Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wo die ersten Medaillen winken
2016 in Rio musste die deutsche Mannschaft lange auf das erste Edelmetall warten – In Tokio soll schon am ersten Wochenende ein Erfolg her
(dpa/sid) - Der historische Fehlstart des deutschen Teams bei den Olympischen Spielen in Rio ist nicht vergessen – auch wenn er durch die Verlegung der Tokio-spiele schon fünf Jahre her ist. An den ersten drei Tagen gab es keine Medaillen, seit der deutschen Wiedervereinigung war das nicht mehr geschehen. „Wir steigen in die Spiele mit langem Atem und Geduld ein“, sagte Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig über die brasilianische Hypothek und baute vor: „Olympische Spiele werden über zwei Wochen ausgetragen und wir bewerten sie nicht zwischendurch, sondern nach ihrem Abschluss.“
Immerhin werden am Wochenende schon 23 der 339 Wettbewerbe laufen, bei denen die Athleten des Team D je nach Auslosung an 15 bis 17 beteiligt sein werden. „Wenn es gut läuft, freuen wir uns. Wenn nicht, dann werden wir beharrlich an den Plänen für die verschiedenen Sportarten festhalten“, betonte Schimmelpfennig. Konkrete Vorhersagen zum möglichen Abschneiden seien nach 18 Monaten Pandemie, auch wegen der Absage zahlreicher Wett- und Titelkämpfe, kaum möglich. Es seien „Spiele, die einen gewissen Grad an Ungewissheit“hätten.
„Wir haben Athleten, die ihre Ziele haben“, sagte er. „Wir werden es nicht an Medaillenzahlen festmachen und haben keine Vorgaben. Die hatten wir schon in Rio und bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang nicht gehabt.“
Dennoch dürfte am Schlusstag die deutsche Bilanz mit denen der Vergangenheit verglichen werden: mit der von Rio, wo 42 Medaillen (17 Gold/10 Silber/15 Bronze) gewonnen wurden, und den 42 (11/20/13) von London 2012.
Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und Teamchef in Tokio, will nicht zu viel Pessimismus aufkommen lassen. „Wer die Athleten kennt, weiß, dass sie nicht nur nach Tokio reisen, um dabei zu sein, sondern um eigene schöne Erfolge zu erzielen“, sagte er. Beachvolleyballerin Laura Ludwig, die mit Patrick Hausding bei der Eröffnungsfeier als Fahnenträgerduo das deutsche Team anführte, bestätigte das: „Olympia ist einfach Olympia. Da sind alle Athleten, die seit vier, fünf Jahren darauf hinarbeiten, dass sie da die beste Performance liefern.“Eine Garantie für Erfolg oder einen Medaillengewinn ist das nicht, nicht nur zu Corona-zeiten. „Es gab Wettkämpfe, bei denen ich mit einer Superleistung oben gelandet bin, aber es gab auch Wettkämpfe, bei denen eine Superleistung nicht zu einem Podestplatz gereicht hat“, erklärte ihr Fahnenträger-partner Hausding vor seinem vierten Olympia-start im Wasserspringen. „Man kann keine Prognosen abgeben, am Ende entscheidend Millimeter und Millisekunden.“
Wenn sein Vorderrad am Ende nur einen Millimeter vor dem der Konkurrenz die Ziellinie überqueren würde, wäre Max Schachmann mehr als glücklich. Der Radprofi hat die erste Chance, das erste deutsche Edelmetall dieser Spiele zu gewinnen. Am Samstag will Schachmann, unterstützt vom Ravensburger Emanuel Buchmann, im olympischen Straßenrennen am Mount Fuji (4.00 Uhr MESZ/11.00 Ortszeit) seinen Traum erfüllen. Der 27-Jährige hatte extra die prestigeträchtige Tour de France ausgelassen – um alles der Medaillenjagd in Japan unterzuordnen. „Wenn ich im Finale dabei bin, muss ich meinem Renninstinkt folgen“, sagte Schachmann
Ebenfalls am Samstag (08.30 Uhr MESZ) greift Rio-olympiasieger Christian Reitz zur Luftpistole. Der Wettbewerb wird für den 34-Jährigen aber eher ein Anschießen, erst am 2. August gehört Reitz in seiner Spezialdisziplin mit der Schnellfeuerpistole zu den Medaillenanwärtern. Am Sonntag (4.15 Uhr MESZ) will Europameisterin Carina Wimmer mit der Luftpistole für Furore sorgen und sich eine Medaille sichern. Ebenfalls im Einsatz sein werden die Synchron-europameisterinnen Tina Punzel und Lena Hentschel vom 3-m-brett (8.00 Uhr MESZ) sowie die einzige deutsche Fechterin Leonie Ebert (13.45 Uhr MESZ). „Ich glaube, dass am Ende alles möglich ist“, sagte die 21 Jahre alte Florett-spezialistin. Die Bogenschützinnen um die Rio-zweite Lisa Unruh schielen im Teamwettbewerb am Sonntag (9.40 Uhr MESZ) aufs Podest.
Falls es an den ersten drei Tagen allerdings nicht mit einer deutschen Medaille klappen sollte, werden es spätestens die Reiter um die sechsmalige Dressur-olympiasiegerin Isabell Werth im Mannschaftswettbewerb am Dienstag wohl wieder richten. Wie schon vor fünf Jahren in Rio de Janeiro, als am vierten Tag das Vielseitigkeitsteam mit Silber den Bann gebrochen hatte.