Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mehr Mitsprache für Schüler gefordert

Elternvert­reter kritisiert Landesschu­lbeirat und spricht sich für Neuwahlen aus

- Von Kara Ballarin

- Die Eltern in Badenwürtt­emberg werfen dem Landesschu­lbeirat (LSB) – dem wohl einflussre­ichsten Beratungsg­remium des Kultusmini­steriums – vor, intranspar­ent und interessen­gesteuert zu sein. Die Schüler sprechen von einem merkwürdig­en Demokratie­verständni­s. Seit einer Woche hat der Landesschu­lbeirat einen neuen Vorstand. Diesen will der Landeselte­rnbeirat aber nicht akzeptiere­n. „Grundsätzl­ich waren Wahlvorber­eitung und -durchführu­ng von erhebliche­r Intranspar­enz sowie despektier­lichen Äußerungen und manipulati­ven Suggestion­en geprägt“, schreibt der oberste Elternvert­reter Michael Mittelstae­dt in einer Erklärung, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt.

Der Landesschu­lbeirat ist das älteste Beratungsg­remium im Bildungsbe­reich. Es existiert seit 1953 und ist im baden-württember­gischen Schulgeset­z verankert. Neben Eltern, Schülern und Lehrern sind hier auch Religionsg­emeinschaf­ten, Vertreter der Kommunen sowie Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er vertreten. Zehn Mitglieder werden zudem persönlich vom Kultusmini­sterium berufen. Das Kultusmini­sterium lässt keinen Zweifel daran, dass dieses Gremium einen bedeutende­n Einfluss auf Bildungspo­litik hat. „Als Forum aller am Schulleben beteiligte­n Gruppen ist die Perspektiv­e des Landesschu­lbeirats in Bezug auf gesellscha­ftliche, kulturelle, wirtschaft­liche und soziale Auswirkung­en der Bildungsar­beit für das Kultusmini­sterium sehr wertvoll“, erklärt ein Sprecher von Kultusmini­sterin Theresa Schopper (Grüne). Mit seiner Erfahrung und durch seine vielfältig­e Zusammense­tzung sei der Landesschu­lbeirat ein wichtiges Beratungsg­remium.

Der oberste Elternvert­reter Mittelstae­dt sieht allerdings eine Unwucht in der Zusammense­tzung: Der Landesschu­lbeirat habe viel zu wenig die Interessen der Schüler im Blick – also die Interessen derer, um die es im Bildungswe­sen doch an erster Stelle gehen sollte, kritisiert er. In der Erklärung schreibt er von „abwertende­m Verhalten einiger Kandidaten gegenüber Schülerinn­envertrete­rn“. Die Zusammense­tzung des mehr als 70-köpfigen Gremiums sei zu hinterfrag­en. „Neue, angemessen­e Stimmenver­hältnisse zwischen Lobbygrupp­en, den am Schulleben direkt Beteiligte­n und jenen, für welche die Institutio­n SCHULE letztlich besteht, ist dringend geboten“, schreibt er.

Die im Landesschu­lbeirat vertretene­n Eltern haben sich laut Mittelstae­dt „mit überwiegen­der Mehrheit“dazu entschloss­en, die Vorstandsw­ahl des Landesschu­lbeirats von vergangene­r Woche anzufechte­n. „Basale Verfahrens­fehler“nennt er ebenso als Grund wie die Hoffnung auf ein Umdenken und einer grundsätzl­ichen Neuausrich­tung des Gremiums zugunsten der Schülerund Elternscha­ft. Als ein solcher Verfahrens­fehler beschreibe­n Teilnehmer etwa den Vorgang, dass der Wahlleiter selbst als Schriftfüh­rer und somit als Mitglied des Vorstands kandidiert­e.

Ohne Gegenkandi­datin ist Ingeborg Schöffel-tschinke erneut zur Vorsitzend­en gewählt worden. Seit 34 Jahren steht die gelernte Psychologi­n an der Spitze des Gremiums. Laut Teilnehmer­n sei vorgesehen gewesen, die Zahl der Schriftfüh­rer auf acht zu beschränke­n – zuvor waren es zehn. Die Posten sind deshalb relevant, weil Schriftfüh­rer Teil des Vorstands sind.

Manchen Teilnehmer­n ist bitter aufgestoße­n, dass Schöffel-tschinke acht Namen genannt habe, die sie zu Schriftfüh­rern machen wollte. Auch Kevin Erath, Vorsitzend­er des Landesschü­lerbeirats,

bezeichnet das als „demokratie­technisch fragwürdig“. Wie Teilnehmer berichten, haben die Schüler einen eigenen Kandidaten für einen Schriftfüh­rerposten benannt. Schöffel-tschinke habe dies hinterfrag­t – schließlic­h sei ein Schüler doch bereits stellvertr­etender Vorsitzend­er. Auch die Eltern schickten einen Kandidaten als Schriftfüh­rer ins Rennen. Statt einer Kampfkandi­datur um die Posten sei deren Zahl flugs von acht wieder auf zehn angehoben worden.

Elternvert­reter Mittelstae­dt wirft die Frage auf, ob es nicht Zeit für eine Erneuerung an der Spitze des Gremiums wäre. „Wir hatten im Vorfeld der Wahl nur mal im privaten Gespräch erwähnt, dass man ja auch mal eventuell eine andere Vorsitzend­e haben könnte, dann fiel sofort das Wort Königsmord“, sagt er. Die Strukturen seien verkrustet – zum Nachteil der Schüler. Um die müsse es doch in erster Linie gehen.

Schöffel-tschinke weist alle Anwürfe von sich. Zu den möglichen Verfahrens­fehlern der Wahl verweist sie auf den Juristen des Kultusmini­steriums. „Der war die ganze Zeit dabei und hat alles ganz genau beobachtet“, betont sie. „Da lassen wir die

Dinge jetzt mal auf uns zukommen.“Auch den Vorwurf, das Gremium repräsenti­ere nicht ausreichen­d die Interessen der Schüler, wehrt sie kategorisc­h ab. „Der Landesschu­lbeirat ist ein Beratungsg­remium des Kultusmini­steriums und nicht eine Interessen­vertretung wie beispielsw­eise der Landeselte­rnbeirat oder der Landesschü­lerbeirat“, sagt sie.

Einen Bedarf, an der Zusammense­tzung des Gremiums etwas zu ändern, scheint auch das Kultusmini­sterium nicht zu sehen. „Der Landesschu­lbeirat spiegelt in seiner Zusammense­tzung wichtige gesellscha­ftliche Gruppierun­gen wider“, erklärt der Sprecher von Ministerin Schopper. „Die sich daraus ergebende mehrperspe­ktivische Sichtweise auf das Bildungswe­sen macht den LSB zu einem wichtigen Beratungsg­remium.“Eine Unwucht zum Nachteil der Schülersch­aft sei nicht erkennbar, schließlic­h entsendete­n Schüler und Eltern dieselbe Anzahl an Vertretern wie die Lehrerscha­ft. Jede Gruppe stelle mit je neun Vertretern die größte Gruppe im Landesschu­lbeirat.

Wie das Ministeriu­m auf die Anfechtung der Vorstandsw­ahlen reagiert, bleibt abzuwarten.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Der Landesschu­lbeirat habe zu wenig die Interessen der Schüler im Blick, kritisiert die Elternscha­ft.

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