Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Zf-betriebsratschef Achim Dietrich sieht bis zu 11 000 Jobs in Gefahr
Trotz drohendem Verbrenner-aus und hohem Kostendruck will die Arbeitnehmervertretung des Zulieferers alle 40 deutschen Standorte halten
- Betriebsbedingte Kündigungen bei schnellerem Aus für den Verbrenner, mögliche Standortschließungen wegen des hohen Kostendrucks: Bei den Betriebsräten des Friedrichshafener Zulieferers ZF sorgt ein Interview mit Sabine Jaskula, Personalvorständin beim Traditionsunternehmen vom Bodensee, das am Freitag in der „Schwäbischen Zeitung“erschienen ist, für Aufregung. „Man stellt sich langsam schon die Frage, ob der Vorstand nur nach Ausreden sucht oder nach Lösungen“, sagt Gesamt-betriebsratsvorsitzender Achim Dietrich – und fordert Sicherheit für alle deutschen Zf-standorte. Er sieht bis zu 11 000 Arbeitsplätze in Gefahr.
Einig ist sich Dietrich mit Jaskula und Zf-chef Wolf-henning Scheider in der politischen Forderung, auch mit Blick auf die Arbeitsplätze den Verbrennungsmotor nicht noch früher aus dem Verkehr zu ziehen als geplant. Auch er spricht sich für die weitere Förderung von Hybridantrieben als Übergangstechnologie aus. Kommt es aber – als Folge der möglichen künftigen Ampelregierung – anders, sind für Dietrich betriebsbedingte Kündigungen keine zwingende Folge – anders als für den Zfvorstand. „Meine Kollegin bei VW hat ihrem Vorstand neulich Planlosigkeit vorgeworfen“, sagt der Gewerkschafter. Ähnliches beobachte man bei ZF. Schärfere staastliche Regeln, Halbleitermangel, unterbrochene Lieferketten – „o was erleben wir doch nicht zum ersten Mal. Die Frage ist: Was lernen wir daraus?“
Die Forderung des Betriebsrats sei klar: eine echte Chance für alle rund 40 Standorte in Deutschland. Dies gelte nicht nur bei politischen oder volkswirtschaftlichen Querschlägern, sondern auch für den derzeit laufenden „Zielbildprozess“im Konzern, der weltweit 155 000 Menschen beschäftigt, davon 50 000 in Deutschland. Bis 2022 wollen Konzern und Betriebsräte die Zukunftsfähigkeit aller deutschen Standorte überprüfen. Achim Dietrich sagt, dass der Vorstand einige für nicht wettbewerbsfähig hält. Er geht von etwa zehn Standorten aus, an denen bis zu 11 000 Arbeitsplätze hängen.
Man habe aufseiten der Arbeitnehmervertreter das Gefühl, dass das Topmanagement gar nicht am Erhalt aller Werke interessiert sei, sondern schon fix mit der Verlagerung nach Osteuropa plane. Dabei gehe es nicht nur um niedrigere Lohnkosten, sondern auch um weniger Mitbestimmung und laxere Arbeitsschutzvorschriften.
Mit Blick auf die Klimadebatte fügt er hinzu: „Eine Verlagerung der Produktion in den Osten führt auch zu viel mehr Verkehr. Das ist doch keine gute Idee, Einzelteile durch die Welt zu schippern.“
Der Betriebsrat spreche sich dafür aus, bestehende Standorte zu erhalten und nicht statt dessen viel Geld in neue, noch zu bauende Fabriken zu investieren. Man werde sich deshalb künftig mit Nachdruck gegen jede Verlagerung von Produktionskapazitäten in Billiglohnländer wehren. Unterstützung kommt von der IG Metall, zu der auch Achim Dietrich gehört: „Neue Technologien müssen an den bestehenden Standorten lokalisiert werden. Die Entscheidungen für sichere Arbeitsplätze von morgen werden heute getroffen“, sagt Helene Sommer, Erste Bevollmächtigte der Gewerkschaft in Friedrichshafen.
Dietrich plädiert in dem Zusammenhang auch dafür, europäische Infrastrukturförderung
nicht nur in neue Gewerbegebiete zu stecken, sondern auch in bestehende. Wenn It-mitarbeiter des Konzerns lieber in Frankfurt arbeiten als am Bodensee, weil dort die Datenanbindung besser sei, dann gebe das zu denken.
Achim Dietrich kritisierte auch die Kommunikation von Personalvorständin Sabine Jaskula via Interview. „Da werden Monologe mit der Belegschaft geführt über die Medien“, sagt er. „Nach innen wird aber gar nicht gefragt und nicht kommuniziert.“Die Belegschaft brauche jetzt Sicherheit, keine Debatte über betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen. Von der „Hurra-stimmung“, die sich Jaskula im Interview mit Blick auf den Wandel hin zu Elektromobilität von den Mitarbeitern wünscht, sei man jedenfalls weit entfernt. „Wir nehmen keine Aufbruchstimmung wahr, sondern viel Verunsicherung“, sagt der Betriebsratschef.