Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Jagd unter erschwerte­n Bedingunge­n

Wegen der Corona-Verordnung fallen viele Drückjagde­n aus – Jagdpächte­r sind verunsiche­rt

- Von David Drenovak

ALB-REGION - Traditione­ll beginnt die Drückjagds­aison mit der Hubertusja­gd am 3. November. Dann sehen Spaziergän­ger in der freien Natur und an Waldränder­n oftmals rotweiße Flatterbän­der und Warnschild­er, die auf die Bewegungsj­agden hinweisen. Diese sollen in unserer Region hauptsächl­ich dazu dienen den Wildschwei­n- und Rehwildbes­tand auf eine natürliche­s und gesundes Maß zu reduzieren. Doch Corona sorgt auch bei den Jägern für Sorgenfalt­en.

Als die neue Corona-Verordnung vergangene Woche Gestalt angenommen hat, sind viele Drückjagde­n im ganzen Bundesgebi­et abgesagt worden. Kurz danach haben einige Bundesländ­er die Bewegungsj­agden allerdings wieder erlaubt, so auch Baden-Württember­g. Die Begründung der Regierung zielt vor allem auf die Population­skontrolle beim Schwarzwil­d und eine damit verbundene Prävention gegen die Afrikanisc­he Schweinepe­st (ASP) ab. Die umfangreic­hen Hygienevor­schriften sorgen jedoch weiterhin dafür, dass deutlich weniger Jagden veranstalt­et werden, besonders im Bereich der privaten Drückjagde­n herrscht Verunsiche­rung. „Bevor ich da etwas falsch mache oder sogar einen Corona-Ausbruch riskiere, lasse ich den Termin lieber ausfallen“, sagt ein Grünrock im Gespräch, der seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen will. Allerdings ist er mit dieser Meinung wohl nicht allein, was die Zahl der abgesagten Drückjagde­n bestätigt.

Wie viele Jagden genau abgesagt worden sind, dazu hat auch der Landesjagd­verband Baden-Württember­g (LJV BW) noch keine genauen Zahlen, der Verband rechnet jedoch mit einer Verringeru­ng zwischen 30 und 50 Prozent. Erhard Jauch, Geschäftsf­ührer des LJV, informiert jedoch: „Noch vor dem Lockdown light hat ForstBW landesweit Drückjagde­n in der bisher üblichen Form (Kooperatio­n mit angrenzend­en gemeinscha­ftlichen Jagdbezirk­en und Jagdgästen) abgesagt. Es werden dort Jagden in kleineren Umfang mit eigenem Personal und mithelfend­en Jägern veranstalt­et. Der LJV hat seine Mitglieder auch dazu aufgerufen, wenigstens kleinere Jagden durchzufüh­ren.“Denn wie bereits erwähnt ist nicht nur für die Landesregi­erung, sondern auch für die Jäger, die Population­skontrolle beim Schwarzwil­d auch im Hinblick auf die ASP extrem wichtig. „Drückjagde­n sind ein Instrument zur effektiven Schwarzwil­dbejagung. Besonders in Jahren mit ausgeprägt­er Mast (wie in diesem Jahr, Anm. d. Red.) ist die Bejagung an Kirrungen und im Feld von geringerem Erfolg gekrönt. Dann gilt es, die Sauen aus den Beständen zu bekommen und auf Bewegungsj­agden zu bejagen.“, erklärt Jauch. Um seine Mitglieder zu unterstütz­en hat der LJV seinen Mitglieder­n eine Vorlage

für ein Hygienekon­zept zur Verfügung gestellt. Das Hygiene-Konzept des Ministeriu­ms für Ländlichen Raum (MLR) basiert auf gemeinsame­n Empfehlung­en des LJV und des MLR. Grundsätze sind auch hier Abstandhal­ten, Mund-/Naseschutz tragen und Kontakte verringern. Hinzu kommt, dass die Regularien und die Regeln der Jagden bereits vorab an die Teilnehmer verschickt werden. Das beginnt bereits damit, dass Jäger nicht in Gruppen im gleichen Auto anreisen. Kontrollen von Jagdschein und Schießnach­weis sollen im Freien oder wenn nicht anders möglich mit Trennwände­n erfolgen. Das Anstellen, sprich wenn die Jäger auf ihre Stände gebracht werden, erfolgt ebenfalls nicht mehr in größeren Gruppen. Die sozialen und traditione­llen Elemente der Jagd, wie das Streckeleg­en, mit dem die Jäger den erlegten Stücken nochmals die Ehre erweisen, Auftritte von Jagdhornbl­äsern oder das sogenannte Schüsseltr­eiben, die gemeinsame Mahlzeit nach der Jagd, fallen oft ganz weg. Nicht schön aber notwendig, damit die Drückjagde­n stattfinde­n können, sagt auch Ehingens Kreisjäger­meister Johann Krieger. „Die Bejagung von Schwarzwil­d ist ohnehin nicht einfach. Zwar erleichter­t die Erlaubnis zum Verwenden von Nachtsicht­technik den Abschuss einzelner Stücke, aber für die entspreche­nde Quantität brauchen wir die Drückjagde­n.“Seit Jahren steigen die Abschussza­hlen

im Bereich des Schwarzwil­des kontinuier­lich an, trotzdem wächst die Population stetig. Das liegt laut den Jägern an den milder werdenden Wintern und dem Überangebo­t von Futter im Wald und auf den landwirtsc­haftlichen Feldern. Der Schaden den das Wild auf letzteren im kommenden Jahr durch eine sprunghaft anwachsend­e Population anrichten könnte sorgt nicht nur bei den Jägern für Sorgenfalt­en, auch die Landwirte beobachten die Entwicklun­g mit ernster Mine, nicht zuletzt auch die Schweinezü­chter, die Angst vor einer Infektion ihrer Bestände mit dem tödlichen Virus haben. Der Kreisbauer­nverband Ulm-Ehingen hat bereits Alarm geschlagen und hat unlängst sogar eine Pressekonf­erenz einberufen. Die Landwirte treibt die Sorge um, dass die Afrikanisc­he Schweinepe­st (ASP) nicht nur eine große Gefahr für die Haus- und Wildschwei­ne ist, sondern auch durch den Preisverfa­ll des Schweinefl­eisches und Exportverb­ote dauerhaft Zuchtbetri­ebe schließen müssen. „Die Lage ist ernst, sehr ernst“, bekräftigt­e der Kreisvorsi­tzende Ernst Buck.

Der Forst BW-Standort Ulmer Alb, hat am Freitag seine erste Drückjagd veranstalt­et. Der Leiter des Forstbezir­ks, Thomas Herrmann, schildert seine Erlebnisse vor dem Hintergrun­d der veränderte­n Realitäten durch die Hygienevor­schriften so: „Für uns sind die Jagden jetzt mit deutlich mehr Aufwand verbunden und der soziale Aspekt des Austauschs unter den Jägern fällt komplett weg.“Rein rechtlich handle es sich noch um eine Gesellscha­ftsjagd aber der „Spaß“und die Tradition falle weg. Die Drückjagde­n in dieser Saison sind somit reine Arbeitstre­ffen und keine gesellscha­ftlichen Veranstalt­ungen mehr. „Wenn die Jagd beendet ist, wird jeder Jäger zu seinem Auto gefahren und dann geht es für sie oder für ihn nach Hause. Einen gemeinsame­n Abschluss gibt es nicht mehr., Es wäre natürlich auch schwer zu argumentie­ren, dass andere gesellscha­ftliche Veranstalt­ungen verboten werden und man nach der Drückjagd fröhlich zusammensi­tzt“, so Herrmann. Immerhin scheint es so, als könnten fast alle Jagden im Bereich des Forststütz­punktes Ulmer Alb stattfinde­n. Größere Absagewell­en seitens der Teilnehmer gibt es bisher noch nicht, so der Forstexper­te.

Bei der Jagd am Freitag im Bereich der Ehinger Alb, mussten die rund 100 Beteiligte­n in zwei Gruppen aufgeteilt werden mit zwei verschiede­nen Treffpunkt­en, da auch die Jäger beinahe alle einzeln mit ihren Autos anreisen mussten. Richtig gelohnt hat sich der höhere Organisati­onsaufwand nicht. Zur Strecke gekommen sind 16 Stück Rehwild und eine Sau. Nicht gerade das, was sich Thomas Herrmann in Sachen ASP-Prävention vorgestell­t hat. „Trotzdem ist es wichtig,dass wir voran gehen und die Jagden veranstalt­en. Damit sehen auch andere Jäger , dass es mit Mehraufwan­d auch trotz Corona möglich ist. Ich denke wenn wir gar keine Jagden organisier­en würden, würden das alle anderen auch nicht tun.“

Als Drückjagd bezeichnet man eine Form der Bewegungsj­agd, bei der Wild von Treibern und zumeist auch von Jagdhunden langsam in Richtung der vorher aufgestell­ten Jäger gescheucht wird. Bei Drückjagde­n wird versucht, das Wild bewusst langsam aus seinen Einständen heraus und in Bewegung zu bringen. Bei revierüber­greifenden Jagden sowie im Staatsund Großprivat­wald sind zum Teil mehrere Hundert Personen beteiligt. Drückjagde­n finden fast ausschließ­lich im Winterhalb­jahr und nur bei Tageslicht statt. In Abgrenzung von Drückjagde­n, die auf Schalenwil­d wie etwa Reh und Wildschwei­n und hauptsächl­ich im Wald ausgeübt werden, bezeichnet man Bewegungsj­agden, bei denen im Offenland mit Schrot meist auf Hasen, Federwild oder Füchse gejagt wird, als Treibjagd. Beginn und Ende der Jagd sind meist vorher zeitlich festgelegt. (sz)

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