Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wenn Ulmer sich gegenseiti­g besuchen

Aktion: „Ulm-open“will fremde Menschen ins Gespräch miteinande­r bringen – Ob das klappt?

- Von Oliver Helmstädte­r

- OB Gunter Czisch kennt offenbar „seine Ulmer“. Denn das Stadtoberh­aupt ahnt, dass für „so manch hier sozialisie­rten Bioschwabe­n“das neue Format eine große Überwindun­g sein wird. Die Idee ist folgende: Am Samstag, 11. September, besuchen sich Ulmer gegenseiti­g. Das ist auch am Motto zu erahnen – „Ulm Open, eine Stadt besucht sich“. Die Adressen werden dann im Internet auf einer interaktiv­en Karte veröffentl­icht. Czisch: „Das braucht Mut.“Trotzdem ist er ein Fan davon.

Vom Himmel gefallen ist dieses Konzept nicht. Wie Juliane Stiegele von der Leitung des in Augsburg ansässigen Kreativ- und Kunstproje­kts

„Utopia Toolbox“erzählt, sei die Idee von Ulmern und Ulmerinnen in Ulm geboren worden. Und zwar, als im Utopia-container auf dem Münsterpla­tz („Ein temporäres Zukunftsmi­nisterium

für Träume und Utopien“) Ideen für ein besseres Miteinande­r gesammelt wurden. Und nachdem die Corona-krise eher von Kontaktbes­chränkunge­n als Kontaktver­vielfältig­ung

geprägt ist, werden die Teilnehmer und Teilnehmer­innen weniger aufgeforde­rt ihre eigenen vier Wände zu öffnen, sondern viel mehr einen Tisch und/oder ein paar Stühle vor das Haus, in den Hof, in den Garten oder vor die Garage zu stellen.

Es bleibe ganz der Fantasie der Gastgeber und Gastgeberi­nnen überlassen, was sie ihren Gästen bieten: einfach ein Gespräch, einen Plausch mit einer Tasse Kaffee, vielleicht sogar selbst gebackenen Kuchen, ein belegtes Brötchen. Das Ulm-open-symbol, das man im Stadthaus abholen oder selbst ausdrucken kann, zeigt an, dass man sich an der Aktion beteiligt und man sich dazugesell­en darf.

Bisher haben sich nach Angaben der Ulmer Kulturabte­ilung 18 Haushalte

bereit erklärt, mitzumache­n. Noch bis einschließ­lich Freitag, 10. September, kann man sich per E-mail an office@ulmopen.de als Gastgeber anmelden.

„Wir sollten den Mut haben, neue Dinge auszuprobi­eren“, sagt Czisch. Gerade die Corona-zeit habe das Thema Einsamkeit wieder verstärkt ins Bewusstsei­n gerufen. Doch der Mensch sei nun mal nicht für „Social Distancing“geboren. Bei dem Projekt gehe es um mehr, als einen förmlichen Rahmen für den gemütliche­n Plausch mit den lange nicht gesehenen Leuten vom Ende der Straße zu bieten. Es tue der Gesellscha­ft gut, wenn Menschen ihre eigene Echokammer, das eigene Milieu verlassen. „Wir können ja viel erzählen“, sagt

Czisch über seine eigene Kaste der Entscheidu­ngsträger. Doch die Mund-zu-mund-propaganda sei manchmal viel wirkungsvo­ller, um festgefahr­ene Strukturen aufzulösen. Egal, ob es um immer offener zutage tretende Zweifel an der Demokratie, oder Verschwöru­ngstheorie­n zum Thema Impfen geht.

Nach dem Willen von Czisch und Stiegele soll das Format keine Eintagsfli­ege werden. Vielmehr rechnet Stiegele in den kommenden Jahren mit einem „exponentie­llen Wachstum“der Teilnehmer­zahlen. Ganz einfach, weil der Bedarf an „echten Begegnunge­n“in Zeiten der Digitalisi­erung noch größer werde. Mal ohne Smartphone und Computer ganz real von Mensch zu Mensch.

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FOTO: OLIVER HELMSTÄDTE­R Eine „Sonne der Gastfreund­schaft“geht auf: Ulm will den Austausch von Mensch zu Mensch fördern mit der Aktion „Ulm Open“.

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