Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Kreuzotter bekommt „Sonnenbänke“
Das Reptil des Jahres braucht störungsfreie Plätze – Aktueller Bestand am Federsee wird untersucht
(sz) - Im Einsatz für das Reptil des Jahres, die Kreuzotter: Das Team des Nabu-naturschutzzentrums Federsee hat im südlichen Teil des Federseeriedes „Sonnenbänke“aus Ästen aufgehäuft, um den wärmebedürftigen Tieren geeignete Liegeplätze zu bieten.
Was auf den ersten Blick wie ein vergessener Haufen aus Sturmholz, Ästen und Zweigen aussieht, ist eine Artenschutzmaßnahme für die Kreuzotter: Dieses Reptil kommt im südlichen Teil des Federseeriedes vermutlich noch vereinzelt vor – „vermutlich“deshalb, weil über den aktuellen Bestand im Federseeried nichts bekannt ist. Eine Bestandserfassung soll das zeigen.
In Deutschland ist die Kreuzotter vom Aussterben bedroht. Im Spätwinter hat das Nabuteam deshalb auf Flächen im südlichen Federseeried die aufwachsenden Gehölze reduziert, um offene, besonnte Plätze zu schaffen. Das Schnittgut wurde aufgestapelt und kann von den Tieren künftig als exponierter Sonnenplatz genutzt werden. Wie alle Reptilien sind Schlangen auf Wärme angewiesen, denn sie können die Körpertemperatur nicht selbst steuern.
Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit, später einmal auf den geschaffenen „Sonnenbänken“tatsächlich eine Kreuzotter zu Gesicht zu bekommen, äußerst gering, bedauert Nabu-mitarbeiter Joshua Glaser, der gemeinsam mit dem jungen Freiwilligenteam des Naturschutzzentrums die Maßnahme umgesetzt hat. „Ich
würde mir wünschen, mal eine Kreuzotter im Gebiet zu sehen, aber die Tiere sind extrem scheu. Sie nehmen Erschütterungen bereits von weitem wahr und verschwinden“, so Glaser. Obwohl
Kreuzottern sich durchaus durch einen Giftbiss wehren können, ist Flucht ihre erste Wahl.
Zwar haben Kreuzottern gute Augen: eine schlitzförmige Pupille steht senkrecht in der gelben Iris, was sie als giftige Viper ausweist. Ihre Beute spüren sie jedoch durch chemische Informationen auf. Die Zunge fängt die Geruchspartikel von Mäusen, Eidechsen und Fröschen auf; ausgewertet werden die Eindrücke durch spezielle Sinneszellen im Maul. Genau genommen handelt es sich um eine Kombination aus Riechen und Schmecken.
In Anpassung an ihre eher kühlen Lebensräume wie Moore und Höhenlagen bis zu 3000 Metern Meereshöhe brüten die Weibchen die Eier im Körper aus. „Es dem Zufall zu überlassen, dass am Eiablageort die Sonne genug Kraft hat, die Eier auszubrüten, wäre in klimatisch kühleren Gegenden eine riskante Strategie“, gibt Dr. Katrin
Fritzsch zu bedenken, die Leiterin des Nabu-zentrums. Das Weibchen positioniere sich zur Fortpf lanzungszeit am wärmsten Plätzchen, ein mobiler Brutkasten sozusagen.
Die bleistiftgroßen Jungschlangen starten vielerorts mit massiven Schwierigkeiten: es fehlt an geeignetem Lebensraum wie störungsfreien Mooren mit Sonnenplätzen, Winterquartieren und Tagesverstecken. Viele ehemals offene Lebensräume verbuschen zunehmend.
Obwohl Kreuzottern dank ihrer guten Sinne selten von Menschen überrascht werden, kommt es durchaus zu Schlangenbegegnungen im Federseemoor, weiß Fritzsch: „Hier handelt es sich allerdings um Ringelnattern, die weitaus häufiger sind. Diese ungiftige Schlangenart kann sogar mit etwas Glück in Gärten der Federseegemeinden beobachtet werden. Sie schwimmt sehr gut und ist gelegentlich am Ufer des Federsees zu entdecken. Eindeutiges Erkennungsmerkmal einer Ringelnatter sind die beiden hellen halbmondförmigen Flecken zu beiden Seiten des Hinterkopfes“, so Fritzsch.
Doch auch ohne Schlangenbegegnung offenbart ein Spaziergang durch das Federseemoor, warum das Gebiet als Europareservat und Europäisches Vogelschutzgebiet internationale Bedeutung hat: Verschiedene Moorlebensräume, eng verzahnt, bieten einer vielfältigen Tier- und Pf lanzenwelt geschützte Rückzugsräume. Das Gebiet ist weitgehend beruhigt. Umfangreiche Renaturierungsprojekte sollen die Lebensbedingungen vieler europaweit gefährdeter Arten verbessern helfen – aktuell liegt der Focus der Naturschutzverwaltung auf der Revitalisierung des Betzenweiler Riedes im westlichen Teil des Federseemoores.