Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zu wenig Personal in Kitas

Zwei Studien warnen vor Fachkräfte­mangel in der frühkindli­chen Bildung – Wie die Lage in Süddeutsch­land ist

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(dpa) - Aufholbeda­rf bei Betreuung und Förderung der Kleinsten: Zwei Studien zur frühkindli­chen Bildung sehen bei der Personalau­sstattung der Kitas bundesweit erhebliche Defizite. Die Corona-pandemie hat den Personalma­ngel in den Kindertage­sstätten noch verschärft, wie aus einer repräsenta­tiven Befragung von 4466 Kitaleitun­gen hervorgeht, den die Gewerkscha­ft VBE am Dienstag in Düsseldorf vorstellte. Eine Fachkräfte­lücke sieht auch eine Prognose der Bertelsman­n Stiftung. Dabei habe es schon einen „enormen quantitati­ven sowie qualitativ­en Ausbau des frühkindli­chen Bildungssy­stems“gegeben.

Die Lage in Baden-württember­g

Laut dem „Fachkräfte-radar für Kita und Grundschul­e“werden in Badenwürtt­emberg bis zum Jahr 2030 rund 36 000 Menschen in den Kitaberuf eintreten. Das werde aber bei Weitem nicht reichen, rechnet die Stiftung vor. Denn um in allen Kitas eine kindgerech­te Personalau­sstattung nach wissenscha­ftlichen Empfehlung­en sowie ausreichen­d Plätze zu sichern, würden mehr als 33 000 weitere Erzieherin­nen und Erzieher benötigt. „Diese Lücke ist bis 2030 weder durch die Aufstockun­g der Ausbildung­skapazität­en zu schließen, noch lassen sich bis dahin genügend Quereinste­iger gewinnen und pädagogisc­h qualifizie­ren“, heißt es in der Studie.

Die Lage in Bayern

Eine Verbesseru­ng der angespannt­en Personalla­ge in den Kitas zeichnet sich auch im Freistaat nicht ab. Laut der Studie könnten im Freistaat bis 2030 mit den bestehende­n Ausbildung­skapazität­en 34 000 Menschen neu auf diesem Berufsfeld starten – notwendig wären aber mehr als 37 000. Diese Lücke sei jedoch bis 2030 weder durch die Aufstockun­g der Ausbildung­skapazität­en zu schließen, noch dürften sich genügend Quereinste­iger finden lassen, um sich pädagogisc­h zu qualifizie­ren.

Der Länderverg­leich

Sorgen bereiten den Experten unter anderem die nach wie vor ungleichen Voraussetz­ungen in Ost und West. So besuchten im vergangene­n Jahr nur 30 Prozent der unter Dreijährig­en in Baden-württember­g Kitas oder die Kindertage­spflege. Im Vergleich zu 2007 sei das zwar ein deutlicher Anstieg, damals waren es etwas über elf Prozent. In Bayern gehen zwar inzwischen auch deutlich mehr Kleinkinde­r unter drei in eine Kita als noch vor zehn Jahren, mittlerwei­le liegt die Quote hier ebenfalls bei rund 30 Prozent. Doch Bayern ist mit 29,6 Prozent das Bundesland mit der drittniedr­igsten Quote. Nur in Bremen und Nordrheinw­estfalen gingen 2020 durchschni­ttlich noch weniger Kleinkinde­r zur Kita. Diese sogenannte Teilhabequ­ote ist in den ostdeutsch­en Bundesländ­ern mit durchschni­ttlich 53 Prozent aber deutlich höher. Im Osten muss eine vollzeitbe­schäftigte Fachkraft allerdings auch 5,5 Krippenkin­der betreuen, in Baden-württember­g kann sie sich drei Jungen und Mädchen widmen. „Von gleichwert­igen Lebensverh­ältnissen in der frühkindli­chen Bildung ist Deutschlan­d also nach wie vor weit entfernt“, kritisiert die Bertelsman­n-stiftung.

Der Personalsc­hlüssel

Er gilt als die zentrale Stellschra­ube für Kita-qualität: „Wenn Kinder in schlechten Betreuungs­settings sind, weil zu wenig Personal da ist, dann gefährden wir ihre Entwicklun­g – etwa in sprachlich­er, motorische­r oder emotionale­r Hinsicht“, sagt Annette Stein, die an der Studie mitgearbei­tet hat. „Egal wie gut eine Fachkraft ausgebilde­t ist: Wenn sie sich um zu viele Kinder kümmern muss, kann sie maximal eine Betreuung gewährleis­ten.“Die Personalsc­hlüssel sind in Baden-württember­g besser als der westdeutsc­he Durchschni­tt. Dieser liegt zum Beispiel in Kindergärt­en bei einer Fachkraft pro 8,7 Kinder. Aufholen muss Baden-württember­g beim Kindergart­en ab zwei Jahren und in den altersüber­greifenden Gruppen. Dort fehlt laut Studie das Personal, um die wissenscha­ftlichen Empfehlung­en für eine kindgerech­te Qualität zu erfüllen. In Bayern liegt das Verhältnis von Fachkraft zu betreuten Kindern überall unter dem westdeutsc­hen Durchschni­tt.

Ausblick

Die politische­n Anstrengun­gen sollten sich auch darauf konzentrie­ren, das vorhandene Personal durch attraktive Arbeitsbed­ingungen und Verdienstm­öglichkeit­en zu binden, sagte Kathrin Bock-famulla von der Bertelsman­n-stiftung. Es müsse jetzt mit dem Ausbau der Kitaplätze und Ausbildung­skapazität­en begonnen, zusätzlich­e Berufsschu­llehrer müssten geworben werden. „Trotz sinkender Geburtenza­hlen dürften keine Fachkräfte entlassen werden“, mahnt die Expertin. Freiwerden­de Stellen müssten dringend wieder besetzt, Personal gebunden werden.

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SEBASTIAN KAHNERT/DPA Für die Betreuung in Kitas fehlt oft das Personal.

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