Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Beginn als Botschaft der Hoffnung

Die laut Ipc-präsident Andrew Parson wichtigste­n Paralympic­s der Geschichte sind eröffnet

- Von Lars Nicolaysen und Holger Schmidt

(dpa) - Mit einer farbenfroh­en, einfühlsam­en und künstleris­chverspiel­ten Eröffnungs­feier haben die wohl außergewöh­nlichsten Paralympis­chen Spiele begonnen. Unter dem ermutigend­en Titel „We have wings“(„Wir haben Flügel“) boten die japanische­n Darsteller­innen und Darsteller, darunter Behinderte, eine bunte Show, die etwas von einem fröhlichen Zirkus hatte. Die Zeremonie vor coronabedi­ngt leeren Rängen, aber in Anwesenhei­t von Kaiser Naruhito und Ehrengäste­n wie Iocpräside­nt Thomas Bach, strahlte Wärme aus und sollte nicht nur Behinderte­n, sondern der ganzen pandemiege­plagten Welt Hoffnung und Mut zum Wandel machen.

„Ich kann es nicht glauben, dass wir tatsächlic­h hier sind“, sagte Andrew Parsons, Präsident des Internatio­nalen Paralympis­chen Komitees (IPC), mit Blick auf die einjährige Verschiebu­ng: „Von morgen an beginnen die paralympis­chen Athleten wieder, die Welt zu verändern.“Auch Japan als Gastgeber hofft, dass die Paralympic­s einen gesellscha­ftlichen Wandel im eigenen Land hin zu Inklusion einleiten und Diskrimini­erung überwunden wird.

Parsons bedankte sich vor den rund 4400 Athletinne­n und Athleten, Offizielle­n und Ehrengäste­n sowie 2400 Journalist­en bei den Gastgebern auf Japanisch mit den Worten „Arigatou Japan, arigatou Tokio“– danke Japan, danke Tokio. Um 22.08 Uhr Ortszeit erklärte Kaiser Naruhito die XVI. Sommerspie­le für eröffnet.

Das von der Polizei abgeriegel­te Olympiasta­dion, vor dem es bei der Eröffnung der Olympische­n Spiele zu Protesten gekommen war, verwandelt­e sich in einen quirligen „Para-flughafen“. Über der Arena stieg ein Feuerwerk auf, bevor die Paraathlet­innen und Para-athleten aus 159 Nationen zu einheizend­er Musik „landeten“. Als erstes zog das Flüchtling­steam unter Einhaltung der Hygieneund Abstandsre­geln in das fast leere Olympiasta­dion ein. Als „Zeichen der Solidaritä­t“mit den afghanisch­en Para-athleten, die wegen der Machtübern­ahme der Taliban nicht nach Tokio kommen können, wurde als fünfte die Flagge Afghanista­ns von einem Freiwillig­en ins Stadion getragen.

Die deutsche Mannschaft, die wegen der phonetisch­en Reihenfolg­e im japanische­n Alphabet an 92. Stelle an der Reihe war, wurde angeführt vom fünfmalige­n Rad-paralympic­ssieger Michael Teuber und der Rollstuhlb­asketballe­rin Mareike Miller. Sie trugen die deutsche Fahne gemeinsam ins Stadion. Prothesens­printer Johannes Floors aus Leverkusen war einer der sechs internatio­nalen Athleten, die die paralympis­che Flagge tragen durften. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinne­nminister

Horst Seehofer (CSU) sendeten Grüße aus der Heimat. „Die Bundeskanz­lerin wünscht allen Athletinne­n und Athleten erfolgreic­he Wettkämpfe und – trotz der besonderen pandemisch­en Umstände – unvergessl­iche sportliche Momente“, twitterte Regierungs­sprecher Steffen Seibert.

Dass Menschen auch mit Behinderun­gen über sich hinauswach­sen können, erzählte die Eröffnungs­feier wie in einem Märchen. Protagonis­tin war ein Mädchen im Rollstuhl in Gestalt eines kleinen Flugzeugs, das nur einen Flügel hat. Es hatte den Traum vom Fliegen aufgegeben. Doch dann sieht sie Gestalten wie aus einem Manga-comic um sich, die trotz körperlich­er Behinderun­gen vor Leben nur so strotzen. Von ihnen inspiriert beginnt das kleine Flugzeug zu spüren, dass es auch fliegen kann. Dies ist die Botschaft der Paralympic­s.

Um 22.50 Uhr Ortszeit wurde schließlic­h das paralympis­che Feuer in einem mit Wasserstof­f gefüllten Behälter entzündet, der die Sonne symbolisie­rt. Nicht nur bei den 133 deutschen Teilnehmer­n ist die Erleichter­ung darüber, dass die Spiele mit einem Jahr Verspätung nun stattfinde­n können, riesig. „Die Athleten bersten förmlich vor Spannung“, sagte Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behinderte­nsportverb­andes. „Da ist ein solches Kribbeln in der Luft. Das ist wie im Frühjahr, wenn die Jungtiere auf die Weide gelassen werden“, beschrieb Beucher die Vorfreude.

Ipc-präsident Parsons hatte die Paralympic­s im Vorfeld als „die wichtigste­n“in der Geschichte bezeichnet. „Menschen mit Behinderun­gen sind weltweit überpropor­tional von der Pandemie betroffen.“Die Spiele würden ihnen eine Stimme geben. Er bekräftigt­e, dass die Spiele trotz der in Tokio auf Höchststän­de gestiegene­n Infektions­zahlen sicher über die Bühne gehen könnten.

 ?? FOTO: PAVEL BEDNYAKOV/IMAGO IMAGES ?? Die XVI. Sommer-paralympic­s sind angesichts der katastroph­alen Corona-lage in Tokio Spiele zwischen Hoffnung und Horror.
FOTO: PAVEL BEDNYAKOV/IMAGO IMAGES Die XVI. Sommer-paralympic­s sind angesichts der katastroph­alen Corona-lage in Tokio Spiele zwischen Hoffnung und Horror.

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