Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Tochter spricht über schlimmsten Tag ihres Lebens
Tochter von Monika O. sagt im Altenstadter Mordprozess aus
- Der Prozess um den Altenstadter Doppelmord geht weiter. Der sechste Verhandlungstag dürfte der schlimmste für die Tochter und den Sohn der getöteten Monika O. gewesen sein, die als Nebenkläger an dem Prozess teilnehmen. Sie schilderten dem Gericht, wie sie Ereignisse vom 22. April 2023 erlebt hatten – der Tag, an dem sie erfahren mussten, dass ihre Mutter und deren Mann getötet wurden. Die Tochter und ihr Lebensgefährte hatten die Leichen gefunden.
„Nein, mir geht es nicht gut“, antwortet die 29-jährige Tochter dem Anwalt, der sie im Prozess nach ihrem seelischen Zustand knapp ein Jahr nach dem schrecklichen Tag gefragt hatte. Bis heute sei sie in psychotherapeutischer Behandlung. Panikattacken begleiteten sie in den Wochen und Monaten nach dem 22. April des vergangenen Jahres, berichtet sie.
Die junge Frau ist sichtlich mitgenommen, als sie mitten im Sitzungssaal 132 des Memminger Landgerichts sitzt und über den schlimmsten Tag ihres Lebens spricht. Dabei hatte dieser Samstag für die junge Mutter ganz normal angefangen. Sie unternahm einen Spaziergang mit ihrem sieben Monate alten Sohn, war einkaufen auf dem Wochenmarkt in ihrer Heimatstadt Laupheim. Eine Wendung nahm der Tag dann mit dem Anruf einer Angestellten aus dem Spielwarengeschäft ihrer Mutter. Denn die war an diesem Tag nie im Laden in Laupheim angekommen und antwortete weder auf Anrufe noch Textnachrichten. „Erst da fiel mir auf, dass meine Mama an dem Vormittag auch zwei Whatsapp-nachrichten von mir nicht beantwortet hatte. Das war ganz untypisch für sie.“
Von der Sorge um ihre Mutter und deren Ehemann Karl O. getrieben, machte sie sich mit ihrem Verlobten auf den Weg zum Wohnhaus der beiden im Altenstadter Ortsteil Untereichen. Sie vermutete einen medizinischen Notfall, schließlich sei Karl O. krank gewesen. Als auf ihr Klingeln niemand reagierte, öffneten die beiden mithilfe einer Scheckkarte die Haustür.
Ihre Tränen kann die 29-Jährige nun nicht mehr zurückhalten. „Mein Freund ist nach oben gegangen, ich Richtung Wohnzimmer. Ich habe nach meiner Mutter gerufen und bekam keine Antwort. Als ich zurück auf den Flur und Richtung Treppe ging, kam mein Freund mir schon entgegen. Er hat gesagt: ,Bleib hier, geh nicht hoch.“Sie sei dann aber trotzdem nach oben gegangen, ins Schlafzimmer des Ehepaares. „Direkt vor mir auf dem Boden lag meine Mama in einer großen Blutlache.“Die Leiche von Karl O. habe sie gar nicht wirklich registriert. Sie erinnere sich nur an die Beine, die vom Bett herabhingen. „Ich habe in dem Moment nur meine Mama gesehen.“
Der Vorsitzende Richter Bernhard Lang stellt ihr danach viele Fragen – über die Ehe ihrer Mutter mit Karl O., über das Verhältnis zum Stiefbruder Patrick O. und dessen Frau Julia, die als Mordverdächtige mit im Sitzungssaal sitzen, über den Streit zwischen Patrick O. und seinem Vater und ob sie einen Suizid – denn so hatte die brutale Tat verschleiert werden sollen – für möglich hielt. Letzteres verneint die junge Frau.
Sie zeichnet ein Bild eines mitten im Leben stehenden Paares, das gern Urlaub am Gardasee – „immer im gleichen Hotel“– gemacht hatte, das jeden Sonntag die Altenstadter Eisdiele besucht und bei gutem Wetter gern einen Ausflug mit dem Cabrio unternommen hatte. „Ich war froh, dass meine Mama den Karl kennengelernt hatte. Ich war froh, dass sie endlich wo angekommen ist, wo sie glücklich sein kann und ich hatte das Gefühl, dass Karl meine Mutter abgöttisch geliebt hatte und alles für sie getan hätte.“
Ihren Stiefbruder und seine Frau beschreiben sie sowie ihr Bruder und ihr Lebensgefährte, die ebenfalls als Zeugen geladen waren, als etwas verschroben. Bei Familienfeiern seien sie nur sehr selten zugegen gewesen, Patrick O. habe mehr Interesse an seinen Autos als an seinem eigenen Kind gezeigt.
Übereinstimmend beschreiben die drei, wie auffällig schnell nach dem Tod des Ehepaares Patrick und Julia O. die Themen Geld und Erbe angesprochen hatten, sogar nach den Einnahmen aus dem Spielwarengeschäft von Monika O. hätten sich die beiden erkundigt.
Die Schilderungen der jungen Frau machen deutlich, was im juristischen Gerichtsalltag zwischen wissenschaftlich klingenden Gutachten und abgeklärten Aussagen der polizeilichen Ermittler oft zu kurz kommt: Hier wurden zwei Menschen auf grausame Weise aus der Mitte ihrer Liebsten gerissen, die sie schmerzlich vermissen. „Ich musste den ersten Geburtstag meines Sohnes ohne meine Mama feiern und ich muss jetzt meine Hochzeit ohne meine Mama feiern“, sagt die junge Frau mit tränenerstickter Stimme im Gerichtssaal. Ihre Hochzeit sollte eigentlich schon im Juni 2023 stattfinden – sechs Wochen nachdem ihre Mutter ermordet worden war. „Das haben wir natürlich abgesagt.“
Dieser Text wurde in leicht gekürzter Form übernommen von der „Neu-ulmer Zeitung“.