Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Eröffnung ist Unternehmerentscheidung“
Das ist der Sachstand in Sachen Schlachthof Biberach und Kreisveterinäramt
- Noch immer liegen keine genauen Erkenntnisse über vermeintliche Verstöße gegen den Tierschutz im Schlachthof Biberach vor. Dieser ist weiterhin geschlossen. Das Kreisveterinäramt soll nun eine zusätzliche Sachbearbeiterstelle bekommen, um die Amtstierärzte bei administrativen Tätigkeiten zu unterstützen (siehe Bericht unten). Sz-redakteur Gerd Mägerle hat mit Landrat Heiko Schmid und dem Ersten Landesbeamten Walter Holderried über den aktuellen Stand gesprochen.
Herr Dr. Schmid, Herr Holderried, der Landrat hat im Interview zum Jahreswechsel zu den vermeintlichen Missständen im Schlachthof Biberach gesagt: „Wir müssen schnell handeln.“Inwiefern wurde von Ihrer Seite denn bisher gehandelt?
Holderried: Nachdem die Filmaufnahmen der Soko Tierschutz bekannt wurden, mussten wir diese zunächst erst selbst sichten, bevor wir eine Bewertung vornehmen konnten. Wir haben rund 160 Stunden Filmmaterial in Abschnitten und ohne Tonspur erhalten und ausgewertet. In Abstimmung mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz haben wir dann umgehend entschieden, dass der Schlachthof bis zu einer Klärung der Vorwürfe erst einmal geschlossen wird. Das ist er nach wie vor.
Welche Erkenntnisse haben Sie inzwischen?
Holderried: Das Sichten der Filmaufnahmen war sehr aufwendig. Nun geht es darum, was und wer darauf zu sehen ist. Und es geht darum, wie die Inhalte und Handlungen tierschutzrechtlich und gegebenenfalls auch strafrechtlich zu werten sind. Das ist auch Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die unter Hochdruck erfolgen. Die Ergebnisse werden dann gutachterlich bewertet. Uns ist eine lückenlose Aufarbeitung aller Fakten sehr wichtig. Was in der gesamten Darstellung aus unserer Sicht aber zu kurz kommt: Wir haben erst seit 2019 konkrete Vorgaben, wie Schlachthöfe auch beim Thema Tierschutz zu kontrollieren sind. Tierschutz war bis dahin weitgehend außen vor. 2019 kam eine Eu-verordnung, nach der in Schlachthöfen regelmäßig, risikobasiert und stichprobenartig zu prüfen ist. Die Tierschutzkontrollverpflichtung liegt zudem in erster Linie beim Tierschutzbeauftragten des Betriebs. Dieser hat Verstöße zu dokumentieren und wir kontrollieren dies – Eigenkontrolle hat also Vorrang. Es war bisher also mitnichten so, dass ein Amtsveterinär vom Abladen des Schweins bis zur Wurst bei jedem Arbeitsgang danebensteht. Dazu wären wir personell auch gar nicht in der Lage.
Wie viel Personal fehlt Ihnen denn im Veterinäramt?
Holderried: Das ist ein Punkt, den wir seit Jahren beklagen: Die Stellen für die Amtsveterinäre werden uns vom Land zur Verfügung gestellt. Laut eines Organisationsgutachtens bräuchten wir zur optimalen Erledigung aller Aufgaben 13 Vollzeitstellen, derzeit haben wir aber gerade einmal acht Stellen. Und selbst dieses Personal steht uns aus diversen Gründen nicht vollumfänglich zur Verfügung. Das ist im Arbeitsalltag deutlich spürbar.
Wann kann der Schlachthof wieder öffnen?
Holderried: Wir haben dem Betreiber des Schlachthofs umgehend nach Schließung dargestellt, wo es klemmt und welche Dinge nicht rechtskonform laufen. Eine Wiedereröffnung ist deshalb daran geknüpft, dass die Dinge, die wir klar beschrieben haben, zuerst geändert werden. Außerdem brauchen wir ein Konzept, das dem Veterinäramt und auch dem Regierungspräsidium Tübingen darlegt, dass alle Abläufe im „System Schlachthof Biberach“tierschutzkonform ausgestaltet sind. Dann ist jederzeit eine Wiedereröffnung möglich. Derzeit ist aber die Unternehmerentscheidung offen, ob und gegebenenfalls wann der Betreiber dies beabsichtigt.
Kamen die von Ihnen beanstandeten Punkte erst durch die Videoaufnahmen der Soko Tierschutz ans Licht?
Holderried: Es gab am 23. November (einen Tag vor Veröffentlichung der
Vorwürfe durch die Soko Tierschutz; d. Red.) eine unangekündigte Kontrolle durch das Regierungspräsidium Tübingen und das Veterinäramt. Da sind bereits Dinge beanstandet worden, aber das Gros kam aus den Videoaufnahmen. Wohl auch deswegen gibt es seit Bekanntwerden der Vorwürfe im Schlachthof Biberach eine Verordnung des zuständigen Ministers, die besagt, dass es entweder eine lückenlose Kameraüberwachung der wichtigsten Vorgänge in Schlachthöfen geben muss oder aber eine entsprechende personelle Präsenz und Kontrolle durch das Veterinäramt.
Sehen Sie in der ganzen Sache Versäumnisse des Landratsamts?
Holderried: Das, was wir an Präsenz leisten konnten, haben wir geleistet. Weitere Verbesserungen in der Umsetzung erreichen wir aber nur durch den Einsatz von mehr Personal und Verbesserung der Rahmenbedingungen. Auch für eine Kameraüberwachung brauchen wir Personal, das minutiös die Aufnahmen sichtet und bewertet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt aktuell in alle Richtungen, das heißt sowohl gegen den Betreiber, die Mitarbeiter des Schlachthofs als auch gegen unser Haus. Da wird nun im Detail geprüft, wo Fehlverhalten vorgelegen haben könnte – und diese Ermittlungen müssen wir abwarten.
Schmid: Wir als Landkreis haben seit
Längerem ein Konzept erarbeitet, wie die Amtstierärzte bestmöglich von Verwaltungsaufgaben entlastet werden können, sodass sie ihren eigentlichen Aufgaben nachgehen können. Trotzdem reichen die uns momentan zur Verfügung stehenden Amtstierärzte bei Weitem nicht aus. 13 Stellen für Amtstierärzte bräuchten wir, acht Stellen haben wir, dazu kommen Langzeiterkrankungen und weitere Vakanzen, sodass uns nur etwa fünf Stellen zur Verfügung stehen. Wir werden deshalb dem Land gegenüber weiterhin deutlich artikulieren, dass diese Situation klar verbessert werden muss. Ob wir die zusätzlichen Stellen vom Land dann bekommen und ob wir diese vom Arbeitsmarkt her auch besetzen können, sind ganz andere Fragen. Aber man kann uns nicht immer noch mehr Aufgaben ins Stammbuch schreiben und uns dann am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Wichtig ist mir aber auch: Wenn ich mich in die Situation des Betreibers hineinversetze, ist das etwas, was mich ängstigt: Ich muss, um mich selbst und den Verbraucher zu schützen, noch mehr kontrollieren. Das bedeutet mehr Personal und damit auch entsprechende Kosten, die ich erwirtschaften muss. Hinzu kommen noch weitere technische Investitionen. Das sind große Herausforderungen, die zu stemmen sind – und das für einen relativ kleinen Schlachthof. Letztendlich muss der Verbraucher auch bereit sein, diese Mehrkosten beim Fleischpreis mitzutragen.
Haben Sie Einfluss auf eine Wiedereröffnung des Schlachthofs oder ist das eine rein unternehmerische Entscheidung?
Holderried: Das ist eine rein unternehmerische Entscheidung, die sicherlich von vielen Punkten abhängt. Tierschutz heißt auch möglichst keine langen Schlachttiertransporte. Wir haben deshalb auch ein Interesse, dass für die heimische Landwirtschaft regionale Schlachtkapazitäten vorhanden sind. Aber wir sind als Behörde nicht in der Situation, in die Rolle eines Betreibers wechseln zu können. Das wäre weder aus Wettbewerbssicht möglich noch wünschenswert. Wir können nur weiterhin unsere beratende Unterstützung anbieten.