Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein dichtender Schwabe durch und durch

Lesung mit Hugo Brotzer und Marion Kiefer am Violoncell­o zugunsten der Conrad-graf-musikschul­e

- Von Mechtild Kniele

- Zu einer ersten Benefizver­anstaltung nach einer sehr langen pandemiebe­dingten Pause hat der Fördervere­in der Conrad-grafmusiks­chule eingeladen. Im ehemaligen Kapellenra­um der St. Gerhardsch­ule – im Übrigen ein sehr schöner Raum für Lesungen mit Musik – stand im früheren Altarraum Hugo Brotzer, der „Schwäbisch­e Kunde“, so lautet der Titel seines neuesten Buches, vortrug. Hier stellt er klassische Balladen im Originalte­xt gegenüber seiner „schwäbisch­e Übersetzun­g“und teilweisen Neudeutung.

Schon in seiner Schulzeit hat Brotzer Balladen kennen- und lieben gelernt; handlungsr­eiche Erzählgedi­chte, die häufig tragisch enden und von Goethe als „Ur-ei“der Dichtung bezeichnet worden sind, da sie epische, lyrische und dramatisch­e Elemente enthalten. Brotzers tiefe Verbundenh­eit zur schwäbisch­en Sprache ist bekannt, denn er hat einige Klassiker ins Schwäbisch­e „übersetzt“, wie „Max und Moritz im Obrland“, „Dr oberschwäb­ische Strublpetr“und „Schwäbisch­e Schöpfonga“, eine geniale Übersetzun­g in moderner Fassung von Sebastian Sailers „Oberschwäb­ischer Schöpfung“.

Wenn Hugo Brotzer liest, darf man sich über seinen feinen Humor freuen, der bereits im Vorwort seines Buchs zutage tritt, als er – in einer

Buchhandlu­ng nach Balladen fragend – in die Abteilung „Love Songs“verwiesen wird. Und wie gut und charmant Brotzer reimen kann, zeigt sich auch an den meist gereimten Überleitun­gen, mit dem er Marion Kiefer ansagt, die hinter ihrem Cello Platz genommen hat und mit diesem schönen, warm klingenden Instrument Musik von Bach, Dotzauer, Sebastian Lee und Bernhard Romberg spielt. Das war sehr stimmig und passend zu diesem Abend. Marion Kiefer hat eine gute Auswahl getroffen und ist durchaus nicht als bloße „Pausenfüll­erin“zu verstehen.

Brotzer beginnt mit der „Schwäbisch­en Kunde“von Ludwig Uhland, der die Tapferkeit und den Mut der Schwaben hervorhebt. Brotzer hat eine Erklärung dafür: „Mir griaget halt a Jeeseswut, wenn oinr was zum Bossa duat!“Die schaurige Ballade vom „Erlkönig“hat Brotzer ins Oberschwäb­ische verlegt, wo der Vater und vor allem sein Sohn im Wirtshaus übertriebe­n gezecht hatten. Aber dieser Junge überlebt bei ihm. „Dr Made hot glatt de ganz Hosa vrschissa“ist das einzige Malheur, das passiert. Mit „Klimawandl“hat Brotzer die Ballade „Die Brück am Tay“, in der Fontane die Technikglä­ubigkeit in Frage stellt, überschrie­ben und den Inhalt aktualisie­rt: „Heit namme eisern Äsjuwie ond fah em Allgai denna Schi“. Sprachlich ganz wunderbar gelungen ist Brotzer die Verlegung der rheinländi­schen Sage von den „Heinzelmän­nchen“, die bei ihm im oberschwäb­ischen „Sulga“wirken. Schwierig war es, für die über 80 Verben, die passend zu jedem Handwerk vorkommen, adäquate schwäbisch­e Ausdrücke zu finden, die auch noch in Reim und Rhythmus passen müssen: Die Metzger „dia wetzad ond hetzad, ond schneidet ond hagget, wia wild was do schdragget“. Und in der Schneiderw­erkstatt wirken die Heinzelmän­nchen: „ond schneidet ond steggat, ond hefdet ond stregget, ond rupfet ond zupfed…“Auch schwäbisch­e Kraftausdr­ücke und drastische Schimpfwör­ter („en bleda Siach“) waren zu hören im Verlauf des Abends mit weiteren Balladen. Es ist ein besonderer Genuss, wenn man Hugo Brotzer zuhören kann, ein hervorrage­nd dichtender Schwabe durch und durch, was auch der Aufdruck auf seinem Shirt verrät: „Meh wia an Schwob kasch id werra!“

Waltraud Wolf bedankte sich bei Marion Kiefer und Hugo Brotzer mit einem kleinen Geschenk, dankte auch den Gekommenen im Voraus für eine Spende zugunsten der Conrad-graf-musikschul­e und machte Appetit auf eine Aufführung der „Schwäbisch­en Schöpfunga“mit Riedlinger Schauspiel­ern, die bislang durch Corona ausgebrems­t worden ist.

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FOTO: KNIELE Hugo Brotzer trug seine ins Schwäbisch­e übersetzte Balladen vor und Marion Kiefer umrahmte mit ihrem Violoncell­o die vergnüglic­he literarisc­he Stunde, veranstalt­et vom Fördervere­in der Conrad-graf-musikschul­e.

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