Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Von Schweißgeräten bis Gulaschkanonen
THW bringt Hilfsgüter in die Ukraine - Ulm als zentrale Drehscheibe
- Rund 1,7 Millionen Euro Wert haben die Fahrzeuge und Technik, die von Ulm aus in Richtung Ukraine aufbrechen. Ehrenamtliche Helfer fahren Lastwagen bis nach Ungarn, dort werden sie von Ukrainern übernommen. Bei der Abfahrt im Thw-logistikzentrum ist mit Ivan Sokol der Direktor Katastrophenschutz der Region Charkiw mit dabei.
Ein riesiger Muldenkipper, ein beheizbarer Trinkwassertransportlaster, ein Pritschenlaster, alle mit Allradantrieb hoch geländegängig. Dazu kommt ein Planen-sattelzug, in dem neben Notstromaggregaten auch zwei kleine Pritschenlaster verladen sind.
Diese Fahrzeuge wurden bereits aus Ulm verabschiedet, es folgen unter anderem noch eine Drehleiter und ein Bagger. Zwei Dutzend Thw-helfer sind als Fahrer unterwegs, mitsamt der Rückreise in Kleinbussen des THW sind sie rund fünf Tage auf der Strecke.
Das THW unterhält in Ulm eines von bundesweit vier Logistikzentren, die während der Coronapandemie geschaffen wurden. Auf den rund 15.000 Palettenstellplätzen des Hochregallagers, auf weiteren Lagerf lächen und im Freigelände werden im Auftrag des Bundes Materialien für Pandemien und Katastrophen vorgehalten. Schutzmasken, Sandsäcke und Stromaggregate gehören genauso dazu wie Feldbetten und Zahnbürsten für Menschen in Notunterkünften. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges
gegen die Ukraine ist Ulm eine der zentralen Drehscheiben für die deutsche Hilfe für die ukrainische Zivilbevölkerung. Im Auftrag des Auswärtigen Amtes wurden in den vergangenen zwei Jahren vom THW bisher über 200 Transporte durchgeführt, die 2400 Tonnen Hilfsgüter haben einen Wert von rund 120 Millionen Euro.
Ivan Sokol ist zuständig für den Katastrophenschutz in der Region Charkiw, die rund 2 000 Kilometer entfernt im Osten der Ukraine liegt. Jetzt steht er in dem Ulmer Thw-logistikzentrum und verabschiedet den aktuellen Hilfstransport in Richtung Ukrainer. An seiner Seite stehen Thw-präsidentin Sabine Lackner und der Biberacher Spdbundestagsabgeordnete Martin Gerster, der als Vorsitzender der Thw-bundesvereinigung der Sprecher der rund 80 000 ehrenamtlichen Helfer ist. Vom Auswärtigen Amt ist Florian Held vor Ort, der die Hilfeleistungen in Auftrag gab.
Die Mitarbeiter des Logistikzentrums haben für die Besucher einige Kisten und Kartons geöffnet, um zu zeigen, was alles vorrätig ist und in die Ukraine geliefert wird. Zu den Spezialitäten gehören dabei Werkstatt-container, die auf Lkw verladen werden können und eine komplette Metallwerkstatt enthalten. Schleifböcke, Trennschleifer oder eine Säulenbohrmaschine finde sich dort genauso wie Schweißgeräte oder Brechwerkzeuge. Bis hin zu Schrauben und Muttern liegt alles bereit, um vor Ort Instandsetzungen durchführen zu können.
Auch die klassische Feldküche auf einem Anhänger, auch als „Gulaschkanone“bezeichnet, wird in die Ukraine geliefert.
Reihenweise stehen die Notstromaggregate abholbereit in vielen Größenklassen für die Stromeinspeisung vom Einfamilienhaus bis hin zum Dorfkrankenhaus. Trinkwasserfilter gibt es mit elektrischer Pumpe oder als manuelle Eimerkonstruktion. Einige Reihen weiter haben die Thwler Werkzeuge ausgepackt. Vom Akkuschrauber über Presslufthämmer und Betonmischer bis hin zum Minibagger. Die Produktauswahl erinnert an einen Baumarkt. Die meisten Geräte können stromunabhängig arbeiten, da vielerorts die Infrastruktur zerstört ist. Welche Geräte für die Ukraine geliefert werden, haben Thw-mitarbeiter ausgewählt, die Erfahrungen aus Erdbebengebieten mitbringen, dabei wurde auch auf die ukrainischen Wünsche eingegangen.
Dementsprechend dankbar zeigt sich auch Sokol in seiner Ansprache für die seit zwei Jahren permanent laufende humanitäre Hilfe und bittet auch um deren Fortsetzung, um die kritische Infrastruktur seiner Region weiter betriebsbereit zu halten. Stromversorgung, Wasser und Heizung gehören dazu. Ein großes Problem ist die Verminung der Region durch russische Soldaten. Immer wieder sterben Zivilisten, weil sie auf eine Landmine treten. Sokol spricht dabei auch einen Fall an, bei dem ein Vater durch eine Landmine schwer verletzt wurde. Als sein siebenjähriger Sohn ihm helfen wollte, verlor auch der Sohn durch die Explosion einer Mine ein Bein. Beide erhielten in Deutschland als Ersatz für ihre weggesprengten Extremitäten Prothesen. Deutschland ist laut Sokol eine der führenden Nationen in der humanitären Hilfe für seine Heimatregion Charkiw. Die hohe Motivation der Thw-helfer begeistert Martin Gerster. Trotz der hohen Belastung in der Corona-zeit, im Ahrtal und jetzt auch bei den Ukraine-transporten, wachse sogar die Mitgliederzahl bundesweit.