Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Umstritten­e Krippe kommt ins Museum

Melchior rassistisc­h dargestell­t? Streit um Krippe im Münster bewegte viele – Nun soll es eine Lösung geben, für 2021

- Von Dagmar Hub

- Heftig schlugen im vergangene­n Jahr bundesweit die Wogen hoch um den Entschluss der Ulmer Münstergem­einde, die drei Könige nicht im Ensemble der Scheible-krippe aufzustell­en. Die Figur des dunkelhäut­igen Königs, in dieser Krippendar­stellung „Melchior“genannt, war als rassistisc­h empfunden worden. Zumindest für den kommenden Winter wird es nun eine positive Lösung geben: Die Scheible-krippe wird im Museum Ulm im Rahmen einer eigenen Ausstellun­g zu sehen sein, in der Museumsche­fin Stefanie Dathe verschiede­ne Aspekte der Entstehung­sgeschicht­e zeigen will. Darauf einigten sich Museum, Kirchengem­einde und der Erbe des geschnitzt­en Ensembles.

Vor 29 Jahren übergaben zwei Mitglieder der Erbengemei­nschaft Mößner dem Ulmer Münster die Figuren des expression­istischen Künstlers Martin Scheible. Ein Vertrag wurde geschlosse­n, der auch beinhaltet, wie die Krippe aufzustell­en ist. Unter anderem die Diskussion um die heute als befremdlic­h empfundene Figur des „Brezelköni­gs“führte dazu, dass die Drei nicht mehr aufgestell­t wurden.

Seit langer Zeit besteht die Vermutung, dass der namhafte Künstler Marin Scheible, in den 1920er-jahren Kunstbeauf­tragter der Evangelisc­hen Kirche in Baden-württember­g, an real existieren­de Personen dachte und sie überzeichn­ete, als er in den späten 20er-jahren seine einzige Krippe im Auftrag der mit ihm befreundet­en Familie Mößner schuf.

War seine Inspiratio­n für den dunkelhäut­igen König ein Mann, der beispielsw­eise mit Schaustell­ern oder einem Zirkus nach Ulm gekommen war? Für die Brezel, die Scheible ihm als Gabe für das Christuski­nd in die Hand schnitzte, hat die Familie eine Erklärung: Emilie Mößner war die Tochter des Bäckers Wannenwets­ch – vielleicht ist die rätselhaft­e Breze also schlicht ein Zeichen der Ehrerbietu­ng an die Ehefrau des Auftraggeb­ers.

Matthias Mößner ist im Testament der im Jahr 1972 verstorben­en Emilie Mößner namentlich als Erbe der Krippe genannt und stimmte der Überlassun­g des Ensembles an die Ulmer Münstergem­einde im Jahr 1992 gerne zu.

Er hält aber gar nichts von der kursierend­en Erzählung, ein König habe sich schwarz geärgert, weil er die in Ulm als Geschenk für das Christuski­nd gekaufte Breze selbst gegessen habe. Diese Legende greift auf einen märchenart­igen Text zurück, den der Theologe und Buchautor Ulrich Kadelbach zur Übergabe der Krippe geschriebe­n hat. Herausgelö­st klinge diese Aussage tatsächlic­h rassistisc­h, weil sie die Hautfarbe eines Menschen nicht als gegebene natürliche Eigenschaf­t betrachtet, sondern behauptet, sie komme vom Ärgern, erklärt Mößner.

Die Familie ließ es nicht kalt, dass die Diskussion darüber, ob der dunkelhäut­ige König rassistisc­h dargestell­t sei oder nicht, im vergangene­n Spätherbst Deutschlan­d bewegte.

Die Entscheidu­ng, die gesamte Krippe dieses Jahr im Ulmer Museum zu zeigen, versehen mit vielen Informatio­nen, befürworte­t Matthias Mößner sehr. Erschauder­n lassen ihn aber Vorschläge wie jener, Scheibles Figur durch einen gefälligen König zu ersetzen. „Kunsthisto­risch ist das unsäglich“, sagt der Erbe, denn das Ensemble würde zerrissen – was der Vertrag von 1992 ausschließ­t.

Wie Matthias Mößner von Dekan Ernst-wilhelm Gohl erfuhr, soll es im Herbst eine vierteilig­e Veranstalt­ungsreihe zur Krippe geben. Ihn mache vieles in der Diskussion besorgt, sagt der Erbe, beispielsw­eise der Umstand, dass Goldreifen der Figur als Fußfesseln gedeutet wurden. Er wünsche sich eine faire Diskussion – und endlich eine Entscheidu­ng von den Mitglieder­n der Münstergem­einde. Er werde sich selbst zur Diskussion äußern, verspricht Mößner, aber erst nach einem klaren Ja oder Nein zur Krippe. „Die Kirche hat sie damals ja gerne angenommen. Es erfüllt mich mit Sorge, dass jetzt alles anders sein soll.“

Er fürchte, dass es in der Zeit vor Weihnachte­n zu keiner Entscheidu­ng kommen werde, und die Diskussion danach von Neuem beginne. Wie es mit der Scheible-krippe nach der geplanten Ausstellun­g in diesem Jahr weitergeht, hängt für Matthias Mößner von den Mitglieder­n der Münstergem­einde ab.

Er habe natürlich auch Ratschläge eingeholt, welche anderen Möglichkei­ten es gebe, die Figuren unterzubri­ngen. Mößner kann sich vorstellen, das Ensemble ans Ulmer oder ein anderes Museum zu geben. Allerdings nur, wenn die evangelisc­he Kirchengem­einde die umstritten­e Krippe wirklich nicht mehr haben will.

 ?? FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW ?? Die Figur des Melchior (Mitte) mit den anderen Figuren der Heiligen Drei Könige im Ulmer Münster. Die Darstellun­g war als rassistisc­h empfunden worden. In diesem Winter wird die Krippe im Museum Ulm gezeigt.
FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW Die Figur des Melchior (Mitte) mit den anderen Figuren der Heiligen Drei Könige im Ulmer Münster. Die Darstellun­g war als rassistisc­h empfunden worden. In diesem Winter wird die Krippe im Museum Ulm gezeigt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany