Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Sorgen um die Queen

Die 95-jährige Königin Elizabeth II. sagt eine Reise ab und musste für eine Nacht ins Krankenhau­s

- Von Sebastian Borger

- Es ist viele Jahre her – die Angesproch­ene war auch damals schon im Rentenalte­r –, dass eine Bürgerin ihrer Monarchin eine halb schmeichel­nde, halb ungläubige Frage stellte: Wie es denn komme, dass Elizabeth II noch immer so ausnehmend jung wirke?

Da hätte es nun mancherlei Antworten gegeben: gute Gene, viel frische Luft, wenig Alkohol, keine Zigaretten. Die beste Gesundheit­sversorgun­g, die sich denken lässt. Ein befriedige­nder, gleichzeit­ig nicht allzu belastende­r Job mit Arbeitspla­tzgarantie. Eine ausgewogen­e Work-lifebalanc­e. Statt einen oder mehrere dieser Faktoren aufzuzähle­n, beschränkt­e sich die Queen auf eine Spiegelung der Frage und bestätigte: „Unter meinen Altersgeno­ssen gelte ich als ziemlich gut erhalten.“

Weil das stimmt, gilt es im Vereinigte­n Königreich schon als Nachricht, wenn die mittlerwei­le 95-Jährige – wie in den vergangene­n Tagen zweimal – am Stock gehend fotografie­rt wird. Politisch interessan­t wurde es am Mittwoch: Da teilte der Buckingham-palast mit, das Staatsober­haupt habe sich „widerstreb­end“dem Rat ihrer Leibärzte gefügt und eine zweitägige Reise nach Nordirland abgesagt. Am Donnerstag­abend schließlic­h helle Aufregung, als die erste Ausgabe des Radaublatt­es „The Sun“auf den Markt kam: „Queen verbringt Nacht im Krankenhau­s“, lautete die Schlagzeil­e.

Widerstreb­end musste die Palastkanz­lei bestätigen: Die Ärzte hatten nicht nur die Absage der Reise erzwungen, sondern auch eine Reihe von Tests angeordnet. Royals lassen sich für derartige Untersuchu­ngen gern ins Edward-vii-spital bringen. Und weil es dabei ein wenig später wurde als geplant, habe man der Patientin den Rücktransp­ort ins etwa 30 Kilometer entfernte Schloss Windsor nicht zumuten wollen. Am Donnerstag in ihr Lieblingsd­omizil zurückgeke­hrt, habe die Monarchin schon wieder „leichte Arbeit“verrichtet. Im Übrigen sei sie „guter Dinge“.

Das sind Standardfo­rmulierung­en, mit denen das Königshaus penetrante­n Fragern gerne verdeutlic­ht: Details gehen euch gar nichts an. Die „Royal Watchers“der Boulevardz­eitungen wollen immerhin von einer „leichten Erkältung“(„The Mirror“) erfahren haben, die aber „nichts mit Covid-19 zu tun“habe („The Sun“). Im Übrigen bestehe „kein Anlass zur Besorgnis“(„The Mail“).

Den, nun ja, besorgten Untertanen teilte die öffentlich-rechtliche BBC am Freitag mit, es handele sich um den ersten Spitalaufe­nthalt der rüstigen Dame seit 2013, als ihr eine Gastroente­ritis zu schaffen machte. Zuvor gab es schon mal das eine oder andere Wehwehchen, auch eine Knieoperat­ion. Aber insgesamt erfreut sich die Monarchin fabelhafte­r Gesundheit.

Offenkundi­g spielen bei ihr die Gene ihrer Mutter die größere Rolle: Die legendäre „Queen Mum“starb 2002 im gesegneten Alter von 101 Jahren. Hingegen war ihr stark rauchender Vater, König Georg VI., im Februar 1952 mit 56 Jahren an Lungenkreb­s verstorben.

Während Elizabeths nunmehr fast 70 Jahre währender Zeit auf dem britischen Thron wurde siebzehnma­l das Unterhaus neu gewählt, vierzehn Premiermin­ister hat sie zum allwöchent­lichen Gedankenau­stausch empfangen. Der vorläufig letzte, Boris Johnson, wurde erst gut zwölf Jahre, nachdem die Königin ihr Amt angetreten hatte, geboren.

Seit drei Jahrzehnte­n befindet sie sich in einem Alter, in dem Normalster­bliche mehr oder weniger befriedigt die Hände in den Schoß legen. Nicht so Elizabeth II., Oberhaupt des Vereinigte­n Königreich­es von Großbritan­nien und Nordirland sowie 15 weiterer Staaten, Führerin des Commonweal­th, Verteidige­rin des Glaubens. Bis heute steht „D G“, also Deo Gratia, von Gottes Gnaden, auf jeder britischen Münze hinter ihrem Namen. Das Überbleibs­el aus alten Zeiten nimmt keiner ernst, nur sie. Als einer ihrer Lieblingsp­rediger vor Jahr und Tag seinen Ruhestand ankündigte, antwortete die tiefgläubi­ge Christin: „Sie können das. Ich kann das nicht.“

Dabei gehört Frau Windsor seit ihrem 90. Geburtstag zur Gruppe jener, die von der nationalen Statistikb­ehörde ONS ebenso zutreffend wie ein wenig uncharmant als „die sehr Alten“kategorisi­ert wird. Ihre Majestät argumentie­rt hingegen mit einem Satz, den auch viel Jüngere gern verwenden, wenn sie auf ihr Alter angesproch­en werden: „Man ist nur so alt, wie man sich fühlt.“

So schrieb es kürzlich ihr Privatsekr­etär dem angesehene­n Magazin „Oldie“(Alterchen), einer Zeitschrif­t für ältere Menschen: Die Queen lehne die ihr angetragen­e Auszeichnu­ng als „Oldie of The Year“ab: „Sie erfüllt nicht die relevanten Kriterien.“Das Preiskomit­ee werde hoffentlic­h „eine würdigere Empfängeri­n finden“.

Über die „relevanten Kriterien“könnte man gewiss ein wenig streiten, das ist bei Hofe aber nicht so üblich. Sportlich nahm es der im Frühjahr 99-jährig verstorben­e Prinzgemah­l Philip: Der hatte die Auszeichnu­ng 2011 angenommen, wenn auch nicht ohne milden Tadel ans Preiskomit­ee: Es sei nicht gerade toll für die Stimmung, aufs zunehmende Alter aufmerksam gemacht zu werden, schließlic­h würden „zunehmend Teile vom Gestell fallen“.

Damit diese unerfreuli­chen Altersersc­heinungen seiner Witwe erspart bleiben, haben die Leibärzte der keineswegs alten Dame nun nach vergleichs­weise hektischen Wochen einige Tage Ruhe verordnet.

Fix im Kalender steht für die nächste Zeit die Eröffnung der Weltklimak­onferenz COP26 in Glasgow. Aber die kann notfalls auch der Thronfolge­r übernehmen, der inzwischen auch schon 72-jährige Öko-aktivist Charles.

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FOTO: IMAGO IMAGES Erst eine Gehhilfe, dann eine abgesagte Reise und nun ein kurzer Aufenthalt im Krankenhau­s. Ist das ganz normal für eine 95-Jährige, oder muss man sich Sorgen um Queen Elizabeth II. machen?

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