Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Gefahr von Angriffen aus dem Netz wächst

Kriminelle wollen Löse- und Schweigege­lder erpressen – Behörden, Kliniken und Unternehme­n betroffen

- Von Claudia Kling

- Es geht vor allem um die dunkle Seite der Digitalisi­erung, wenn Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) und der Leiter des Bundesamte­s für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI), Arne Schönbohm, gemeinsam den It-lageberich­t 2021 vorstellen. Die Bedrohung durch Cyberangri­ffe ist in Deutschlan­d gewachsen, heißt es darin. Die Situation sei „angespannt bis kritisch“, Schönbohm spricht sogar von „Alarmstufe Rot“in einigen Bereichen. Im Folgenden die wichtigste­n Antworten zum Thema.

Wie hat sich die Sicherheit­slage im It-bereich entwickelt?

Die Zahl der Angriffe auf öffentlich­e Einrichtun­gen, Unternehme­n und Privatpers­onen hat weiter zugenommen. Das BSI übermittel­te 14,8 Millionen Meldungen im Berichtsze­itraum vom Juni 2020 bis Ende Mai 2021 an deutsche Netzbetrei­ber. 144 Millionen neue Schadprogr­amm-varianten wurden registrier­t, 22 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Durchschni­ttlich waren es 394 000 am Tag, im Februar 2021 wurde ein Höchstwert von 553 000 entdeckten Schadprogr­amm-varianten erreicht. Im Jahr 2020 hatte das BSI die Sicherheit­slage im It-bereich als „angespannt“bewertet.

Wer ist von Cyberangri­ffen betroffen?

Letztlich kann jeder Opfer einer Cyberattac­ke werden – selbst Menschen, die weder Computer noch Internetzu­gang haben. Das BSI nennt den Fall einer psychother­apeutische­n Praxis, bei dem nicht nur die Praxisinha­ber, sondern auch die Patienten erpresst wurden. Ganz aktuell ist derzeit die Stadt Schwerin und der Landkreis Ludwigslus­t-parchim in Mecklenbur­g-vorpommern betroffen. Wegen eines Cyberangri­ffs auf den kommunalen It-dienstleis­ter bearbeitet die Verwaltung derzeit beispielsw­eise Anträge auf einen Reisepass mit Papier und Stift.

Auf welche Methoden setzen Cyberkrimi­nelle?

Laut Schönbohm werden die Gangster im Netz immer profession­eller. Die Fälle, in denen die Kriminelle­n via Schadprogr­amme Daten verschlüss­eln, um Lösegelder zu erzwingen, haben sich laut Bsi-bericht zur „größten Bedrohung“entwickelt. Immer häufiger werden auch „Schweigege­lder“für zuvor gestohlene Daten verlangt. Diese Fälle haben laut BSI um 360 Prozent zugenommen. Der Betreiber der größten Öl-pipeline in den USA wurde Opfer einer solchen Cyberattac­ke. Als Folge davon musste die Colonial Pipeline Company vorübergeh­end ihren Betrieb stilllegen.

Warum können Cyberangri­ffe für die Bevölkerun­g gefährlich sein?

Wenn kritische Infrastruk­tur wie Energiever­sorger Opfer von Cyberattac­ken werden, kann die Lage schnell eskalieren. Selbst wenn Kliniken und Krankenhäu­ser mit Notstromag­gregaten ausgestatt­et sind, andere Einrichtun­gen sind es nicht. Auch das Universitä­tsklinikum in Düsseldorf wurde bereits von Cyberkrimi­nellen angegriffe­n. In diesem Fall ging es um Erpressung. Die Klinik sollte ein Lösegeld bezahlen, um wieder Zugang zu ihren Daten zu bekommen. Infolge des Angriffs mussten geplante Operatione­n und Behandlung­en abgesagt werden, 13 Tage lang stand das Krankenhau­s für die Versorgung von Notfällen nicht zur Verfügung.

Wie bedroht fühlen sich Unternehme­r – und was schlägt der Branchenve­rband Bitkom vor?

Nach einer Umfrage durch das Wirtschaft­sprüfungsu­nd Beratungsu­nternehmen

EY sehen mehr als 63 Prozent der befragten Unternehme­n ein hohes Risiko, Opfer von Hackern, Kriminelle­n oder Spionen zu werden. „Die Schäden durch Erpressung, verbunden mit dem Ausfall von Systemen oder der Störung von Betriebsab­läufen, sind seit 2019 um 358 Prozent gestiegen“, sagte Susanne Dehmel, Mitglied der Geschäftsl­eitung des Branchenve­rbandes Bitkom, am Donnerstag der ARD. Damit sich Unternehme­n und auch Privatpers­onen besser schützen können, sollte es für alle die Möglichkei­t geben, sich über die aktuelle Cyber-bedrohungs­lage zu informiere­n. „Dazu müssen wir Echtzeit-informatio­nen nutzen und Eu-weit in einem zentralen Dashboard sammeln, ähnlich dem Corona-dashboard des Robert-koch-instituts.“

Warum ist Seehofer mit der Arbeit des BSI so zufrieden?

Seehofer freute sich bei der Vorstellun­g des Berichts, dass „fast alle Angriffe auf Bundeseinr­ichtungen abgewehrt werden konnten“. Das BSI habe „fabelhafte Arbeit“geleistet. Deshalb sei es richtig gewesen, sowohl die Mitarbeite­rzahl als auch die Kompetenze­n des Bundesamte­s in den vergangene­n dreieinhal­b Jahren erheblich zu vergrößern. Künftig sollte das BSI, so Seehofer, zur Zentralste­lle zwischen Bund und Bundesländ­ern ausgebaut werden, um sie in Fragen der Cybersiche­rheit noch besser beraten zu können. Auf die Frage, ob es künftig ein Bundesdigi­talministe­rium geben sollte, antwortete Seehofer nicht direkt. Er sagte lediglich, man werde „die allgemeine Sicherheit von der Cybersiche­rheit nicht trennen können“. Bsi-leiter Schönbohm warb dafür, die Informatio­nssicherhe­it zur Grundlage aller Digitalisi­erungsproj­ekte zu machen.

 ?? FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA ?? Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamte­s für Sicherheit in der Informatio­nstechnik, und Bundesinne­nminister Horst Seehofer bei der Vorstellun­g des Berichts zur Lage der It-sicherheit in Deutschlan­d.
FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamte­s für Sicherheit in der Informatio­nstechnik, und Bundesinne­nminister Horst Seehofer bei der Vorstellun­g des Berichts zur Lage der It-sicherheit in Deutschlan­d.

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