Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Poetik-Dozentur entfällt
und Kajalrand an den Augen verträumt in die Zukunft schauen.
Viel Raum wird jenen eingeräumt, die mit offen gezeigter Homosexualität Männlichkeit „queren“. Politische Bilder, wie jene von Sunil Gupta, der in Thatchers Großbritannien gegen das Verbot kämpft, gleichgeschlechtliche Beziehungen eindeutig darzustellen. Oder versteckte Bilder, wie jene von Karlheinz Weinberger, der in Zürich ein Doppelleben führte – tagsüber als Lagerverwalter von Siemens im Örlikon, abends als Fotograf homosexueller Freunde im Elvis-Look, die in einer Schwulen-Zeitschrift unter Pseudonym veröffentlicht wurden.
Anrührend sind Ausschnitte aus dem Familienleben: In „Grandpa goes to heaven“thematisiert Duane Michals Alter und Tod. Während Aneta Bartos unbarmherzig auf ihren Vater blickt, den alternden Bodybuilder, der sich an der Grenze der Lächerlichkeit in Szene setzt. Verstörend sind dagegen die Bilder von Richard Billingham, der seinen alkoholkranken Vater Ray zeigt.
Aber es werden auch Fotos präsentiert, welche die Klischees so sehr bedienen, dass sie sie hinterfragen. Etwa Wolfgang Tillmans „Soldiers“, Presse- und Fernsehbilder von internationalen Einsätzen in Bosnien oder am Persischen Golf, die eine Art Hypermaskulinität feiern. Auch Peter Marlows Rugbyspieler oder Rineke Dijkstras Stierkämpfer gehören in diese Kategorie.
Ein besonderes Schmankerl ist das letzte Kapitel der Ausstellung, in der Marianne Wex typische Posen von Männern analysiert. Wie die Hackordnung durch Körperhaltung bestätigt wird, lässt sich in jeder UBahn nachvollziehen: Männer, die breitbeinig mit den Füßen nach außen ihr Revier besetzen, Frauen, die sich graziös mit den Fußspitzen nach innen setzen.
Alona Pardo, die Londoner Kuratorin meint bei der Eröffnung in Berlin: „Es ist Zeit, die vielen Aspekte von Männlichkeit zu verstehen.“Die Schau erklärt manches, aber sie gibt keine Antworten, sondern regt mit ihrer Vielschichtigkeit zum Hingucken und Nachdenken an. dauert bis 10. Januar. Öffnungszeiten: Mi.-Mo. 10-19 Uhr.
TÜBINGEN (epd) - Die Tübinger Poetik-Dozentur fällt in diesem Jahr wegen Corona aus. Die für November geplanten Veranstaltungen mit Eva Menasse und Thomas Hettche werden um ein Jahr verschoben, teilte die Universität mit. Ein Interview-Film mit den beiden Autoren soll einen Vorgeschmack auf das kommende Jahr geben. Der Film wird Ende November online gehen.