Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Packesel wird zum Politikum

Die Grünen wollen künftig private Lastenräde­r kräftig fördern – Manche Kommunen sind schon weiter

- Von Stefan Fuchs, Theresa Gnann und dpa

- Raus aus dem Auto und rauf aufs Lastenrad: Die Grünen wollen mit einer Förderpräm­ie von 1000 Euro den privaten Kauf von Lastenfahr­rädern unterstütz­en. Was sagen andere Parteien dazu – und welche Fördermögl­ichkeiten gibt es bereits?

Das sind Lastenräde­r

Lastenräde­r sollen den Transport von größeren Objekten mit dem Fahrrad ermögliche­n. Die Räder gibt es dafür in verschiede­nen Varianten, als „Long John“mit einer Ladefläche zwischen Lenker und Vorderrad, als „Backpacker“mit langgezoge­nem Gepäckträg­er oder als „Trike“mit drei Rädern. Die günstigste­n Modelle sind ab etwa 1500 Euro zu haben. Wer einen E-antrieb oder ein hochwertig­eres Rad haben möchte, muss deutlich tiefer in den Geldbeutel greifen.

Das können sie

Das Kind zur Kita bringen, den Bierkasten nach Hause fahren oder Bretter im Baumarkt abholen – dank des größeren Stauraums sollen Lastenräde­r vor allem Autofahrte­n ersetzen. Rund die Hälfte der Nutzer von Mietlasten­rädern würde den Transportw­eg sonst mit dem Auto zurücklege­n, sagt der Fahrradclu­b ADFC. Befürworte­r sagen außerdem: Lastenräde­r sind gesund, sowohl für die Menschen als auch für die Umwelt. Sie fahren Co2-neutral und sollen bei der Mobilitäts­wende helfen. Aber: Bei engen Fahrradweg­en kann es schwer sein, voranzukom­men. Auch beim Fahrverhal­ten ist Vorsicht geboten: Fahrer sollten sich nicht zu scharf in die Kurve legen. Hat das Lastenrad keinen E-antrieb, kann es bei längeren Strecken zudem schnell anstrengen­d werden.

So viele werden verkauft

Im Jahr 2020 sind nach Angaben des Zweirad-industrie-verbands rund 103 200 Lastenräde­r in Deutschlan­d verkauft worden. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum wurden insgesamt mehr als fünf Millionen Fahrräder und E-bikes verkauft.

Das sagt die Politik

Grünen-kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock will 1000 Euro Zuschuss beim Kauf von privaten Lastenräde­rn. Damit könnten auch Menschen, die keinen Führersche­in hätten oder nicht Auto fahren wollten oder könnten, etwa ihre Einkäufe nach Hause bringen. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) hält von einer Kaufprämie dagegen wenig: „Wir haben ja kein Problem

mit dem Absatz von Fahrrädern, der ist auf Rekordnive­au.“Der Bund müsse seine Investitio­nen auf den Ausbau des Radwegenet­zes konzentrie­ren. Auch Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) reagiert skeptisch auf den Vorschlag: Der Bund fördere längst Lastenräde­r, und zwar für Freiberufl­er, Betriebe, Vereine oder Kommunen.

Rückenwind erhält Baerbock unter anderem von einem Parteifreu­nd aus Baden-württember­g. „Wir fänden es gut, wenn der Bund den Kauf von Lastenräde­rn fördert und damit dafür sorgt, dass weniger mit dem Auto in Städten und Gemeinden gefahren wird“, sagt Südwest-verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Besonders für Familien mit Kindern sind Cargo-bikes eine gute Sache. Besonders die Kinder haben viel Freude damit und lernen ganz nebenbei ein umweltfreu­ndliches Verkehrsmi­ttel kennen.“Thomas Dörflinger, verkehrspo­litischer

Sprecher der Cdu-fraktion im Landtag und Abgeordnet­er für den Wahlkreis Biberach, äußert sich dagegen zurückhalt­end und verweist auf den grün-schwarzen Koalitions­vertrag. „Mit dem Regierungs­partner haben wir im Koalitions­vertrag eine Reihe von Maßnahmen für eine nachhaltig­e und moderne Mobilität in unserem Land vereinbart“, sagt Dörflinger. „Wir möchten den Fokus prioritär auf die Abarbeitun­g der zur Umsetzung vorgesehen­en Maßnahmen legen.“

Diese Fördermögl­ichkeiten gibt es bereits

Zusätzlich zur Förderung des Bundes kann auch bei einigen Ländern ein Zuschuss beantragt werden. Das baden-württember­gische Verkehrsmi­nisterium etwa fördert E-lastenräde­r für Kommunen, Unternehme­n, Vereine oder gemeinnütz­ige Organisati­onen mit maximal 2500 Euro pro Rad. Seit 2007 wurden so mehr als 2700 E-lastenräde­r mit einer Gesamtförd­ersumme von rund 3,9 Millionen Euro bewilligt.

Städte wie Stuttgart, Tübingen, Mannheim, Friedrichs­hafen oder Ravensburg haben zusätzlich eigene Förderprog­ramme aufgelegt. „Die Stadt hat damit eine Lücke geschlosse­n, weil es bislang keine Förderung für Privatpers­onen gab“, sagt Julia Zyler, Projektlei­terin nachhaltig­e Mobilität der Stadt Ravensburg. Seit Beginn der Förderung im Dezember 2020 seien neun Förderantr­äge eingegange­n. „Das Modell ist bislang nicht sehr bekannt“, sagt Zyler. „Deshalb würden wir uns über ein bundesweit­es Förderprog­ramm freuen, auch wenn unser eigenes dadurch hinfällig würde.“

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FOTO: RIEDL/DPA Bislang werden vor allem Lastenräde­r für Unternehme­n gefördert.

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