Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Nato-hauptquartier feiert – nur eine fehlt
Ulmer Jsec-kommando ist voll einsatzbereit – Doch wo war Annegret Kramp-karrenbauer?
- Das Ulmer Nato-kommando JSEC (Joint Support and Enabling Command) ist jetzt voll einsatzbereit. Bis zu 400 Soldaten mehrerer Nato-nationen sollen künftig von der Wilhelmsburgkaserne aus Truppenund Materialverlegungen quer durch ganz Europa organisieren. Ulm hat damit ein Nato-hauptquartier – was am Mittwoch mit großem Brimborium im Congress-centrum (CCU) gefeiert wurde. Nur eine glänzte durch Abwesenheit.
Geschickt umschiffte der Ulmer Wilhelmsburg-kommandeur Jürgen Knappe die Frage, ob er enttäuscht sei, dass es die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Krampkarrenbauer (CDU) trotz ursprünglicher Ankündigung nicht geschafft hatte, den Festakt zu besuchen. Er freue sich sehr, sagte Knappe – Ranghöchster deutscher General südlich der Main-linie –, dass sich an Kramp-karrenbauers Stelle der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn die Ehre gab. Außerdem habe „AKK“das Ulmer JSC (wird ausgesprochen als „tschaiseck“) bereits im Frühjahr kurz besucht.
Hinter vorgehaltener Hand machten Ulmer Soldaten dennoch ihrer Enttäuschung Luft. Immerhin kommt es nicht alle Tage vor, dass in Deutschland die Inbetriebnahme eines Nato-hauptquartiers gefeiert wird. Zu den Gründen der Absage konnte (oder wollte) Knappe nichts sagen, allerdings scheint es in Reihen der Truppe ein offenes Geheimnis zu sein, dass das neue Ulmer Jseckommando nicht unbedingt als
Lieblingskind der amtierenden Verteidigungsministerin gilt.
Der Grundstein des Kommandos, das rund 400 Planstellen vorsieht, von denen bereits 220 besetzt sind, wurde von den Nato-verteidigungsministern im Jahr 2018 gelegt. Damals in Deutschland am Ruder: Ursula von der Leyen. Ulm wurde ausgewählt wegen seiner strategisch günstigen Lage mitten in Europa.
Die mit Abstand salbungsvollsten Worte bei dem Event, bei dem offiziell die „FOC“des JSEC gefeiert wurde, die „full operational capability“(die volle operative Einsatzfähigkeit), fand der „Boss“von General Jürgen Knappe. Us-general Tod Wolters, oberster Befehlshaber der Nato-truppen in Europa, lobte im
Einstein-saal des CCU vor allem Deutschland über den grünen Klee.
Deutschland (eine „great, great Nation“) sei ein großartiges Land, dem er dafür dankte, dass dieses sich bereit erklärt habe, das neue Natohauptquartier auf der Wilhelmsburg aufzubauen. Er bemühte den Churchill-spruch von „Blut, Schweiß und Tränen“, die es gekostet habe, das neue Kommando in dieser kurzen Zeit aufzubauen, wobei die Rahmenbedingungen wegen der Pandemie nicht ideal gewesen seien. Außerdem dankte er Deutschland für seinen Beitrag bei der Evakuierung von Afghanen hinaus aus jenem Land, das nun von den Taliban beherrscht wird.
Wofür braucht es die Nato im 21. Jahrhundert – und vor allem: Welche Rolle spielt nun Ulm innerhalb des Verteidigungsbündnisses, das nicht zuletzt unter Us-präsident Donald Trump viel auszuhalten hatte, regelmäßig Zielscheibe seiner Attacken war? Dessen Vorwurf: Die Europäer und vor allem Deutschland würden die USA ausnutzen und viel zu wenig in die gemeinsame Verteidigung investieren.
Staatssekretär Thomas Silberhorn sieht im Ulmer JSEC ein klares Bekenntnis der Nato-europäer, sich stärker auf ihrem eigenen Kontinent zu engagieren, das JSEC sei hier eine „Säule“. Außerdem sende das JSEC, dessen Beschäftigte rund zur Hälfte aus anderen Nato-ländern kommen sollen, eine „Botschaft“an die deutsche Bevölkerung. Nämlich: Deutschland, als unverrückbarer Partner internationaler Zusammenarbeit, auch militärischer (wenn es drauf ankomme).
Die Welt habe sich gewandelt seit der Gründung der Nato im vergangenen Jahrhundert, ergänzte Jürgen Knappe. Dementsprechend habe die Nato ihre Strategie geändert. Er erwähnte die Annexion der Krim durch Russland vor den Toren Europas und damit verbunden die Notwendigkeit, Gegner „glaubhaft“abschrecken zu können. Was nur gelinge, wenn die Nato im Krisen- oder Ernstfall imstande sei, schnell eine große Zahl an Truppen quer durch Europa (zum Beispiel an die Ostgrenze) zu verlegen.
Und hier kommt dem neuen Ulmer Nato-kommando eine Schlüsselrolle zu. Die dort Stationierten planen und organisieren den Transport von, zum Beispiel, in Frankreich anlandenden Us-truppen. Wobei sie einiges Bedenken müssen: Auf welchen Routen gelangen die Soldaten sicher von A nach B, welche Straßen sind mächtig genug, um Panzern stand zu halten? Wo kommen die Soldaten unter?
Deshalb sind es in erster Linie „Bürojobs“, die in der Wilhelmsburg angesiedelt sind und noch werden. Experten für Logistik, Planer, Computerexperten.
Am Geld – einem Dauer-aufreger, wenn es um die Nato und Militär geht, vor allem auch dieser Tage im Bundestagswahlkampf –, so viel scheint klar, mangelt es nicht. Extra „eingeflogen“zur JSEC-FEIER im CCU wurde eine niederländische Militärkapelle. Die zwei Dutzend Musiker spielten zwei Stücke, darunter einen eigens für das Ulmer JSEC komponierten Marsch. Danach schloss sich der Vorhang wieder.
Allmendingen 1, Asselfingen 1, Blaubeuren 1, Blaustein 2, Dietenheim 2, Dornstadt 2, Ehingen 7, Erbach 7, Hausen am Bussen 3, Rammingen 1