Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Volkswirte sehen Aufschwung in Gefahr
Bundeswirtschaftsminister Altmaier warnt erneut vor einem Herunterfahren der Wirtschaft
BERLIN/NÜRNBERG (dpa) - Angesichts rasant steigender CoronaNeuinfektionen in Deutschland wächst unter Volkswirten die Sorge vor den möglichen ökonomischen Folgen einer zweiten Pandemie-Welle. „Der konjunkturelle Aufschwung dürfte bis zum Frühjahr weitgehend zum Erliegen kommen“, sagte die Chefvolkswirtin der staatlichen KfW Bankengruppe, Fritzi Köhler-Geib. „Dadurch dürfte auch die Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten stagnieren oder – wenn es schlecht läuft – deutlich zunehmen.“
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier nannte die Infektionslage „dramatisch“, warnte jedoch erneut vor einem Herunterfahren der Wirtschaft. „Einen neuen flächendeckenden Lockdown darf es nicht geben, und ich halte ihn auch nicht für erforderlich“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Finanzminister Olaf Scholz hält Deutschland für finanziell gut gerüstet. „Die Corona-Pandemie ist längst noch nicht besiegt, und wie erwartet verzeichnen wir jetzt im Herbst deutlich steigende Infektionszahlen“, sagte der SPD-Politiker der „Augsburger
Allgemeinen“(Samstag). „Die Lage ist ernst, und wir nehmen sie ernst.“
Aus Sicht von KfW-Chefvolkswirtin Köhler-Geib bleiben die Beschäftigungsrisiken gerade in kundennahen Wirtschaftsbereichen hoch. Besonders für das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie Teile des Einzelhandels und der Kulturwirtschaft würden die Herbst- und Wintermonate noch einmal zur Belastungsprobe. Eine Ansicht, die auch Marc Schattenberg, Volkswirt bei der Deutschen Bank, teilt: „Die Situation ist belastend, besonders für den Dienstleistungssektor.“Für das vierte Quartal gebe es Abwärtsrisiken, die sich auch in das neue Jahr hineinziehen könnten, sagte Schattenberg.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, befürchtet, dass die Risiken einer zweiten Welle unterschätzt werden. Es müsse dringend gelingen, den Bürgern den Ernst der Lage bewusst zu machen und sie zu deutlich mehr Vorsicht zu bringen. „Ein starker und anhaltender Anstieg der Infektionen könnte die Wirtschaft genauso hart treffen wie die erste Welle.“