Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Noch lange kein Schlusspunkt
Dieser Richterspruch ist eindeutig. Beate Zschäpe, einzige Überlebende des Nsuterrortrios, muss lebenslang hinter Gittern, danach in Sicherheitsverwahrung. Der Bundesgerichtshof sieht es ebenso wie das Oberlandesgericht München als erwiesen an, dass sie an der Ermordung von zehn Menschen maßgeblich beteiligt war. Neun von ihnen Menschen mit Migrationshintergrund, eine die Polizistin Michèle Kiesewetter.
Mehr als 20 Jahre nach Beginn der beispiellosen rassistischen Mordserie ist damit ein wichtiger juristischer Punkt gesetzt. Nach der Entschuldigung von Kanzlerin Angela Merkel im Jahr 2012 ist auch das ein wichtiges Signal an die Angehörigen der Opfer und all jene Menschen in Deutschland, die sich wegen Herkunft oder Hautfarbe vor ähnlichen Taten fürchten.
Ein Schlusspunkt unter den Nsuskandal ist dieser Richterspruch nicht. Zum einen bleibt es ein Tiefpunkt in der Geschichte deutscher Sicherheitsbehörden, dass die Terroristen jahrelang weitgehend unbeachtet morden konnten, politische Motive viel zu lange ausgeschlossen wurden, Behörden Informationen untereinander nicht austauschten. Zum anderen sind viele der Probleme, die unter anderem der badenwürttembergische Untersuchungsausschuss aufdeckte, weiter ungelöst. Das zeigte sich auf fatale Weise beim Attentat des Islamisten Anis Amri auf den Berliner Weihnachtsmarkt. Verfassungsschutz, BKA sowie die jeweiligen Behörden der Länder wissen weiter zu wenig voneinander.
Absolut bezeichnend ist es, dass die Einführung einer länderübergreifenden Polizei-it stockt. Ambitioniert als „Polizei 2020“getauftes Projekt gestartet, wird eine von allen Landes- und Bundespolizeien leicht abzurufende Datenbank mit Informationen zu Straftätern oder Fahndungen nun eher 2030 fertig. Und das in Zeiten, in denen sich Menschen zunehmend im Internet radikalisieren und dort weltweite Netzwerke knüpfen. Wer auch immer die neue Bundesregierung stellt: die Sicherheitsbehörden bleiben Baustellen.