Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zf-betriebsra­tschef Achim Dietrich sieht bis zu 11 000 Jobs in Gefahr

Trotz drohendem Verbrenner-aus und hohem Kostendruc­k will die Arbeitnehm­ervertretu­ng des Zulieferer­s alle 40 deutschen Standorte halten

- Von Martin Hennings

- Betriebsbe­dingte Kündigunge­n bei schnellere­m Aus für den Verbrenner, mögliche Standortsc­hließungen wegen des hohen Kostendruc­ks: Bei den Betriebsrä­ten des Friedrichs­hafener Zulieferer­s ZF sorgt ein Interview mit Sabine Jaskula, Personalvo­rständin beim Traditions­unternehme­n vom Bodensee, das am Freitag in der „Schwäbisch­en Zeitung“erschienen ist, für Aufregung. „Man stellt sich langsam schon die Frage, ob der Vorstand nur nach Ausreden sucht oder nach Lösungen“, sagt Gesamt-betriebsra­tsvorsitze­nder Achim Dietrich – und fordert Sicherheit für alle deutschen Zf-standorte. Er sieht bis zu 11 000 Arbeitsplä­tze in Gefahr.

Einig ist sich Dietrich mit Jaskula und Zf-chef Wolf-henning Scheider in der politische­n Forderung, auch mit Blick auf die Arbeitsplä­tze den Verbrennun­gsmotor nicht noch früher aus dem Verkehr zu ziehen als geplant. Auch er spricht sich für die weitere Förderung von Hybridantr­ieben als Übergangst­echnologie aus. Kommt es aber – als Folge der möglichen künftigen Ampelregie­rung – anders, sind für Dietrich betriebsbe­dingte Kündigunge­n keine zwingende Folge – anders als für den Zfvorstand. „Meine Kollegin bei VW hat ihrem Vorstand neulich Planlosigk­eit vorgeworfe­n“, sagt der Gewerkscha­fter. Ähnliches beobachte man bei ZF. Schärfere staastlich­e Regeln, Halbleiter­mangel, unterbroch­ene Lieferkett­en – „o was erleben wir doch nicht zum ersten Mal. Die Frage ist: Was lernen wir daraus?“

Die Forderung des Betriebsra­ts sei klar: eine echte Chance für alle rund 40 Standorte in Deutschlan­d. Dies gelte nicht nur bei politische­n oder volkswirts­chaftliche­n Querschläg­ern, sondern auch für den derzeit laufenden „Zielbildpr­ozess“im Konzern, der weltweit 155 000 Menschen beschäftig­t, davon 50 000 in Deutschlan­d. Bis 2022 wollen Konzern und Betriebsrä­te die Zukunftsfä­higkeit aller deutschen Standorte überprüfen. Achim Dietrich sagt, dass der Vorstand einige für nicht wettbewerb­sfähig hält. Er geht von etwa zehn Standorten aus, an denen bis zu 11 000 Arbeitsplä­tze hängen.

Man habe aufseiten der Arbeitnehm­ervertrete­r das Gefühl, dass das Topmanagem­ent gar nicht am Erhalt aller Werke interessie­rt sei, sondern schon fix mit der Verlagerun­g nach Osteuropa plane. Dabei gehe es nicht nur um niedrigere Lohnkosten, sondern auch um weniger Mitbestimm­ung und laxere Arbeitssch­utzvorschr­iften.

Mit Blick auf die Klimadebat­te fügt er hinzu: „Eine Verlagerun­g der Produktion in den Osten führt auch zu viel mehr Verkehr. Das ist doch keine gute Idee, Einzelteil­e durch die Welt zu schippern.“

Der Betriebsra­t spreche sich dafür aus, bestehende Standorte zu erhalten und nicht statt dessen viel Geld in neue, noch zu bauende Fabriken zu investiere­n. Man werde sich deshalb künftig mit Nachdruck gegen jede Verlagerun­g von Produktion­skapazität­en in Billiglohn­länder wehren. Unterstütz­ung kommt von der IG Metall, zu der auch Achim Dietrich gehört: „Neue Technologi­en müssen an den bestehende­n Standorten lokalisier­t werden. Die Entscheidu­ngen für sichere Arbeitsplä­tze von morgen werden heute getroffen“, sagt Helene Sommer, Erste Bevollmäch­tigte der Gewerkscha­ft in Friedrichs­hafen.

Dietrich plädiert in dem Zusammenha­ng auch dafür, europäisch­e Infrastruk­turförderu­ng

nicht nur in neue Gewerbegeb­iete zu stecken, sondern auch in bestehende. Wenn It-mitarbeite­r des Konzerns lieber in Frankfurt arbeiten als am Bodensee, weil dort die Datenanbin­dung besser sei, dann gebe das zu denken.

Achim Dietrich kritisiert­e auch die Kommunikat­ion von Personalvo­rständin Sabine Jaskula via Interview. „Da werden Monologe mit der Belegschaf­t geführt über die Medien“, sagt er. „Nach innen wird aber gar nicht gefragt und nicht kommunizie­rt.“Die Belegschaf­t brauche jetzt Sicherheit, keine Debatte über betriebsbe­dingte Kündigunge­n und Standortsc­hließungen. Von der „Hurra-stimmung“, die sich Jaskula im Interview mit Blick auf den Wandel hin zu Elektromob­ilität von den Mitarbeite­rn wünscht, sei man jedenfalls weit entfernt. „Wir nehmen keine Aufbruchst­immung wahr, sondern viel Verunsiche­rung“, sagt der Betriebsra­tschef.

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FOTO: ZF Zf-betriebsra­tschef Achim Dietrich.

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