Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Kinder besitzen viele eigene Rechte
Im Zweifel haben die Eltern trotzdem oft das letzte Wort – Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt aller Entscheidungen
Es ist gut fünf Jahre her, als ein Kinderspielzeug für öffentliche Empörung in Deutschland sorgte. Von einer „Stasi-Puppe“oder Abhöraktionen im Kinderzimmer war in den Zeitungsüberschriften die Rede. Es ging um Barbie, das beliebte Puppenmodell, das nach den Vorstellungen des US-amerikanischen Herstellers Mattel die perfekt aussehende junge Frau darstellt. Das Modell Hello-Barbie verfügte jedoch über eine zusätzliche Funktion. Die Puppe kann Gespräche aufzeichnen und mit dem Kind kommunizieren.
Stellt das Kind eine Frage, erhält es aus einer Datenbank der Firma eine geeignete Antwort vom Band. Die Eltern können diese Fragen später abhören. Das Internet macht alles möglich. Nicht nur Datenschützer waren alarmiert. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages nahm die Debatte darum zum Anlass, einmal genauer anzuschauen, wie es um die Privatsphäre des Kindes gegenüber seinen Eltern bestellt ist. Das Ergebnis ist erstaunlich kompliziert.
Grundsätzlich tragen die Eltern die Verantwortung für die Sorge und Erziehung ihrer Kinder. Dazu gehört auch das Recht auf alle Informationen, die dem Wohl der Jungen und Mädchen dienen. Gleichwohl wächst mit zunehmenden Alter der Kinder auch deren Bedürfnis und Fähigkeit, eigenverantwortlich zu handeln. In der Praxis können beide Ansprüche kollidieren.
Gerichte schlagen sich in der Regel auf die Seite der Eltern. Das Bundesverfassungsgericht hat zum Beispiel entschieden, dass Schülerberater den Inhalt vertraulicher Gespräche mit Schülern an deren Eltern weitergeben müssen. Und auch Facebook musste die Kommunikation einer verstorbenen 15-Jährigen nach zunächst hartnäckiger Weigerung herausrücken. Dennoch hielten die Verfassungsrichter fest, dass die Informationsrechte der Eltern mit zunehmenden Alter zurückgedrängt werden und mit der Volljährigkeit ganz erlöschen. Theoretisch
halten es die Wissenschaftler des Bundestags daher für denkbar, dass ein Kind mit der „Stasi-Puppe“gegen die Herausgabe seiner Aufzeichnungen an die Eltern klagt.
In der Praxis sind es eher Alltagsfragen in Streitfällen zwischen Kindern und Eltern. Gibt es ein Recht auf Taschengeld? Dürfen Eltern den Umgang
Kinderrechte sind noch nicht lange ein Thema für die Welt der Erwachsenen. Erst 1989 gab es eine Übereinkunft der Vereinten Nationen, die den unter 18-Jährigen global Schutzrechte einräumt. Einklagbar sind diese Standards in vielen Ländern freilich bis heute nicht. Die orientieren sich an vier Grundsätzen. An erster Stelle stehen das Überleben und die Entwicklung der Kinder.
mit Freundinnen oder Freunden verbieten? Ist Hausarrest erlaubt oder dürfen Eltern die Klamotten bestimmen? Es gibt viele strittige Fragen im familiären Zusammenleben. Kompliziert erscheint das Kinderrecht, weil es in den Gesetzbüchern in der Regel gar nicht direkt erwähnt wird. Das Grundgesetz schreibt die Verantwortung
Dazu kommt ein Diskriminierungsverbot. Auch sollen die Kinder an Entscheidungen über sie beteiligt werden. In 54 Artikeln führen die Vereinten Nationen eine Art Grundrechtskatalog für Kinder auf.
Dazu gehören in Deutschland längst selbstverständliche Rechte, wie etwa das Recht auf einen Namen und auf eine Staatszugehörigkeit, das auf Gesundheit und auf Bildung. (wom)
für die Kinder den Eltern zu. Sie können damit weitgehend allein entscheiden, was für den Nachwuchs am besten ist. Der Staat schreitet nur ein, wenn das Kindeswohl gefährdet ist.
Das Gesetz sieht eine partnerschaftliche Erziehung und Rücksichtnahme vor. Das bedeutet nicht, dass Kinder bei Entscheidungen ihr Einverständnis geben müssen. Es ist eher der Ausdruck des aktuellen Familienbildes, das sich von alten, autoritären Strukturen abheben will. Eltern dürfen zum Beispiel eine Beteiligung der Kinder beim Einkaufen, Kochen oder Putzen verlangen. In landwirtschaftlichen Betrieben müssen sich Jugendliche auf Wunsch der Eltern sogar an der Arbeit beteiligen. Allerdings darf weder das eine noch das andere zur Überforderung ausarten oder die schulische Ausbildung behindern.
Ein wichtiges Recht haben Kinder. Eltern müssen für ihren Unterhalt sorgen, also für Essen und Trinken, Kleidung,
Wohnraum oder Schulmaterial aufkommen, bis der Nachwuchs finanziell für sich selbst sorgen kann. Das Taschengeld gehört nicht zu den festen Ansprüchen. Das ist eine freiwillige Leistung.
Die Unterhaltspflicht kann bei einem Zerwürfnis zum Streitfall werden. Wer sich nach dem Schulabschluss mit 16 oder 17 Jahren nicht um eine Ausbildung bemüht, sondern lieber auf dem heimischen Sofa herumlümmelt, kann sich auf den Unterhalt durch die Eltern nicht verlassen. Jeder ist verpflichtet, zum Unterhalt beizutragen.
Lange Zeit hatten Eltern sogar ein Recht auf Züchtigung der Kinder, also Erziehung durch Schläge. Das hat sich geändert. Jedes Kind hat heute das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Eine Ohrfeige oder gar härtere Schläge sind eine Körperverletzung und können als Straftat vom Kind angezeigt werden. „Auch festes Zupacken, Festhalten oder Fesseln gilt in der Regel als unzulässige Erziehungsmaßnahme“, erläutert das Bundesjustizministerium. Von allein aus verfolgt die Staatsanwaltschaft diese Delikte nicht. Das Kind muss eine
Anzeige erstatten. Das Gewaltverbot gilt übrigens auch für seelische Gewalt. Das kann zum Beispiel die Herabwürdigung des Kindes als vermeintlicher Versager oder Schwächling sein.
Recht haben und recht bekommen sind oft zwei verschiedene Stiefel. Vertrackt kann es zum Beispiel werden, wenn es um das Eigentum eines Kindes geht. Eigentumsrechte werden juristisch unterschiedlich betrachtet. Wenn es einem Kind nutzt und keine Gefahr für es darstellt, kann es über eine Sache auch frei verfügen. Dann dürfen Eltern es auch nicht wegnehmen oder zerstören, zum Beispiel im Streit durch den damit verursachten Lärm. Anders liegt der Fall, wenn zum Beispiel der geschiedene Vater dem Kind ein Mofa schenkt. Das Fahrzeug verursache Kosten und damit zu fahren, erhöhe die Unfallgefahr, sagt die sorgeberechtigte Mutter und gibt es zurück. Da sie sich um das Wohlbefinden ihres Kindes kümmert, hat sie hier das letzte Wort.
Ein typischer Streitpunkt zwischen Eltern und Kindern ist der Umgang der Sprösslinge. Hier sitzen die Eltern am längeren Hebel. Sie können das Treffen mit Freunden verbieten, wenn sie einen schlechten Einfluss auf den eigenen Nachwuchs befürchten. Das Gesetz räumt aber auch den Kindern gewisse Umgangsrechte ein. Das gilt zum Beispiel bei der Trennung der Eltern, wenn Vater oder Mutter aus der gemeinsamen Wohnung ziehen. Dann darf das Kind immer noch beide Elternteile sehen. Auch ein Treffen mit Geschwistern oder Großeltern darf dem Kind nicht verboten werden.
Es gibt noch viele weitere Rechtsfelder, in denen Kinder manche, aber nicht alle Rechte haben. Das
hat alle wichtigen Themenfelder für Kinder in einer umfangreichen Broschüre zusammengefasst. Sie ist auf der Internetseite des Ministeriums unter www.bmjv.de und dem Suchbegriff „Meine Erziehung“zu finden. (wom)
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