Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Biberach fehlen bis zu 25 Millionen Euro
Heftiger Fehlbetrag bei der Gewerbesteuer könnte sich auf Geldbeutel der Bürger auswirken
- Es sind schlechte Nachrichten, die Oberbürgermeister Norbert Zeidler am kommenden Montag im Gemeinderat (ab 17 Uhr in der Gigelberghalle) verkünden wird. Das zu Jahresanfang noch prognostizierte Haushaltsloch von 5,7 Millionen Euro ist inzwischen auf bis zu 25 Millionen Euro angewachsen. Sollte sich die Situation nicht im Lauf des Jahres verbessern, will die Stadtverwaltung dem Gemeinderat Gegenmaßnahmen vorschlagen, die dann viele Biberacher im eigenen Geldbeutel spüren werden.
Hauptursache für diesen rasanten Sturz ist nicht die Corona-pandemie, sondern eine Gewerbesteuerrückzahlung von rund 30 Millionen Euro, die die Stadt Biberach für das Jahr 2017 zu viel erhalten hat. Dass dies nun so gekommen sei, liege nicht im Verantwortungsbereich der Stadt Biberach, die das Geld aber gleichwohl wieder abgeben müsse, so Zeidler gegenüber der SZ.
Verstärkt wird das Ganze noch durch die Corona-pandemie, die nun bei den Unternehmen in er Stadt angekommen sei. Einige der bisher gut positionierten Biberacher Unternehmen befänden sich noch immer in Kurzarbeit, „andere haben zur Stärkung der eigenen Liquidität die Gewerbesteuer-vorauszahlungen herabgesetzt“, sagt der OB. Der Gewerbesteuerausfall addiere sich so für 2021 aktuell auf rund 35 Millionen Euro. Dadurch reduzieren sich allerdings auch die Umlagen, die die Stadt an Kreis und Land zu entrichten hat, so dass es im Ergebnishaushalt bei einem Finanzloch zwischen 20 und 25 Millionen Euro bleibt.
„Wir hatten Jahre, in denen es finanzielle Ausreißer nach oben gab, nun geht es ausnahmsweise mal nach unten“, sagt Zeidler. Jüngste Gespräche mit den Unternehmen stimmten ihn optimistisch, dass sich der Ausfall in diesem Jahr in den nächsten Jahren wieder kompensieren lasse.
Die Corona-pandemie sorgt auch innerhalb der Stadtverwaltung für Einnahmeausfälle und zusätzliche Kosten. So fehlen Einnahmen infolge der ausgesetzten Kindergartengebühren, hingegen kosten die Corona-tests in Betreuungsund Bildungseinrichtungen Geld. Hier rechnet die Stadt mit Erstattungen durch das Land. Und obwohl die Kultureinrichtungen der Stadt seit Anfang November 2020 geschlossen sind, laufen die Personalaufwendungen
logischerweise weiter.
Die Liquidität der Stadt sei aber nach wie vor gut, so Zeidler. Laut Bericht der Stadtkämmerei betrug die ungebundene Liquiditäts- und Risikovorsorge zum 31. März 2021 rund 141 Millionen Euro.
Was auf den ersten Blick nach beruhigend viel Geld klingt, ist aber nur die eine Seite der Medaille. Denn die Stadt Biberach leistet sich auch vieles, das im Alltag Geld kostet. Und nach derzeitigem Stand ist sie nicht in der Lage, diese Ausgaben aus eigener Kraft zu erwirtschaften – daher das aktuelle Finanzloch. Und nur vom Ersparten zu leben, ist keine langfristige Strategie. „Wir stellen unsere Ampeln von grün jetzt auf orange“, meint Zeidler in Anspielung auf das Schützenfestkonzept.
Man werde die Entwicklung der Finanzen in den nächsten Wochen beobachten, so Zeidler. „Wenn bis Jahresmitte keine signifikanten Verbesserungen eintreten, müssen wir im Haushalt 2022 einige Maßnahmen ergreifen.“Dazu zählen neben einer Anpassung des Gewerbesteuersatzes von 300 auf 310 Prozentpunkte auch Bereiche , die viele Biberacher finanziell ganz direkt betreffen werden. „Die Verwaltung wird dann eine Erhöhung der Grundsteuer vorschlagen, ebenso den Wegfall des bereits beschlossenen kostenfreien dritten Kindergartenjahres“, kündigt Zeidler an.
Die Stadtverwaltung will ebenfalls ihren Beitrag leisten und ihre Ausgaben in allen Bereichen dauerhaft um drei Prozent reduzieren. Ausgenommen seien nur die Bereiche Kindergärten, Schulen sowie Maßnahmen zur Digitalisierung. Darüber hinaus sollen bei der Stadt in den nächsten drei Jahren keine neuen Stellen geschaffen werden. Ausgenommen ist auch hierbei der Betreuungsbereich, beispielsweise das Personal für die neu zu bauenden Kindergärten.
Ziel all dieser Maßnahmen soll sein, in Summe für 2022 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen sowie eine positive Perspektive für die Folgejahre zu haben. Verwaltung, aber auch Gemeinderat, seien also gefordert, Sparvorschläge zu machen. „Nicht alles, was wünschenswert ist, muss in Krisenzeiten angefangen oder umgesetzt werden“, heißt es in der Sitzungsvorlage, in der den Stadträten die aktuelle Finanzentwicklung dargelegt wird. „Das gilt auch für neue Projekte, die zurückgestellt oder auf ein vertretbares Maß reduziert werden müssen.“