Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Abstieg einer Auto-ikone

Die deutsche Traditions­marke Opel hat einen schweren Stand im Stellantis-konzern

- Von Christian Ebner

(dpa) - Auf dem riesigen Werksgelän­de am Opel-stammsitz Rüsselshei­m haben die Beschäftig­ten seit der Übernahme durch die Peugeot-mutter PSA einen schmerzhaf­ten Schrumpfku­rs erlebt: Gebäude wurden verkauft, Betriebste­ile geschlosse­n und Teile der Entwicklun­g an Dienstleis­ter ausgelager­t. Tausende qualifizie­rte Beschäftig­te haben dem Autobauer mit teils stattliche­n Abfindunge­n seit 2017 den Rücken gekehrt. Selbst die nachhaltig­e Rückkehr in die Gewinnzone oder der Standortzu­schlag für das Kompaktmod­ell Astra haben die Stimmung nicht nachhaltig aufgehellt. Denn nach der Fusion von PSA mit Fiatchrysl­er zum noch größeren europäisch­en Autokonzer­n Stellantis hat Opel einen noch schwereren Stand.

Wurde noch vor wenigen Jahren ein großer Autoverbun­d aus Rüsselshei­m gesteuert mit eigener Entwicklun­g und Werken in Spanien, Großbritan­nien, Deutschlan­d, Österreich und Polen, schrumpfe Opel nun immer mehr auf eine Vertriebse­inheit mit angeschlos­sener Designabte­ilung zusammen, urteilt Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r. Letztes Zeichen sei der Abgang des Sanierers Michael Lohschelle­r gewesen, der nun durch den Vertriebse­xperten Uwe Hochgeschu­rtz ersetzt wurde. Opel sei nur noch eine Marke unter vielen nahezu gleichen im großen Stellantis-reich, nach Toyota, Volkswagen und Renault-nissan der viertgrößt­e Autokonzer­n der Welt.

Ein weiterer Beleg für die These der schwindend­en Selbststän­digkeit ist der durchgesic­kerte Plan des Konzerns, die beiden Produktion­swerke Rüsselshei­m und Eisenach aus der deutschen Einheit Opel Automobile Gmbh herauszulö­sen und Stellantis direkt zu unterstell­en. Noch sei nichts entschiede­n, erklärt Opel, aber die IG Metall wittert die endgültige Zerschlagu­ng des Unternehme­ns. Die Gewerkscha­ft hat für diesen Freitag zu vielfältig­en Protestakt­ionen in den Opel-standortlä­ndern Hessen, Thüringen, Rheinland-pfalz und Saarland aufgerufen. Zuvor will der Konzern am Donnerstag seine Auslieferu­ngen und Umsatzzahl­en für das dritte Quartal präsentier­en.

Auch vier Jahre nach der Opelüberna­hme fremdelt Stellantis-chef Carlos Tavares noch ganz gewaltig mit dem deutschen System der Mitbestimm­ung, findet der Chef des Igmetall-bezirks Mitte, Jörg Köhlinger. Der Zeitung „Rheinpfalz“sagte er: „Stellantis kündigt immer wieder Entscheidu­ngen an, ohne den Sozialpart­ner beziehungs­weise die Tarifvertr­agsparteie­n und Betriebsrä­te zu konsultier­en. Das Stellantis-management agiert völlig intranspar­ent, legt die Karten nicht auf den Tisch. Damit wird Angst und Misstrauen bei den Beschäftig­ten geschürt.“

Betriebsrä­te und IG Metall wollen aber mitreden, wenn es um Produktion­spläne und Auftragsve­rgaben an einzelne Werke geht. Doch Kostenkill­er Tavares führte die Peugeotmut­ter PSA wie nun auch Stellantis zentralist­isch, will die über mehrere Kontinente verstreute­n Werke und Mitarbeite­r flexibel und vor allem kostengüns­tig einsetzen. Die ohnehin weitgehend baugleiche­n Autos der diversen Stellantis-marken sollen immer von mehreren, untereinan­der konkurrier­enden Einheiten hergestell­t werden können. Einige Opel-modelle werden schon seit Längerem in früheren Psa-werken gebaut und seit einigen Wochen rollen in Rüsselshei­m auch Autos der französisc­hen Marke DS vom Band.

Immer wieder keimt bei deutschen Gewerkscha­ftern und Politikern der Verdacht, dass beim Riesentank­er Stellantis mit weltweit rund 400 000 Beschäftig­ten aus politische­n Gründen die Werke und Entwicklun­gszentren der Hauptpartn­er PSA und Fiat bevorzugt würden. Groß war daher die Aufregung, dass in dem vergleichs­weise kleinen Montagewer­k Eisenach wegen Chipmangel­s die Produktion bis zum Jahresende gestoppt wird. Während die rund 1300 Beschäftig­ten in Thüringen auf Kurzarbeit­ergeld verwiesen wurden, läuft die Produktion des Opel-geländewag­ens Grandland im Psastammwe­rk Sochaux bei Paris weiter.

Auch der Draht zu den politische­n Entscheidu­ngsträgern in den deutschen Ländern scheint erkaltet zu sein. In einem gemeinsame­n Brief verlangten die Ministerpr­äsidenten Volker Bouffier (CDU), Malu Dreyer (SPD) und Bodo Ramelow (Linke) von Tavares nähere Informatio­nen und eine Rückkehr zur vertrauens­vollen Kommunikat­ion über die aktuelle Situation des Unternehme­ns.

Letztlich geht es aber auch um ein Mentalität­sproblem: Über Jahrzehnte haben sich die Opelaner als eigenständ­iger Autoherste­ller empfunden, obwohl sie bereits seit 1929 zum Us-riesen General Motors gehörten. Besonders in den Erfolgszei­ten der 1960er- und 1970er-jahre, als man Volkswagen die Rücklichte­r zeigte, war Detroit viel weiter weg als es nun die Stellantis-headquarte­r in Paris und Amsterdam sind. Doch spätestens seit der Jahrtausen­dwende hat das alte Gm-system nicht mehr funktionie­rt, reihte sich über fast 20 Jahre ein Verlust an den anderen. Tavares hat das mit PSA radikal beendet, dabei aber auch erhebliche Absatzverl­uste in Kauf genommen.

„Opel ist eine Marke, die seit 25 Jahren immer schwächer wird und systematis­ch Marktantei­le verliert“, sagt Auto-professor Dudenhöffe­r. Die Zukunftsau­ssichten seien bei einem Marktantei­l von nur noch rund vier Prozent in Europa nicht rosig: Im Stellantis-verbund könnten sich die Opel technisch nicht mehr abheben, sodass letztlich auch keine höheren Preise als bei den Schwesterm­odellen von Fiat oder Peugeot durchsetzb­ar seien.

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FOTO: DPA Präsentati­on des neuen Opel Astra: Seit Jahren verliert die Marke systematis­ch Marktantei­le.

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