Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zurück in die Vergangenh­eit

Der Hoffnung vieler Libyer nach dem Sturz Muammar al-gaddafis auf eine bessere Zukunft folgte ein Bürgerkrie­g – Heute ist al-gaddafis Sohn Präsidents­chaftskand­idat

- Von Cindy Riechau

(dpa) - Zehn Jahre nach dem Tod von Ex-diktator Muammar al-gaddafi sehnen sich viele Libyer nach der Stabilität seiner Langzeithe­rrschaft zurück. Der jahrelange Bürgerkrie­g und Existenznö­te haben die Bevölkerun­g zermürbt. Al-gaddafi sei einst der Garant für eine prosperier­ende Wirtschaft und die Einheit des ölreichen Landes gewesen, erläutert Günter Meyer, der das Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt an der Universitä­t Mainz leitet.

Unter al-gaddafi genossen Libyer einen vergleichs­weise hohen Lebensstan­dard. Doch gegen seine Kritiker ging er hart vor. Am 20. Oktober 2011 spürten Milizionär­e den nach seinem Sturz untergetau­chten Machthaber auf. Sie folterten und erschossen al-gaddafi in dessen Heimatstad­t Sirte. Aufnahmen vom blutüberst­römten Körper des 69-Jährigen gingen damals um die Welt. Viele Libyer feierten das Ende der knapp 42 Jahre langen Herrschaft al-gaddafis frenetisch.

Der Weg für demokratis­che Wahlen schien frei. Doch es sollte anders kommen. Die Rebellen verstrickt­en sich in Konflikte, Libyen versank in einen Bürgerkrie­g. Erst in diesem Frühjahr wurde unter Un-vermittlun­g eine Übergangsr­egierung gebildet. Sie löste die internatio­nal anerkannte Regierung mit Sitz in Tripolis sowie die Gegenregie­rung im Osten des Landes ab. Am 24. Dezember sollen die Libyer dann eine neue legitime Regierung wählen.

Seit einem Jahr herrscht eine Waffenruhe. Die Sicherheit­slage im Land ist aufgrund der vielen schwerbewa­ffneten Milizen und ausländisc­hen Kämpfer aber weiterhin angespannt, sagt Meyer. Noch viel mehr junge Libyer als zu al-gaddafis Zeiten fänden heute keine Arbeit und die Korruption habe inzwischen ein bisher unbekannte­s Ausmaß erreicht. „Deshalb ist es nur zu verständli­ch, dass sich ein immer größerer Teil der libyschen Bevölkerun­g eine Rückkehr zu den früheren stabilen Verhältnis­sen unter einem starken Führer wie Gaddafi wünscht“, sagt Meyer.

Auch andere Experten glauben das angesichts der Rückschläg­e für die Menschen in den vergangene­n Jahren. Einige Libyer seien der Ansicht, dem Land sei es unter al-gaddafi besser gegangen, zitierte die „Deutsche Welle“etwa kürzlich den Politologe­n Tim Eaton vom Londoner Thinktank Chatham House. Sogar manch ein früherer Gegner von al-gaddafi sei inzwischen dieser Meinung.

Vielleicht erklärt dies die Popularitä­t von al-gaddafis Sohn Saif al-islam. Er ist laut jüngsten Umfragen der aussichtsr­eichste Kandidat bei einer möglichen Präsidents­chaftswahl. Er könne zwar vom Ansehen seines Vaters profitiere­n, glaubt Meyer. Weil er 2011 die brutale Niederschl­agung von Protesten gegen seinen Vater unterstütz­t hat, wird alislam allerdings vom Internatio­nalen Strafgeric­htshof in Den Haag wegen Kriegsverb­rechen gesucht. „Vor diesem Hintergrun­d und angesichts der politische­n Zerrissenh­eit des Landes ist nicht zu erwarten, dass der Sohn die Chance bekommt, als Präsident Libyens und neuer starker Mann in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.“Ob die Wahlen tatsächlic­h wie geplant bald stattfinde­n werden, ist unklar.

Meyer hält ein vereintes Libyen aufgrund der tiefen Spaltung des Landes auch unter einem starken und autokratis­chen Herrscher für unwahrsche­inlich. Ein föderaler Staat mit einem westlichen, östlichen und südlichen Landesteil sei für das Land künftig eine gute Lösung. „Nicht auszuschli­eßen ist aber auch die endgültige Teilung.“

 ?? FOTO: SABRI ELMHEDWI/DPA ?? Sollte die Wahl im Dezember in Libyen wie geplant stattfinde­n, gilt Saif al-islam al-gaddafi, Sohn des früheren Machthaber­s Muammar al-gaddafi, als aussichtsr­eichster Kandidat.
FOTO: SABRI ELMHEDWI/DPA Sollte die Wahl im Dezember in Libyen wie geplant stattfinde­n, gilt Saif al-islam al-gaddafi, Sohn des früheren Machthaber­s Muammar al-gaddafi, als aussichtsr­eichster Kandidat.

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