Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
High-tech im Kuhstall
LAZBW forscht, wie moderne Technik das Tierwohl steigern und das Klima schützen kann
- Wie lässt sich mit moderner Technik das Tierwohl in der Milchviehhaltung verbessern? Und bei welchem Futter stoßen Kühe weniger klimaschädliches Methan aus? Mit diesen und noch mehr Fragen beschäftigen sich die Fachleute am Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-württemberg (LAZBW) in Aulendorf. Bei einem Besuch von Landwirtschaftsminister Peter Hauk gaben die Mitarbeiter des LAZBW einen Einblick in ihre Forschungsprojekte.
Die Kuh senkt ihren Kopf, öffnet ihr Maul und frisst gemächlich das in einem Trog liegende Futter. Später, wenn sie Lust auf eine extra Portion Kraftfutter hat, wird sie zu einer Messstation gehen, die an einer Wand des Kuhstalls des LAZBW steht. Die Station besteht aus einer kleinen Kraftfutterabrufstation mit einem geschützten Kopfraum und einem Rohr, das nach oben zeigt. „Für die Messung ist es erforderlich, dass sich der Kopf der Kuh drei bis vier Minuten im Messraum befindet. Das erreichen wir mit 150 bis 200 Gramm Lockfutter pro Besuch“, erläutert Elisabeth Gerster vom LAZBW.
Während die Kuh ihren Kopf in den Messbereich hält, wird ihre Atemluft abgesaugt und es wird gemessen, wie viel Methan in ihr enthalten ist. Das Gas, das wesentlich klimaschädlicher als Kohlendioxid ist, wird bei der Verdauung im Pansen der Kuh gebildet. „Dass Methan entsteht, können wir nicht ganz vermeiden“, sagt Gerster. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Thomas Jilg testet sie beim Forschungsprojekt „Methakuh“, welchen Effekt die Fütterung auf den Methanausstoß einer Kuh hat.
„Wir prüfen den Einfluss unterschiedlicher Grobfutterarten wie Maissilage oder Esparsette und den Einfluss des Kraftfutters auf die Methanemission“, erläutert sie. Auch spezielle Futterzusätze wie Knoblauch und ätherische Öle werden unter die Lupe genommen.„bei einem aktuellen Fütterungsversuch setzen wir Futterkohle ein“, sagt Gerster und zeigt Minister Hauk eine Schale, in der schwarze Kohle liegt. Diese wird zerrieben und unter das Futter gemischt.
„Wir gehen mit dem Messgerät auch raus auf vier Milchviehbetriebe in der Region“, sagt Gerster. „Dort messen wir zweimal acht Wochen lang pro Betrieb den Methanausstoß.“Unter den Höfen gibt es sowohl Öko-landwirte als auch konventionell wirtschaftende. Entsprechend unterschiedlich ist die Fütterung: Die Spanne reicht von Weidehaltung über Heumilch bis hin zu Kraftfutter und Silage. Wie Gerster betont, kommt es darüber hinaus auf einen ganzheitlichen Blick auf die Höfe an. „Die Methanemission ist nur ein Aspekt der Treibhausgasemissionen. Wir berechnen parallel dazu die Treibhausbilanz der Milchviehbetriebe und betrachten diese so ganzheitlich.“
Um eine andere Frage der Milchviehhaltung geht es bei der App
„PRO-Q-BW“: Wie gut geht es den Tieren und wie lässt sich ihr Wohlbefinden verbessern? „Die App ermöglicht es Milchviehhaltern, sehr einfach die Eigenkontrolle anhand von tierbezogenen Kriterien durchzuführen“, erläutert Uwe Eilers. „Mit der App wird Tierwohl objektiv messbar.“
Die Anwendung besteht aus zwei Teilen: Einer App, die der Landwirt auf sein Smartphone herunterlädt, und einer Web-app, die er am PC nutzt. „Über die mobile App werden Daten im Stall erhoben. Diese werden an die Web-app am PC übergeben. Dort kann der Benutzer dann bequem Daten ergänzen und Auswertungen erstellen.“Die App ist kostenlos. Sie wurde im Rahmen des Projekts „Digitale Management- und Beratungshilfe zur Verbesserung der Tiergerechtheit in der Milchviehhaltung“entwickelt. Auf Nachfrage des Ministers gibt Eilers die Kosten für die App mit 450 000 Euro an, davon entfallen 130 000 Euro auf die Programmierung.
Etwa drei Stunden dauert es beim ersten Mal, die Daten für eine neue Herde einzugeben. Später ist der zeitliche Aufwand für den Landwirt nicht mehr so hoch. „Das Erfassen der tierbezogenen Indikatoren dauert etwa eine Stunde“, sagt Eilers. Empfohlen wird diese Erfassung alle sechs Monate. Wenn Probleme auftreten, dann wird der Rhythmus auf drei Monate verkürzt. Erfasst werden dabei unter anderem, wie verschmutzt die Tiere sind, wie ihr Ernährungszustand ist, in welchem Zustand sich ihr Haarkleid befindet oder wie ihr Liegeverhalten aussieht.
„Bei manchen Parametern wird die ganze Herde angeschaut, bei anderen reichen Stichproben“, sagt Eilers. Mit einem Ampelsystem wird angezeigt, in welchen Bereich es Verbesserungsbedarf (gelb) oder sogar nicht tolerierbare Probleme (rot) gibt. Wie Eilers erläutert, bleibt die App jedoch nicht bei der Ermittlung des Ergebnisses stehen, sondern ermöglicht eine umfangreiche Ursachenanalyse bei Mängeln. „Es gibt eine lange Liste an Checkpunkten“, sagt Eilers. Nach Abschluss der Ursachenanalyse erhält der Benutzer Maßnahmenvorschläge. „Der Landwirt kann die Maßnahmen auswählen, die er umsetzen möchte. Wir wollen nicht, dass sich Landwirte über die App gegängelt fühlen“, sagt Eilers.
Moderne Technik wird in der Landwirtschaft bereits in vielen Bereichen eingesetzt. Doch was laut Hansjörg Nußbaum und Adriana Förschner bisher fehlt, ist ein komplett vernetzter Milchvieh-/futterbaubetrieb vom Futterbau bis zur Milchverarbeitung. „Aus diesem Grund soll mit dem Projekt ,Digimo’ ein digital vernetzter Modellbetrieb mit dem Schwerpunkt Milchviehhaltung erarbeitet werden“, sagt Nußbaum. „Digimo“steht dabei für „digital vernetzter Modellbetrieb mit Futterbau und Milchviehhaltung“.
Ziel ist es, einen Modellbetrieb zu erarbeiten, der mit den aktuell verfügbaren digitalen Systemen ausgestattet ist und „entlang der Prozesskette Milch die höchste Digitalisierungsstufe abbilden kann“. Wie Förschner dem Minister vorführte, sind bereits vier verschiedene Systeme in Aulendorf im Einsatz. Sie verfolgen über mehrere Sensoren das Verhalten der Kühe: Ein Sensor befindet sich am Ohr der Tiere, einer am Halsband, einer am Fuß. Einen weiteren Sensor, einen sogenannten Bolus, trägt die Kuh dauerhaft im Pansen in sich.
Und wenn eine Kuh vor dem Kalben steht, bekommt sie einen Sensor an den Schwanz, der registriert, wenn es soweit ist. „Unsere Stärke ist, dass wir verschiedene Systeme, die unterschiedlich arbeiten, miteinander vergleichen“, sagt Nußbaum. „Hochglanzbroschüren versprechen alles. Wir sehen, was in der Praxis funktioniert.“Der Wissenstransfer des LAZBW sei elementar wichtig, um die gewonnen Erkenntnisse in die Praxis zu vermitteln, würdigte auch Hauk die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Aulendorf.