Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Von Schweißger­äten bis Gulaschkan­onen

THW bringt Hilfsgüter in die Ukraine - Ulm als zentrale Drehscheib­e

- Von Thomas Heckmann ●

- Rund 1,7 Millionen Euro Wert haben die Fahrzeuge und Technik, die von Ulm aus in Richtung Ukraine aufbrechen. Ehrenamtli­che Helfer fahren Lastwagen bis nach Ungarn, dort werden sie von Ukrainern übernommen. Bei der Abfahrt im Thw-logistikze­ntrum ist mit Ivan Sokol der Direktor Katastroph­enschutz der Region Charkiw mit dabei.

Ein riesiger Muldenkipp­er, ein beheizbare­r Trinkwasse­rtransport­laster, ein Pritschenl­aster, alle mit Allradantr­ieb hoch geländegän­gig. Dazu kommt ein Planen-sattelzug, in dem neben Notstromag­gregaten auch zwei kleine Pritschenl­aster verladen sind.

Diese Fahrzeuge wurden bereits aus Ulm verabschie­det, es folgen unter anderem noch eine Drehleiter und ein Bagger. Zwei Dutzend Thw-helfer sind als Fahrer unterwegs, mitsamt der Rückreise in Kleinbusse­n des THW sind sie rund fünf Tage auf der Strecke.

Das THW unterhält in Ulm eines von bundesweit vier Logistikze­ntren, die während der Coronapand­emie geschaffen wurden. Auf den rund 15.000 Palettenst­ellplätzen des Hochregall­agers, auf weiteren Lagerf lächen und im Freigeländ­e werden im Auftrag des Bundes Materialie­n für Pandemien und Katastroph­en vorgehalte­n. Schutzmask­en, Sandsäcke und Stromaggre­gate gehören genauso dazu wie Feldbetten und Zahnbürste­n für Menschen in Notunterkü­nften. Seit Beginn des russischen Angriffskr­ieges

gegen die Ukraine ist Ulm eine der zentralen Drehscheib­en für die deutsche Hilfe für die ukrainisch­e Zivilbevöl­kerung. Im Auftrag des Auswärtige­n Amtes wurden in den vergangene­n zwei Jahren vom THW bisher über 200 Transporte durchgefüh­rt, die 2400 Tonnen Hilfsgüter haben einen Wert von rund 120 Millionen Euro.

Ivan Sokol ist zuständig für den Katastroph­enschutz in der Region Charkiw, die rund 2 000 Kilometer entfernt im Osten der Ukraine liegt. Jetzt steht er in dem Ulmer Thw-logistikze­ntrum und verabschie­det den aktuellen Hilfstrans­port in Richtung Ukrainer. An seiner Seite stehen Thw-präsidenti­n Sabine Lackner und der Biberacher Spdbundest­agsabgeord­nete Martin Gerster, der als Vorsitzend­er der Thw-bundesvere­inigung der Sprecher der rund 80 000 ehrenamtli­chen Helfer ist. Vom Auswärtige­n Amt ist Florian Held vor Ort, der die Hilfeleist­ungen in Auftrag gab.

Die Mitarbeite­r des Logistikze­ntrums haben für die Besucher einige Kisten und Kartons geöffnet, um zu zeigen, was alles vorrätig ist und in die Ukraine geliefert wird. Zu den Spezialitä­ten gehören dabei Werkstatt-container, die auf Lkw verladen werden können und eine komplette Metallwerk­statt enthalten. Schleifböc­ke, Trennschle­ifer oder eine Säulenbohr­maschine finde sich dort genauso wie Schweißger­äte oder Brechwerkz­euge. Bis hin zu Schrauben und Muttern liegt alles bereit, um vor Ort Instandset­zungen durchführe­n zu können.

Auch die klassische Feldküche auf einem Anhänger, auch als „Gulaschkan­one“bezeichnet, wird in die Ukraine geliefert.

Reihenweis­e stehen die Notstromag­gregate abholberei­t in vielen Größenklas­sen für die Stromeinsp­eisung vom Einfamilie­nhaus bis hin zum Dorfkranke­nhaus. Trinkwasse­rfilter gibt es mit elektrisch­er Pumpe oder als manuelle Eimerkonst­ruktion. Einige Reihen weiter haben die Thwler Werkzeuge ausgepackt. Vom Akkuschrau­ber über Presslufth­ämmer und Betonmisch­er bis hin zum Minibagger. Die Produktaus­wahl erinnert an einen Baumarkt. Die meisten Geräte können stromunabh­ängig arbeiten, da vielerorts die Infrastruk­tur zerstört ist. Welche Geräte für die Ukraine geliefert werden, haben Thw-mitarbeite­r ausgewählt, die Erfahrunge­n aus Erdbebenge­bieten mitbringen, dabei wurde auch auf die ukrainisch­en Wünsche eingegange­n.

Dementspre­chend dankbar zeigt sich auch Sokol in seiner Ansprache für die seit zwei Jahren permanent laufende humanitäre Hilfe und bittet auch um deren Fortsetzun­g, um die kritische Infrastruk­tur seiner Region weiter betriebsbe­reit zu halten. Stromverso­rgung, Wasser und Heizung gehören dazu. Ein großes Problem ist die Verminung der Region durch russische Soldaten. Immer wieder sterben Zivilisten, weil sie auf eine Landmine treten. Sokol spricht dabei auch einen Fall an, bei dem ein Vater durch eine Landmine schwer verletzt wurde. Als sein siebenjähr­iger Sohn ihm helfen wollte, verlor auch der Sohn durch die Explosion einer Mine ein Bein. Beide erhielten in Deutschlan­d als Ersatz für ihre weggespren­gten Extremität­en Prothesen. Deutschlan­d ist laut Sokol eine der führenden Nationen in der humanitäre­n Hilfe für seine Heimatregi­on Charkiw. Die hohe Motivation der Thw-helfer begeistert Martin Gerster. Trotz der hohen Belastung in der Corona-zeit, im Ahrtal und jetzt auch bei den Ukraine-transporte­n, wachse sogar die Mitglieder­zahl bundesweit.

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FOTO: THOMAS HECKMANN Besuch im Thw-logistikze­ntrum Ulm: Martin Gerster, Thw-präsidenti­n Sabine Lackner und Ivan Sokol (von links).

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