Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Es geht nicht um Privilegien
Wer geimpft ist, darf shoppen, Freunde treffen, in den Urlaub fahren. Und die anderen: Müssen leider draußen bleiben. Eine solche Zweiklassengesellschaft auf Zeit ist nicht gerecht. Also lieber aus Prinzip auf Gerechtigkeit beharren? Bitte nicht. Denn das würde unnötig Existenzen gefährden. Vor allem wäre es rechtlich hochgradig fragwürdig.
Um ein verqueres Argument geradezurücken: Es geht hier nicht um das Gewähren von „Privilegien“für Geimpfte. Die Kontaktbeschränkungen sind ein tiefer Eingriff in die persönliche Freiheit, der überhaupt nur zu rechtfertigen ist durch die Gefahr, die von der Verbreitung des Virus ausgeht. Entfällt diese Gefahr, weil ein Geimpfter seine Mitmenschen aller Voraussicht nach nicht mehr anstecken wird, gibt es keine Grundlage mehr für Verbote. Dass in diesem Zusammenhang überhaupt von „Privilegien“die Rede ist, zeigt, wie bedenklich sich die Gewichte nach einem Jahr Pandemie verschoben haben.
Und ganz praktisch: Corona zwingt ganze Wirtschaftszweige in die Knie. Mit dem – bislang quälend langsamen – Fortschritt der Impfkampagne steigt die Zahl derer, die sich relativ gefahrlos wieder auf einen Schoppen in der Kneipe treffen oder ein langes Wochenende in einer Allgäuer Ferienwohnung verbringen könnten. Wie soll man den Menschen in der Gastronomie oder in der Tourismusbranche erklären, dass bei Einhaltung aller Hygienekonzepte noch nicht einmal geimpfte Menschen bewirtet oder beherbergt werden dürfen? Aus bloßer Prinzipienreiterei, um der Gerechtigkeit willen? Na, danke.
Ein Impfzwang besteht in Deutschland aus guten Gründen nicht. Auch nicht durch die Hintertür, wie manche in dieser Debatte argwöhnen. Jeder hat das Recht, sich nicht impfen zu lassen. Mit diesem Recht geht allerdings eine Pflicht einher: Man muss die Kontaktbeschränkungen noch etwas länger ertragen. Das ist nicht unzumutbar. Diejenigen, die dringend auf eine Impfung warten und noch nicht an der Reihe sind, müssen es ja auch tun.