Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Corona verschärft Ungleichheit
Die Warnungen klingen eindringlich: Vor allem, aber nicht nur Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien leiden besonders unter der CoronaKrise. Kontaktverbote, zeitweise geschlossene Schulen, Angst um Jobs – diese Mischung kann rasch explosiv werden. Noch fehlen belastbare Auswertungen von Jugendämtern und anderen Stellen dazu, in welchem Ausmaß häusliche Probleme oder gar Gewalt seit Beginn der Pandemie zugenommen haben. Aber sehr viele Indizien lassen befürchten, dass dem so ist. Dazu zählen etwa erste Angaben von Jugendämtern einzelner Bundesländer oder Studien zu den starken seelischen Belastungen, unter denen Jugendliche durch die Ausnahmesituation der vergangenen Monate leiden.
Besorgniserregend auch, dass sehr viele Misshandlungen gar nicht publik werden dürften. Blieben doch in den Krisenmonaten gerade jene Institutionen geschlossen, die sonst häufig Alarm schlagen: Es sind häufig Lehrkräfte oder Erzieherinnen, die Behörden auf Problemfamilien aufmerksam machen.
Deshalb ist es absolut richtig, Schulen und Kitas möglichst offen zu halten. Erneute flächendeckende Schließungen wie im Frühjahr sind vor diesem Hintergrund tatsächlich nur im absoluten Notfall vertretbar. Familiäre Krisen und Gewalt sind das eine, es gilt, das Risiko dafür zu senken und Kinder zu schützen.
Das andere ist die Bildung. Schon Familien, in denen die Eltern ihren Kindern selbstverständlich beim Lernen helfen, waren durch Homeschooling oft überlastet. Viel gravierender ist die Lage dort, wo Vater und Mutter Schüler bereits unter normalen Umständen nicht unterstützen. Die Krise verschärft Ungleichheit. Sie benachteiligt jene, die bereits zuvor schlechtere Startchancen hatten als ihre Altersgenossen.
Schulen und Kitas müssen also noch mehr als vor der Krise daran arbeiten, soziale Unterschiede von Schülern so gut es geht auszugleichen. Leider ist das deutsche Bildungssystem, besonders im Süden, darin nicht besonders erfolgreich. Das muss sich dringend ändern.