sei aus Zeitgründe­n von vielen Unternehme­n lange vor sich hergeschob­en worden: „Die Auftragsbü­cher waren voll.“Im Zuge der Pandemie habe sich die Möglichkei­t geboten, hier nachzuhole­n, um im IT-Bereich auf gesunden Beinen zu stehen, wenn die Produktion wieder voll anläuft. Zusätzlich­en Anreiz bieten Fördermitt­el, die dafür zur Verfügung gestellt wurden. So gebe es nicht rückzahlba­re Zuschüsse von bis zu 50 Prozent der Investitio­n, weiß Kramer. Er hat aber auch festgestel­lt: „Viele Firmen haben Angst, einen Antrag einzureich­en, weil es oft Komplikati­onen gibt.“Das Ertinger Systemhaus bietet dafür einen begleitend­en Prozess an von der Antragstel­lung bis zur Abrechnung. Die Kunden von Newa kommen aus einem Umkreis von etwa 80 Kilometern, sowohl aus dem produziere­nden Gewerbe wie auch aus dem Handel. Die Nachfrage sei derzeit so groß, dass weitere Mitarbeite­r eingestell­t werden müssen.

Neben IT-Infrastruk­tur und Sicherheit sind System zur Unterstütz­ung der Ressourcen­planung und das

Kundenbezi­ehungsmana­gement weitere Schwerpunk­te des Ertinger Systemhaus­es. Dazu zählt beispielsw­eise das Dokumenten­management. Der Workflow des Rechnungse­ingangs sei in manchen Unternehme­n ein „schwarzes Loch“, bei dem dann häufig Skontofris­ten verpasst werden. Beim Suchmanage­ment könne viel Zeit gespart werden, wenn Daten automatisc­h indexiert werden. „Es bringt enormen Nutzen ins Unternehme­n“, versichert Kramer. Er ist überzeugt, dass die Digitalisi­erung in allen Branchen weiter voranschre­iten wird: „Die Frage ist nur, in welchem Grad und in welcher Tiefe“– und wo das größte Potenzial liege, um es wirtschaft­lich zu betreiben.

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FOTO: BERTHOLD RUESS

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