Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Eine Katastrophe zum Abschied
Trump will Huthi-Rebellen im Jemen auf Terrorliste setzen – Folgen wären gravierend
SANAA (dpa) - Als außenpolitischen Schlussakt im Nahen Osten erwägt US-Präsident Trump, die Huthi-Rebellen im Jemen auf die Terrorliste zu setzen. Helfer schlagen Alarm. Das Land könnte von der ohnehin schweren Krise in die größte Hungersnot seit Jahrzehnten abrutschen.
An manchen Tagen lassen Mohammed Mugni und seine Frau die Mahlzeiten ganz weg, um wenigstens die Miete und die Schulgebühren ihrer Kinder bezahlen zu können. Frühstück und Abendessen bestehen für das Paar aus dem Nordjemen dann aus Tee und Keksen, erzählt Mugni der Nachrichtenseite New Humanitarian. Teure Lebensmittel wie Obst, Käse und Fisch hätten sie gestrichen. Und Fleisch? „Ein rares Gut, von dem wir nur träumen können“, sagt Mugni.
Im Jemen auf der Arabischen Halbinsel hat sich das zusammengebraut, was Beobachter als „perfekten Sturm“beschreiben: Ein bewaffneter Konflikt mit inzwischen 128 000 Kriegstoten sowie 131 000 weiteren Opfern, die wegen eines Mangels an Lebensmitteln oder der schlechten Gesundheitsversorgung starben. Drei Viertel der Bevölkerung leben nach Schätzungen der Weltbank in Armut. Dazu kommen eine kollabierte Wirtschaft, Cholera, knappes Trinkwasser, Überschwemmungen und eine drohende Hungersnot – von der Corona-Pandemie mal ganz abgesehen.
Ausgerechnet diesen bettelarmen Staat könnte Donald Trump in seinen letzten Wochen als US-Präsident zum Spielball seiner Außenpolitik machen. Trump plane, die jemenitischen Huthi-Rebellen vor dem Ende seiner Amtszeit am 20. Januar als Terrororganisation einzustufen, schreibt das Magazin „Foreign Policy“unter Berufung auf Diplomaten. Solch ein Schritt gegen die mächtige schiitische Miliz ist seit Monaten im Gespräch. Nun könnte er Trumps Zunder werden in einer „Politik der verbrannten Erde“, zitiert das Magazin einen Diplomaten.
Die Vereinten Nationen und humanitäre Helfer schlagen Alarm. Denn die Huthis beherrschen weite Teile des Landes und haben im Nordjemen faktisch einen Staat im Staat errichtet. Bis zu 80 Prozent der Bewohner des Jemens leben in von den Huthis kontrollierten Gegenden. Sollten die Huthis auf der US-Terrorliste landen, würde die Arbeit von Organisationen wie dem Welternährungsprogramm, Care, Oxfam oder dem UNFlüchtlingshilfswerk dort schwierig bis unmöglich.
„Ich könnte für schlichte humanitäre Hilfe kriminalisiert oder strafrechtlich verfolgt werden“, sagt Sultana Begum, die für die Norwegische Flüchtlingshilfe (NRC) in der Hauptstadt Sanaa arbeitet. „Humanitäre Arbeit im Jemen könnte faktisch illegal werden.“NRC und andere Organisationen müssen mit den Huthis verhandeln, um Lebensmittel, Wasser oder Medizin ins Land zu bringen und um sich sicher bewegen zu können.
Auch der Strom von Geld, Benzin und Nahrung aus dem Ausland – der Jemen importiert 90 Prozent seiner Lebensmittel – könnte versiegen und die Hungersnot näherrücken lassen. Händler, Banken, Lieferanten und
Versicherungen könnten ihre Geschäfte aus Sorge vor US-Sanktionen einstellen. Auch die für viele überlebenswichtigen Überweisungen von Verwandten, die als Arbeitsmigranten etwa in Saudi-Arabien leben, würden gekappt. Andere Staaten könnten ihre Hilfszahlungen aussetzen. Von den benötigten 3,4 Milliarden Dollar für humanitäre Hilfen im Jahr 2020 fehlt immer noch mehr als die Hälfte.
Trump könnte all das wenig kümmern. Die USA sehen die Huthi-Rebellen als Handlanger Irans, der mit einer Politik des „maximalen Drucks“in die Schranken gewiesen werden muss. Der Griff zur Terrorliste könnte ihn in seinen letzten Amtswochen als stark und entschlossen wirken lassen im Kampf gegen Teheran und dessen Verbündete. Und es wäre eine Art Abschiedsgeschenk an Saudi-Arabien, das Iran als Erzfeind betrachtet und das im Jemen gegen die Huthis kämpft. Diese hatten ihre Angriffe auf Saudi-Arabien wieder verstärkt.
Sicher könnte die Terror-Einstufung helfen, das Vermögen der Huthis einzufrieren und einige der Einnahmequellen für ihren brutalen Krieg auszutrocknen. Der Krieg würde dadurch aber nur verlängert, schreiben die Analysten der International Crisis Group. In äußerst zähen Verhandlungen hat der UN-Sonderbeauftragte Martin Griffiths über Monate versucht, Vertrauen zwischen der Regierung und den Rebellen aufzubauen. Mit der Ankündigung aus Washington wäre es rasch wieder verpufft. Vergeltungsschläge der Huthis wären so gut wie sicher.
Humanitäre Helfer bereiten sich auf den Ernstfall vor. Die UN ließen Berichten zufolge einige US-amerikanische Mitarbeiter aus dem Jemen evakuieren, um sie vor den Huthis zu schützen. NRC und andere Organisationen hoffen auf eine Ausnahmegenehmigung der US-Regierung, sollten die Huthis auf der Terrorliste landen. Aber die Beantragung dieser „General License“könnte sich über Monate hinziehen.