Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Instrument­al durch die Jahrhunder­te

Interessan­te Klangfolge­n mit dem Kammerorch­ester Riedlingen

- Von Kurt Zieger

- Seit vielen Jahren gehört das Kammerorch­ester Riedlingen zum Kulturbild der Stadt. Die Interpreta­tionen dieses Laienorche­sters befinden sich stets auf hohem Niveau. So ist es unverständ­lich, dass das erste Konzert nach der langen coronabedi­ngten Pause nur ein mäßiges Interesse in Besucherkr­eisen fand: Der Saal im Lichtspiel­haus war nicht einmal zur Hälfte besetzt. Dass dieser Umstand der Qualität des Konzertes „Klassik quer Beet“keinen Abbruch tat, spricht für das Engagement und die innere Bereitscha­ft des Ensembles, den Stand hochwertig­er Konzerte fortzuführ­en.

Von Stefan P. Hatvani als Leiter des Kammerorch­esters ist man gewohnt, dass er ein Gespür dafür hat, instrument­ale Kostbarkei­ten zu finden, die jenseits der großen Orchester auch im Verborgene­n ihren Glanz entfalten können. „Klassik quer Beet“entpuppte sich als abwechslun­gsreicher, höchst interessan­ter Gang durch mehrere Jahrhunder­te.

Giovanni Samartini gilt als einer der prominente­sten barocken Tonschöpfe­r Mailands. Seine „Sinfonia in G major“als Auftakt zu wählen, interpreti­erte Marion Kiefer in ihrer Moderation als Beweis dafür, dass Barock und Kammerorch­ester Riedlingen seit Jahren eine klangfreud­ige Vereinigun­g bilden. Zu melodisch klaren Vorgaben der Violinen zeigten sich Viola, Violoncell­o und Kontrabass in echt barocker Leichtigke­it. Sehr behutsam war das nachfolgen­de Grave, sodass dessen melodische Schönheit in warmem Tonkleid erklingen konnte. Im wohl austariert­en Taktgefüge danach ein Menuetto, leicht vorstellba­r als Vorlage für eine beschwingt agierende Tanzgruppe. Ein wiederum sehr heiter gestimmtes temporeich­es Finale als Allegro assai vereinigte aufs Neue fast ebenmäßige Tonfolgen der Violinen, mit kurzgefass­ten Umrankunge­n verziert.

Carl Ditters von Dittersdor­f aus Wien prägte im 18. Jahrhunder­t die Epoche der Wiener Klassik. Er beginnt sein Quartett in Es-dur mit einem Allegro, das durch spritzig aufleuchte­nde Phasen auf sich aufmerksam macht. Nicht weniger klar waren die von Dirigent Hatvani und seinem Ensemble ausgefeilt­en Zwiegesprä­che zwischen den hohen und den tiefen Instrument­en. Auch beide Violinen im Duett reizten die anderen Instrument­alisten zu ebenbürtig­en Aussagen, um gemeinsam in den Eingangsbe­reich des Quartetts zurückzuke­hren. Das Menuetto beginnt mit einem melodisch weiten Thema voll instrument­aler Wärme. Deutlich war das Hervorhebe­n des Dreiertakt­s in einem nicht alltäglich straffen Tempo. Das harmonisch gepflegte Musizieren prägte auch den Fortgang des nächsten Satzes. Oft abrupte, doch ungemein wirksame Pausen im aufstreben­den Klangbild wurden fortgeführ­t bis zu ungewohnt dezentem Abklang in einem gezupften Akkord.

Groß war danach der Sprung in die Moderne. Vor zwei Jahren starb Siegfried Strohbach. Vom Theater in Hannover aus hinterließ er ein musikalisc­h umfangreic­hes Erbe, das aufs Erste nicht bei jedem Zuhörer auf offene Ohren stößt. Dies schien nach der ersten Probe auch beim Kammerorch­ester der Fall zu sein. „Nur das jüngste Orchesterm­itglied“, meinte lächelnd Marion Kiefer, „fand diese Musik cool“. Der Auftakt von Strohbachs Concertino als Adagio maestoso führte die Zuhörer in eine andere, jedoch keineswegs atonale Musikwelt. Zunehmend heiter zeigte sich sein Allegro con moto, wenngleich die Vielzahl thematisch­er Synkopen anspruchsv­oll und auch für Zuhörer gewöhnungs­bedürftig sind. Viele unisono-passagen als instrument­aler Gleichklan­g erzeugen Spannung, auch im Bereich des zunehmende­n Volumens. Für Zuhörer, die der modernen Tonsprache skeptisch gegenübers­tehen, erklang danach ein gut anzuhörend­es Larghetto sostenuto. Über gelegentli­ch in sich verwobene Strukturen der übrigen Instrument­e breiten sich die ersten Violinen in thematisch angenehmen Sphären aus. Danach gab es immer wieder Anläufe zu einem musikalisc­hen Ziel, an dessen Erreichen man sich einen eher lieblichen Abschluss in Dur gewünscht hätte. Als Abschluss für manchen Zuhörer war ein vielleicht versöhnlic­hes Allegro vivace in rasantem Tempo zu hören, das in allen Bereichen den großen, mit Sicherheit nicht leichten Einsatz des ganzen Ensembles widerspieg­elte.

Das Ensemble kehrte zurück in eher vertraute Harmonien mit romantisch­en Anklängen eine Elegie von Peter Tschaikows­ky. Im Stil eines gut gelungenen Klangteppi­chs zog angenehme Melodik durch den Konzertrau­m im Kino. Ob in begleitend mitgestalt­enden Phasen durch Viola, Cello und Bass mit großem Bogen oder in dezenten Pizzikato-passagen, stets kam die innere Harmonie des reinen Streichere­nsembles voll zum Tragen. Eine weiche Melodie von Edvard Grieg mit weitgehend­er Themengest­altung im Cello und einem feinsinnig­en Piano als Abrundung galt als Dank des Orchesters für den herzlichen Applaus der Zuhörer.

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FOTO: KURT ZIEGER Das Kammerorch­ester Riedlingen konzertier­te im Lichtspiel­haus Riedlingen.

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