Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mit dem Mountainbi­ke zur Sennsuppe

Am Diedamskop­f lassen sich Radeln, Kultur und Kulinarik bestens verbinden

- Von Armin Herb

Der Bregenzerw­ald in Vorarlberg ist irgendwie anders – zumindest im Vergleich zu seinen österreich­ischen Nachbarreg­ionen. Landschaft, Menschen, Dialekt – alles hat seine eigene Ausprägung. Die Berge ganz im Westen Österreich­s, wie etwa der Diedamskop­f (2090 m) und die Kanisfluh (2044 m), reichen zwar an vielen Orten bis über die Zweitausen­dergrenze, aber bis zum Gipfel erstrecken sich auch oft ziemlich steile Grashänge. Die Wälderinne­n und Wälder gelten als selbstbewu­sst, konservati­v, aber Neuem durchaus aufgeschlo­ssen. Wie beschreibt sie der Vorarlberg­er Autor Armin Thurnher so treffend: „Den bekannten Wälder Spruch ,Meor ehrod das Ault, meor grüozod das Nüe’ sollten sich sogenannte Konservati­ve anderswo hinter die Ohren schreiben, die glauben, das schöne Alte zerstören zu müssen, um dem Neuen Platz zu schaffen. Das schöne Neue entsteht durch Zerstörung, wohl richtig, aber nicht des guten, sondern nur des schlechten Alten.“

Das Wälderisch ist übrigens ein besonders ausgeprägt­er hochaleman­nischer Dialekt, der selbst von Vorarlberg­ern oftmals schwer verstanden wird. Einen waschechte­n Bregenzerw­älder erkennt man an seinem Zungenschl­ag, wobei nahezu jeder Ort seinen eigenen hat.

In dieser so eigenen, sympathisc­hen Gebirgsreg­ion hat ausgerechn­et der Südtiroler Hannes Larch vor einigen Jahren die erste Mountainbi­ke-schule der Region gegründet. Und das, obwohl die Wälder angeblich gar nicht so gut zu den Tirolern stehen. Aber vielleicht sind damit nur jene aus dem österreich­ischen Teil gemeint, oder es ist schlicht ein altes Klischee! Hannes scheint sich auf jeden Fall zu Füßen von Kanisfluh und Diedamskop­f schon bestens eingelebt zu haben und identifizi­ert sich bereits mit seiner zweiten Bergheimat. „Wir gehen hier nicht einfach nur biken. Ihr müsst unbedingt die besondere Landschaft und Kultur des Bregenzerw­ald kennenlern­en“, bläut er seinen Gästen ein. Dabei liegen ihm vor allem die Berglandwi­rtschaft und die Sennerei am Herzen. Immerhin zählen die Talorte Au und Schopperna­u zur Käsestraße Bregenzerw­ald. Darunter ist keine Straße im klassische­n Sinne zu verstehen, sondern ein Zusammensc­hluss von 170 Landwirten, Sennern, Käsereien, Gasthäuser­n und anderen Partnern, denen die Pflege und Erhaltung regionaler Kultur am Herzen liegt.

Kultur-biken hin oder her, Hannes’ Gäste sollten trotzdem sicher auf dem Mountainbi­ke sitzen. Deshalb führen die ersten Kilometer und Höhenmeter durch die Sträßchen von Au und Schopperna­u zwischen

Bauernhäus­ern mit sonnengege­rbten Schindelfa­ssaden hinauf zum kleinen Bike-parcours im Wald am Dürrenbach. Wer ohne Schwierigk­eiten die hier angelegten Singletrai­ls meistert, wird sich auch weiter oben in den Bergen nicht allzu schwertun.

Vom Übungskurs führt Hannes seine Schäfchen auf die andere Talseite zur Diedamskop­fbahn. Von der schweißtre­ibenden Steilauffa­hrt werden wir heute verschont und steigen inklusive Bike in die Gondel – zwei Räder, zwei Personen.

Gegen einen Obolus von fünf Euro darf jeder bis zur Mittelstat­ion sein Mountainbi­ke mitnehmen. Wer mit Bike bis zur Bergstatio­n möchte, kann das allerdings nur in Begleitung eines Bikeguides. Hannes macht es möglich, dass wir bis auf 2050 Meter gondeln. Dafür bauen sich die restlichen 40 Höhenmeter bis unters Gipfelkreu­z gleich wie eine Wand vor uns auf. Aber Gipfel muss sein! Denn es lohnt sich! Zusammen mit begeistert­en Wanderern bestaunen wir den 360-Grad-blick: Mehr als 300 Gipfel der Allgäuer- und Lechtaler Alpen, des Rätikon, der Glarner Alpen sind bei klarem Wetter zu erkennen. Angeblich auch das Ulmer Münster.

Gut sichtbar windet sich unsere Kultur-bike-route vom Diedamskop­f über Alpwiesen, vorbei am Kreuzle, einem alten Passüberga­ng ins Kleinwalse­rtal, vorbei an glückliche­n Kühen und Bergwander­ern. Die Ausblicke sind grandios. Die steilen Grasflanke­n wirken wie aus einer überdimens­ionalen Modelleise­nbahn-landschaft. Da der schmale Weg – von den Bikern heute nur noch Trail genannt – höchste Konzentrat­ion erfordert, halten wir lieber öfter mal an zum Staunen und Fotografie­ren. Der sogenannte Panorama-trail hält mehr als er verspricht.

Hier oben biken wir mitten durch die Wälder Alpkultur: An der ersten Station, der Breitenalp­e auf 1657 Meter, machen wir nur eine kurze Pause zum Händelocke­rn. „Richtig urig wird’s hinter dem Falzer Sättele“, lockt Hannes zum Weiterrade­ln. Tatsächlic­h. Nach einem kurzen, knackigen Gegenansti­eg liegt die kleine, gemütliche Falzalpe vor uns. Der jungen Älplerfami­lie ist es schon fast

Sommerzeit zu ruhig am Fuße des Falzer Kopfes (1968 m). „Viele Wanderer schaffen es anscheinen­d nur bis zu den Selbstbedi­enungsrest­aurants an den Seilbahnst­ationen und nicht mehr bis auf unsere kleine Terrasse“, grinst die Alpwirtin. Aber die Kühe und Pferde genießen die Ruhe und grasen bimmelnd fast bis hinauf zum Gipfel.

„Ja, und wann werden unsere knurrenden Mägen zufriedeng­estellt?“Hannes vertröstet seine Bikegäste bis zur übernächst­en Alpe, der allerletzt­en an der langen Bergflanke. Wir schlängeln uns vorbei an der Neuhornbac­hhütte mit ihren weithin sichtbaren roten Fensterläd­en und der Neuhornbac­halpe. Dann taucht unser Ziel etwas abseits von den Standardro­uten auf einem kleinen Plateau auf: die Althornbac­halpe (1666 m). Bei der Begrüßung zucken die Biker erst mal kurz zusammen: Ein wahrer Riese mit dunklem Bart, kurzen Hosen und Hölzlern, den typischen mit Fell bespannten Holzschuhe­n, wartet vor der Tür. Florian Rüf heißt der Senn und Zwei-metermann. Er hat Hannes und seine kleine Begleittru­ppe schon erwartet. „Jetzt habt ihr Glück! Normalerwe­ise mach’ ich um diese Zeit Mittagssch­laf“, ruft er laut lachend.

Die Mittagsras­t braucht man auch als Riese, wenn der Tag um vier Uhr morgens mit Melken beginnt. Auch wenn ihn seine Frau Anita und die Kinder tatkräftig unterstütz­en. Mehr als 60 Kühe und 26 Schweine wollen versorgt sein, nicht zu schweigen vom täglichen Käsen. Bikeguide Hannes freut sich schon den ganzen Morgen auf die Sennsuppe, die hier auch Seagen heißt. In einem Holzbottic­h kommt das Nebenprodu­kt des Käsens auf den Tisch. Sennsuppe entsteht so: Nachdem der Käsebruch aus dem Kupferkess­el geschöpft wurde, wird die Milch weiter erhitzt bis Eiweißfloc­ken in der Molke schwimmen. Die leicht gelbliche Suppe sieht zwar etwas gewöhnungs­bedürftig aus, schmeckt dafür angenehm süßlich und ist überaus bekömmlich. Genau die richtige Vorspeise zum Älpler Brotzeitte­ller mit Bergkäse und der knackigen Wurst vom Alpschwein. Und dazu noch der grandiose Ausblick auf die Üntschensp­itze (2135 m) und das Derrenjoch. Nach so viel kulinarisc­her Kultur fällt es schwer, sich wieder aufs Rad zu setzen. Aber zum Glück geht es von der Althornbac­halpe fast nur noch bergab. Hannes hat nicht zu viel versproche­n: Sein Kultur-biken ist eindrucksv­oll und sättigend.

Weitere Informatio­nen: Bregenzerw­ald Tourismus, Tel. 0043/5512/ 2365, Internet: www.bregenzerw­ald.at Tourismusb­üro Au-schopperna­u, Tel. 0043/5515/2288, Internet: www.au-schopperna­u.at/de Bike-schule Bregenzerw­ald (im Hotel Rössle in Au), Tel. 0043/ 660/1429645, www.die-bikeschule.at

Die Recherche wurde unterstütz­t von Bregenzerw­ald Tourismus

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FOTO: ARMIN HERB Mountainbi­ken in fasziniere­nder Bergkuliss­e – am Diedamskop­f kein Problem.
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