Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Unkonventionell und wichtig
Nun steht also eine Impfaktionswoche bevor. Und das ist auch gut so. Denn während Länder wie Irland, Dänemark, Portugal, Spanien oder Frankreich immer höhere Impfquoten erreichen, tritt die deutsche Impfkampagne quasi auf der Stelle. Was die Gefahr erhöht, dass sich in Herbst und Winter die Kliniken und ihre Intensivstationen erneut bedenklich füllen – diesmal aber mit vergleichsweise jungen Erwachsenen. Auch infizieren sich immer mehr Kinder unter zwölf Jahren. Die haben allen bisherigen Erkenntnissen zufolge zwar gemeinhin keine großen Probleme zu erwarten, aber auch hier gibt es ein Risiko für schwere Verläufe, bei Vorerkrankungen sowieso.
Will man hierzulande das 85-Prozent-ziel des Robert-koch-instituts bei jenen Teilen der Bevölkerung, die aktuell geimpft werden können, noch erreichen, fehlen fast zwölf Millionen Menschen. Jens Spahn hat das Ziel ausgegeben, zumindest fünf Millionen davon noch zu erreichen. Da wird es höchste Zeit, es noch einmal mit unkonventionellen Angeboten zu versuchen.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist das Engagement des Handelsverbands. Schließlich geht quasi täglich jeder zweite Deutsche in ein Geschäft, ist also gut ansprechbar. Natürlich hat der Handel, gerade der, der nicht Lebensmittel verkauft, ein großes Interesse daran, dass es nicht wieder zu Zwangsschließungen kommt, was massive Umsatzeinbrüche verursacht. Aber durch die flächendeckende Präsenz des Einzelhandels besteht auch die Chance, sich quasi nebenbei beim Einkauf immunisieren zu lassen – zum Teil übrigens versüßt mit Einkaufsgutscheinen. Eine Win-win-situation.
Interessant ist zweifellos auch, was der Handel bei eigenen Kundenbefragungen herausgefunden hat, nämlich etwa, dass mehr als die Hälfte der bisher Ungeimpften organisatorische Probleme als Begründung für die noch nicht erfolgte Immunisierung angibt. Das kann man verstehen oder auch nicht – es ist eine Realität, auf die man mit diesen Angeboten reagieren kann. Es könnte sich lohnen.