Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gewerkschaften fordern Solidarität
Dgb-maikundgebung dreht sich um soziale Folgen der Pandemie
- Unter dem Motto „Solidarität ist Zukunft“hat der DGB am 1. Mai zur Kundgebung auf den Biberacher Marktplatz aufgerufen. Die etwa 150 Teilnehmer hielten sich an die Corona-regeln. Zwei Beamte beobachteten vom Polizeiauto aus das Geschehen und ein Rettungswagen des DRK stand für Notfälle bereit. Als Hauptredner trat Jonas Lang, Bezirksleiter der Industriegewerkschaft (IG) Bergbau, Chemie, Energie (BCE), auf.
Solidarität bedeute Zukunft, sagte Jonas Lang mit Verweis auf das Motto des DGB und der Gewerkschaften zum Tag der Arbeit. Das mache die Corona-pandemie wie ein Brennglas deutlich. „Indem wir zusammen stehen und aufeinander Rücksicht nehmen“, könnten die Schwächsten vor dem Virus geschützt werden. Und: Wenn am Ende die Reichsten der Reichen sich auch stärker an den aufkommenden Kosten beteiligten, „schaffen wir es, den zukünftigen Generationen keinen Schuldenberg zu hinterlassen“, betonte Lang. Die IG BCE setze sich für eine Reichensteuer und eine Vermögensabgabe ein. „Es kann am Ende nicht sein, dass die abhängig Beschäftigten mit höheren Steuern die Zeche bezahlen“.
Gewerkschaften sorgen für soziale Gerechtigkeit: „Überall dort, wo Tarifverträge gelten und sich Menschen in Gewerkschaften organisieren, sind wir auch in der Lage, gute Arbeitsbedingungen zu organisieren“, so der Bezirksleiter. Mit Blick auf die Pflegeberufe sagte er: „Es ist doch lächerlich, wenn nur Beifall geklatscht wird und am Ende tut sich nichts“. Aber die Pflegekräfte hätten es auch ein Stück weit selbst in der Hand, indem sie sich noch stärker in Gewerkschaften wie Verdi engagieren und organisieren, „statt immer nur darauf zu warten ‚was die da oben‘ so machen oder eben nicht“.
Der DGB sei stolz auf fast sieben Millionen Mitglieder in Deutschland. „Bei rund 40 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland muss es aber auch unser Anspruch sein, mindestens für die Hälfte eintreten zu können“. Hier seien alle gefordert, die Menschen noch verstärkt von der Notwendigkeit einer Gewerkschaftsmitgliedschaft zu überzeugen, warb der Bce-gewerkschafter. Bei den Bundestagswahlen stehe dieses Jahr einiges auf dem Spiel. Das sogenannte Betriebsrätemodernisierungsgesetz müsse kommen. Hier sei ein früherer Kündigungsschutz für Initiatoren von Betriebsratsneugründungen vorgesehen. Jede sechste Betriebsratsgründung werde von den Arbeitgebern verhindert, da brauche es unbedingt Nachbesserungen. Er ermunterte die Gewerkschafter, in Parteien mitzumischen. „Wenn wir ein Parlament haben, das überwiegend aus Juristen und Beamten besteht, brauchen wir uns nicht wundern, wenn diese die Sprache der Beschäftigten nicht mehr verstehen und unsere tatsächlichen Sorgen und Nöte nicht kennen“. Und: „Ob schwarz, grün oder rot, das ist mir egal“, die Partei müsse die freiheitlich demokratische Grundordnung in Deutschland akzeptieren, „was ich bei der AFD nicht als gegeben sehe“. Auch politisch zeige sich, dass Solidarität Zukunft bedeute. Durch gute Tarifabschlüsse und dadurch starke Lohnerhöhungen stiegen auch die Renten in Deutschland stärker. „Auch hier heißt es: Nur gemeinsam geht’s!“Die zündende und in freiem Vortrag gehaltene Rede von Jonas Lang wurde von den gut 150 Teilnehmern immer wieder mit Beifall unterstrichen.
Erster Bürgermeister Ralf Miller dankte in seinem Grußwort den Organisatoren für die Abhaltung der historischen Maikundgebung und den Besuchern, „dass Sie die Corona-regeln so vorbildlich einhalten“. Der Austausch untereinander, der in den letzten Monaten sehr gelitten habe, sei sehr wichtig. Die Pandemie habe die Stärken und Schwächen unseres Landes aufgezeigt und damit das Verhältnis zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft herausgefordert, so Miller. Solidarität sei sich des anderen anzunehmen, sich zu kümmern und zu helfen. „Das ist der Kitt und der Balsam für unsere Gesellschaft“.
Dgb-kreisvorsitzender Herbert Kasperek lobte bei seiner Begrüßung ebenfalls die Einhaltung der Regeln. „Wir sind keine Coronaleugner, sondern wir sind Betroffene und haben den Marktplatz bunt gemacht“, sagte er in Bezug auf die bunten Plastikhütchen am Boden, die die Abstände signalisierten und auf die roten Gewerkschaftsschirme. Nicht nur Corona, sondern auch andere Probleme würden es notwendig machen, dass Solidarität zu zeigen. „Nur, wenn wir solidarisch miteinander umgehen, sind wir in der Lage, Probleme wie Digitalisierung, Immobilität und den Wandel der Umwelt zu lösen“, sagte Kasperek.