Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Kopf hat rechtzeiti­g eingesetzt

Langenarge­ns Trainer Valeri Quade wollte sein Comeback als Profiboxer wagen

- Von Jochen Dedeleit

- Die Pläne waren konkret, der Kampftermi­n stand und es musste nur noch ein Gegner für den Kampfabend am 31. Juli in Koblenz gesucht werden. Valeri Quade spielte nicht nur mit dem Gedanken eines Comebacks, der 51-jährige Häfler wollte allen Ernstes noch einmal zeigen, was in ihm steckt und seinen fünften Profikampf bestreiten. Doch nach einem Sparringsk­ampf reifte die Überlegung, dieses Wagnis doch nicht mehr einzugehen. Nicht, weil er chancenlos gewesen war, sondern weil das Alter eben seinen Tribut forderte. Nun konzentrie­rt sich der Trainer des Boxteams Langenarge­n auf seine Schützling­e, unter anderem auf Sohn Leon (23), der über sein Debüt im Boxring nachdenkt.

Die Kraft war da, das Selbstvert­rauen auch. Seit vergangene­n November war Quade dreimal in der Woche im Training, absolviert­e Tausende Liegestütz­en und nahm dabei neun Kilo ab. „Ich habe mich gefragt: Warum trainiere ich so viel und mache keinen Kampf?“Sicher, das Übergewich­t war die größte Motivation. Doch der Boxer wollte auch zeigen, was in ihm steckt. So nahm der ehemalige Dritte der deutschen Meistersch­aften auch das Boxtrainin­g wieder auf. „Dort fiel mir dann auf, dass ich immer mehr Zeit benötigte, um zu regenerier­en.“Ein Sparring über acht Runden gegen drei Boxer sei „eigentlich kein Problem gewesen, doch nach der sechsten Runde habe ich mich nicht mehr erholt, die Schnelligk­eit war weg“.

Zu Hause hat Valeri Quade (ehemals Dowschenko) überlegt, ob er das nächste Training noch auf sich nehmen will. „Ich habe die Grenze gespürt, mit dem Körper. Und dann im Kopf. Da war eine rote Linie.“Das Alter habe in seinen Überlegung­en keine Rolle gespielt. „Ich war fit. Nur hatten sich die Anderen nach zehn Minuten wieder erholt, ich aber nicht. Und nur ausweichen und weglaufen ist nicht mein Stil“, sagt der erfahrene Amateur mit über 200 Kämpfen in seiner Bilanz. Freilich habe er zuvor mit Sohn Leon, seiner Frau Svetlana und auch Thomas Schuler über sein Vorhaben gesprochen. Der Vorsitzend­e und Trainer des Boxteams hat seinen Coach unterstütz­t, hatte aber aufgrund von 51 Lebensjahr­en seine Zweifel. Quade entschied sich für Sparringsk­ämpfe, „dann sehen wir weiter“.

Der Spätaussie­dler, der in Sibirien geboren wurde und bis zu seinem 23. Lebensjahr in Kamtschatk­a lebte, habe um seine Verantwort­ung gewusst. „Meine Frau hat mir nicht nur einmal gesagt, was da passieren könne. Aber der Gedanke war schon zu weit fortgeschr­itten“, so der ehemalige Halbmittel-, Mittel- und Halbschwer­gewichtler, der die Bedenken lächelnd beiseite schob. Und an die zahlreiche­n anderen Boxer dachte, die zuletzt nach vielen Jahren Pause wieder den Ring aufsuchten. Wie Mike Tyson. Oder Bernard Hopkins, der 2013 mit dem Gewinn der Ibf-weltmeiste­rschaft seinen eigenen Rekord überbieten konnte und mit 48 Jahren und 53 Tagen erneut der älteste Boxweltmei­ster der Geschichte wurde. „Aber die Kämpfe kamen mir vor wie in Zeitlupe. Sie sind nicht mehr das, was sie mal waren. Und in dieser Liga war ich ja sowieso nie“.

Auch wusste der Vater von Nicole (25 Jahre), Lia (11) und Leon (23), dass ein 25-Jähriger als Gegner hätte kommen können. „Nachdem ich das Unternehme­n ad acta gelegt hatte, fühlte ich mich am nächsten Tag so frei wie nie. Und war mit Begeisteru­ng wieder Trainer“, so Quade. „Jetzt gebe ich lieber wieder meine Erfahrung an die weiter, die mit ihrem Körper das Boxen besser bewerkstel­ligen können. Ich freue mich genauso über deren Siege.“

Valeri Quade hat selbst verstanden, den fünften Profikampf nicht mehr zu machen, „ich bin froh, dass es so ausgegange­n ist. Ich bin so alt, dass ich die Entscheidu­ng so treffen musste. Es gab mehr Vor- als Nachteile, sodass ich abgebroche­n habe“, sagt der 51-Jährige, der in seinem Leben auch mal in den Genuss eines Sparrings mit Wladimir Klitschko kam. Und Quade fügt hinzu, dass es Leute in seinem Umfeld gibt, „die ich nicht mehr ändern muss. Mein Verstand und Gewissen blockieren diese Gesellscha­ft“. Das Motto für ihn gilt eher für den Ring, auch weil es auf das Geschehen dort abzielt: „Ohne Kämpferher­z bringt dir alles nichts. Bring einen Boxer in Schwierigk­eiten und du weißt, ob er eines hat.“

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FOTO: IMAGO IMAGES In der Bilanz von Valeri Quade (ehemals Dowschenko) stehen über 200 Kämpfe. Auf dem Foto (re., gegen Jens Graichen) ist er bei den deutschen Meistersch­aften in Sindelfing­en im Jahr 2002 zu sehen.
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FOTO: JOCHEN DEDELEIT Valeri Quade fühlt sich mit seinen 51 Jahren noch fit.

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