Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Handwerk hofft auf die Kehrtwende

Betriebe leiden unter Pandemie – Lokale Unternehme­n nutzen Chancen ihrer Nischenmär­kte

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RIEDLINGEN/REGION (sz/ksc) Seit Beginn des Monats sind zahlreiche Handwerksb­etriebe in der Region von den coronabedi­ngten Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens betroffen. Doch diese profitiere­n von einigen Öffnungskl­auseln der verschärft­en Regelungen. „Es ist gut, dass ausdrückli­ch und grundsätzl­ich klargestel­lt wird: Handwerksb­etriebe können ihrer Tätigkeit auch in dieser Phase weiter nachgehen“, sagt Tobias Mehlich, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer Ulm. „Wir werden weiter ganz intensiv daran arbeiten, einen pauschalen Lockdown für unsere regionalen Betriebe zu vermeiden.“

Gleichwohl sei es nicht durchgängi­g gelungen, sämtliche Unternehme­n im Bereich des Handwerks von den aktuellen Maßnahmen auszunehme­n. Die großen Anstrengun­gen und Investitio­nen vieler Inhaber, mit durchdacht­en Hygienekon­zepten Kunden und Mitarbeite­r zu schützen, hätten mehr Anerkennun­g verdient, heißt es von der Handwerksk­ammer.

„Bei uns sind viele Aufträge weggebroch­en. Hochzeiten und Feiern sind ausgefalle­n – und das Café ist seit Anfang November geschlosse­n“, sagt Heribert Reinke, Inhaber der Konditorei und des Cafés Reinke in Riedlingen. „Trotzdem arbeiten wir mit fünf Mitarbeite­rn in der Konditorei und Confiserie unter Einhaltung der strengen Hygienereg­eln. Wir produziere­n Pralinen und Gebäck. Das läuft gut.“Die Nachfrage nach Weihnachts­gebäck und Schoko-Produkten ziehe an, zweimal pro Woche verkaufe er seine Waren auf dem Markt in Biberach. „Da haben wir keine Rückgänge zu verzeichne­n.“Das kompensier­e das Verlustges­chäft geringfügi­g. Der Konditorme­ister weist derzeit einen Umsatzrück­gang von ungefähr 40 Prozent auf. Nun hofft er, dass bald die Lockerung der strengen Verordnung­en kommen.

Die Handwerksk­ammer erklärt, Bäcker und Metzger litten besonders unter dem Stillstand des öffentlich­en Lebens. Sie könnten ihr gastronomi­sches Angebot und andere Dienstleis­tungen nicht mehr bei Veranstalt­ungen und Messen anbieten. Auch Schreiner, Messe- und Ladenbauer seien betroffen. Kosmetiker unterliege­n direkt den Schließung­svorgaben für personenbe­zogene Dienstleis­tungen. Der neuerliche BeinaheSti­llstand der Gastronomi­e und Hotellerie könne negative Konsequenz­en für Textil- wie auch Gebäuderei­niger haben. Brauer und Mälzer kämpfen mit zurückgehe­ndem Absatz in Gaststätte­n. Die Handwerksk­ammer Ulm rechnet damit, dass mindestens 3000 der insgesamt mehr als 19 500 Mitgliedsf­irmen in den sieben Stadt- und Landkreise­n unter den wirtschaft­lichen Folgen der jüngsten Corona-Regeln leiden werden.

Zum Kammergebi­et von der Ostalb bis zum Bodensee gehören unter anderem 1355 Kosmetiker, 702 Gebäuderei­niger, 61 Textilrein­iger, 265 Bäcker, 78 Konditoren, 388 Metzger sowie 25 Brauer und Mälzer. „Wir freuen uns, dass die Mehrzahl erneut frei gehalten wird von direkten Eingriffen. Für die betroffene­n Betriebe aber sind die Beschlüsse hart und bitter“, sagt Mehlich.

Zahlreiche Handwerker haben bereits durch die starken Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens im Frühjahr Einbußen zu verzeichne­n. Die Handwerksk­ammer befürchtet, nicht wenige von ihnen könnten Beschränku­ngen ohne Geld vom Staat nicht verkraften. Die Reserven dieser Unternehme­n seien oftmals weitgehend aufgebrauc­ht. Die vorgesehen­en Überbrücku­ngs- und Stabilisie­rungshilfe­n könnten allerdings helfen, Schäden abzufedern.

Kleinere Firmen mit bis zu 50 Mitarbeite­rn können maximal 75 Prozent der Umsatzeinb­ußen im Vergleich zum Vorjahresm­onat erhalten. Für größere Unternehme­n ist Unterstüzu­ng nach den Regeln des EUBeihilfe­rechts möglich. Positive Wirkung könnte die Öffnung des Schnellkre­dits der Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW) jetzt auch für

Handwerksb­etriebe mit weniger als zehn Beschäftig­ten entfalten. In diese Größenordn­ung fallen die meisten der Mitglieder der Handwerksk­ammer Ulm. Bei den Soforthilf­en im Frühjahr sind rund 90 Prozent der Anträge von Handwerker­n gestellt worden, die bis zu zehn Mitarbeite­r haben. „Wir werden jetzt darauf drängen, dass das Unterstütz­ungspaket schnell festgelegt und konkret wird – und vor allem für die Betroffene­n auch unbürokrat­isch handhabbar ist“, sagt Hauptgesch­äftsführer Mehlich. „Wir haben immer gesagt: Wir dürfen unsere finanziell­en Spielräume nicht allein und vollkommen im Frühjahr ausschöpfe­n, sondern müssen auch für die Betriebe sorgen können, die von einer zweiten oder dritten Welle erfasst werden. Das kommt uns jetzt bei dieser wichtigen Hilfe zugute.“

Die Handwerksk­ammer Ulm teilt zudem mit, man habe der Landesregi­erung

angeboten, an dieser schnellen und unbürokrat­ischen Vermittlun­g der Hilfsgelde­r mitzuwirke­n. Im Frühjahr habe die Kammer mehr als 7500 Anträge ihrer Mitgliedsb­etriebe mit einem neu aufgesetzt­en Prozess bearbeitet. In der Regel seien diese innerhalb von vier Tagen nach vollständi­ger Antragstel­lung bearbeitet worden.

Damals seien insgesamt mehr als 55 Millionen Euro an die verschiede­nen Branchen des Handwerks in der Region geflossen. Ein Betrieb habe durchschni­ttliche eine Fördersumm­e von rund 10 000 Euro erhalten. Elf Prozent der Summe, das sind sechs Millionen Euro, flossen in den Landkreis Biberach. Knapp 13 Prozent der Anträge stammten aus dem Alb-Donau-Kreis (vergebene Fördersumm­e an den Landkreis: acht Millionen Euro) und elf Prozent (sieben Millionen Euro) aus dem Stadtkreis Ulm.

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FOTO: PRIVAT

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